l

Pfingstausfall?

Pfingstausfall?
Gedanken zum Pfingstfest von Pfarrer Ulrich Lindl

Kennen Sie auch das Gefühl, dass uns leicht etwas selbstverständlich wird…? Die Gesundheit ist so was. Was es heißt gesund zu sein, spürt der Mensch oft erst dann, wenn er krank ist.
Wie gut es ist, dass es einen Stromanschluss gibt, merkt man meist erst, wenn der Strom ausfällt – nichts geht mehr. Wenn es kein Telefon gäbe, kein Fernsehen und kein Internet, keine Waschmaschine… die Welt sähe irgendwie anders aus. Unvorstellbar…?
Was wäre eigentlich, wenn Pfingsten ausgefallen wäre? Unvorstellbar? Oder würde das den meisten gar nicht auffallen? Nun gut, die Ferien müsste man umbenennen in Frühjahrsferien. Aber sonst…? War denn da noch sonst etwas an Pfingsten? Mal ehrlich, wer denkt bei Pfingsten noch an so was wie den Heiligen Geist…

Darum klar nochmals die Frage: was wäre, wenn Jesus seinen Heiligen Geist nicht ausgesandt hätte hinein in die Welt? Wenn der Heilige Geist ausgefallen wäre… Es wäre alles ganz anders gekommen. In etwa so:

Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Sie freuten sich, beieinander zu sein. Am Himmel regte sich kein Lüftchen… So kam es, dass sie friedlich unter sich blieben. Er störte sie keiner – wer sollte sie auch schon stören? Sie frischten Erinnerungen auf; erzählten sich dies und jenes. Die Fenster öffneten sie nur gelegentlich, um ein wenig zu lüften…
In den Straßen um ihr Haus herum tummelten sich Menschen aus allen Herren Länder. Sie unterhielten sich über vieles, manche auch über Jesus und seine Anhänger: „Man hört nichts mehr von der Sache. Sie scheint sich erledigt zu haben!“ Dann wechselten sie das Thema und sprachen über die Schriftauslegung von Rabbi Benjamin am Morgen in der Synagoge. Sie gingen weiter, ohne wirklich etwas erlebt zu haben. Der Pfingsttag – ein Tag wie jeder andere…
In der kleinen Gruppe der Jünger aber hielt Petrus eine Rede:
Liebe Freunde in der Erinnerung an Jesus. Inzwischen haben wir uns damit abfinden müssen, dass unser Freund Jesus nicht mehr unter uns ist. Von den Juden haben wir wohl nichts mehr zu befürchten, denn langsam haben sie sich wieder beruhigt. Warum sollten wir von der Sache wieder anfangen? Wir haben unsere Ruhe. Das ist gut so, und das soll so bleiben. Dann und wann wollen wir uns treffen, um das Andenken an Jesus in Ehren zu halten. Im Übrigen aber soll alles so bleiben, wie es ist. Das ist für alle Beteiligten das Beste. Fremde können in unserer Gruppe nur stören.“  Soweit Petrus.
Die Jünger trafen sich noch öfters, fingen sich an zu langweilen – und die Mittelmäßigkeit erlebte Höhepunkts. Mit den Jahren starben sie. So ging die Sache Jesu langsam zu Ende. Man redete nicht mehr viel darüber, den Belanglosigkeiten haben das gleiche Schicksal wie Eintagsfliegen.“
(leicht verändert aus „suchen und fragen“ Seite 127)

Sie merken den Unterschied? Die Sache mit der Kirche hätte sich bestimmt anders entwickelt, nämlich gar nicht. Jesus ist nicht mehr unter den Jüngern… Aus den Augen, aus dem Sinn… Man erinnert sich manchmal noch an vergangene Zeiten. Aber Erinnerungen verlieren sich irgendwann im Niemandsland des Vergessens. Irgendwann wäre die Sache Jesu im Sand verlaufen und die Jünger wären zur Tagesordnung zurückgekehrt. Am Ende wäre alles so wie früher verlaufen, eben ganz alltäglich. Wenn, ja wenn Pfingsten ausgefallen und der Geist nicht gekommen wäre.

 …von wegen!
Aber es kam dann doch alles ganz anders – und wie! Mit Brausen -wie wenn ein Sturm daherkommt- fährt der Geist an Pfingsten mitten hinein in die versammelten Jünger und auf einmal sind alle in Bewegung. Wie in Feuerzungen kommt er herab auf die kleine Jüngerschar und es brennt.  Und auf einmal bleibt nichts mehr beim Alten: alles wird neu. „Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu!“ Er hat ihn ausgesandt. Die Jünger reißen plötzlich die Fenster und Türen auf, hinter denen sie sich vor Pfingsten noch abgeschottet hatten. Und sie brechen begeistert auf. Die Kirche wächst! Und Paulus wird schon bald die Botschaft des Evangeliums hinausgetragen haben bis an die Enden der Erde.
Und der Geist bleibt in der jungen Kirche lebendig. Die ersten Christen haben  sich in den folgenden 300 Jahren auch von  grausamsten Verfolgungen römischer Machthaber nicht unterkriegen lassen. Jesus hat bestimmt nicht zu viel versprochen. Er hat wirklich einen starken Beistand vom Vater ausgesandt! Der Geist von Pfingsten hat nicht aufgehört zu wehen. Das Feuer von Pfingsten ist nicht erloschen, im Gegenteil. Es wird den Weg hinein leuchten in ein christliches Abendland.

Immer wieder durchlüften!
Die Geschichte hat immer wieder das Wirken des Heiligen Geistes bewiesen. Die Welt hat aber auch immer wieder gezeigt, was geschieht, wenn der Heilige Geist ausfällt und Christen dem Zeitgeist zum Opfer fallen. Wenn sie sich in der Welt einrichten und es sich gemütlich machen. Die Geschichte der Christen zeigt klar und deutlich, was bei einem geistlichen Stromausfall passiert. Wenn der Zeitgeist weht und der Ungeist herrscht.
Die Kirche ist ein geistliches Weltunternehmen: sie ist in der Welt, aber nicht von dieser Welt. Der Geist ist und bleibt es, der lebendig macht! Auch das hat die Geschichte der Kirche immer wieder bewiesen, und Pfingsten ist immer wieder zu neuem Leben erwacht. Zu allen Zeiten gab es geistliche Neuaufbrüche. Menschen, die voll des Geistes mutig aufgetreten sind. Von Petrus, der am Pfingsttag ja keinen trauernden Nachruf gehalten hat, sondern eine flammende Pfingstpredigt, über große Ordensgründer des Mittelalters, die die Kirche aus ihrer Verweltlichung wieder befreiten für ein geistliches Leben… Ein Franz von Assisi, ein Dominikus, ein Bernhard von Clairvaux… Denken wir auch und gerade an die ungezählten Widerstandskämpfer, die sich im christlichen Geist gegen die geistlose Menschenverachtung des Stalinismus und Nationalsozialismus auflehnten. Nach dem Ungeist hat man heiligem Geist endlich wieder Raum gegeben. Sie alle hatten weder Macht noch Geld, dafür aber Heiligen Geist in sich. Und nicht zuletzt das deutsche Grundgesetz ist ein Beweis dafür, dass der christliche Geist auch gesellschaftlich voranbringt und festigt.
Auch in unseren Tagen brauchen wir diesen Geist in unserer Gesellschaft, weil er den Glauben lebendig hält und uns in die Wahrheit einführt. Weil wir Menschen ohne Glauben keinen Wert mehr haben und keine Werte für eine gesicherte Zukunft. Und weil es in einer Welt, in der der Heilige Geist dem Ungeist zum Opfer fällt mit dem Zusammenleben der Menschen nicht mehr weit her ist.
Gerade Pfingsten ist das Fest der geistlichen Gemeinschaften, der ganz persönlichen geistlichen Gemeinschaft jedes einzelnen von uns. Fangen wir gerade an Pfingsten bei uns an und brechen wir neu auf. Jeder von uns hat Heiligen Geist empfangen in der Taufe, bestärkt durch die Firmung. Aber auch in unserer eigenen Lebensgeschichte gab es gewiss Zeiten, in denen alles so alltäglich und so wenig begeistert daherkommt. Gerade darum wissen wir wohl alle, wie gut der Geist Gottes unserem Leben tut. Und wir spüren sein Wirken, wenn es in uns brennt,  wenn wir uns für die Anliegen Gottes in der Welt begeistern lassen.
Lassen wir uns nicht von einer andauernden Kirchenkritik mürbe machen. Trauen wir dem Heiligen Geist. Lassen wir uns an Pfingsten wieder neu begeistern! Und setzen wir uns ein für eine missionarische Kirche inmitten einer Welt, die Gottes Geist braucht. Pfingsten darf uns nicht selbstverständlich werden. Wir brauchen Pfingsten. Ja, sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde, unser Leben wird neu!

 

Fürbitten an Pfingsten
Herr Jesus Christus,
du hast dein Wort gehalten. An Pfingsten hast du den Jüngern deinen Beistand gesandt. Auch wir dürfen uns immer wieder von Heiligem Geist erfüllen lassen, wenn wir offen sind für ihn.

So bitten wir:

Für unsere jungen Christen: Lass sie gegen alle Widerstände unserer Zeit zu einem geisterfüllten Glauben finden.
Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu. 

Wir bitten für die Politiker und alle, die in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen und die öffentliche Meinung bilden: Gib ihnen den Mut sich für christliche Lebenswerte einzusetzen.
Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu. 

Wir bitten für alle, die den Glauben in unserer Zeit verkünden: Lass sie die zeitlose Botschaft des Glaubens in die Sprache übersetzen, die die Menschen heute verstehen.
Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu. 

Wir bitten für uns: lass uns immer wieder neu entdecken, welche Gaben des Geistes in uns wirksam sind, damit wir sie einsetzen zum Aufbau einer lebendigen Gemeinde.
Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu. 

Herr Jesus Christus!
Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu.
Amen.

Share