Das Gleichnis vom verlorenen Sohn
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Das Gleichnis vom verlorenen Sohn
Gedanken zum 4. Fastensonntag (Lk 15, 11-32)
Am Ende konnte man ihn nicht mehr halten. Nur weg von zu Hause. Und hinaus in die weite Welt. Ein Vater entlässt seinen Sohn ins Leben. Und gibt ihm viel mit auf den Weg. Sein väterliches Erbe.
Barmherzigkeit schenkt Leben
Den eigenen Weg finden. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Sich in der großen weiten Welt zu Recht finden. Das richtige Maß zu finden, den vielen Versuchungen zu widerstehen und am Ende heil ans Ziel zu kommen… Es ist wirklich eine Kunst, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und verantwortungsbewusst damit um zu gehen. „Lebenskunst“. Es kann ja unterwegs so viel schief gehen.
Was alles so verheißungsvoll begonnen hat, mit einem jungen Menschen, der sich erwartungsvoll auf den Weg ins Leben macht, ist auch gründlich schief gegangen. Er lebt aus dem Vollen. Alles wird verprasst. Und man kann kaum mit ansehen, wie der junge Kerl verkommt. Schlimmer geht´s nimmer… Und am Ende haben wir wohl alle nur noch Mitleid mit einem, der buchstäblich im Dreck gelandet ist… bei den Schweinen. Für die damaligen Hörer dieses Gleichnisses war das Allerletzte – der Allerletzte. Denn bei Schweinen zu leben, machte den Menschen in den Augen der frommen Juden selbst zum Schwein. Völlig unmöglich würde es für ihn sein, mit Menschen oder gar mit Gott wieder zusammenzukommen. Wie muss dieser junge Mensch am Ende doch gelitten haben!
Aber offenbar ist er doch noch nicht ganz am Ende. Mit dem Mut der Verzweiflung versucht er, aus dem Dreck herauszukommen. Er kehrt um, heim zum Vater. Nicht, dass er zu hoffen gewagt hätte, jemals wieder als Sohn angenommen zu werden. Aber vielleicht doch als einer der Knechte…
Wir wissen, wie dieser Weg enden wird: Der Vater schließt seinen Sohn -so wie er ist!- in seine Arme. Von weitem hatte er ihn kommen sehen. Weil er schon lange auf ihn gewartet hatte. Er vergibt ihm, er steckt ihn den Ring an den Finger und nimmt ihn so wieder auf als seinen eigenen Sohn. Der ältere Bruder wird das nicht verstehen. Schade! Aber uns allen geht dieses Gleichnis zu Herzen. Wir spüren, was so wichtig ist: Barmherzigkeit.
Das ist auch die große Botschaft dieses Gleichnisses. Eine Gleichnis übrigens, das ja auch uns viel zu sagen hat. Denn wer von uns hätte nicht auch immer wieder diese Umkehr hin zum Vater nötig. Wer von uns käme am Ende ohne seine Barmherzigkeit aus? Wer könnte auf seine offenen Arme verzichten…? Aus der Barmherzigkeit Gottes dürfen wir immer wieder anfangen neu zu leben. Das ist die erste große Botschaft dieses Gleichnisses. Und zugleich eine Einladung an uns, es Gott gleich zu tun. Jesus legt es uns an anderer Stelle im Lukasevangelium ans Herz: „Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist!“ (Lk 6, 36)
Vertrauen
Aber das Gleichnis erzählt noch von einer anderen Lebenseinstellung: es erzählt vom Vertrauen. Und das schon ganz am Anfang. Schließlich übergibt der Vater seinem Sohn ein Erbe, auf das er eigentlich noch gar keinen Anspruch hat. Er vertraut ihm viel an. Er stellt keine Bedingung, macht keine Auflagen, es findet sich keine Klausel in diesem Testament. Was für ein Vorschuss an Vertrauen, das der Vater seinem Sohn mit auf den Weg gibt. Und auch am Ende begegnet uns abgrundtiefes Vertrauen. Diesmal auf Seiten des Sohnes. Er traut sich umzukehren. Und der Vater enttäuscht sein Vertrauen nicht. Ohne die geringsten Vorwürfe, nimmt er ihn wieder auf. Auch diese zweite Botschaft des Gleichnisses Blick ist ein wichtiges Vermächtnis auch für unser Leben. Denn das Leben ist und bleibt Vertrauenssache. Gott hat auch uns viel anvertraut. Er stellt keine Vorbedingungen für unser Leben. Er gibt es uns ganz einfach in die Hand. Mit allem was er uns an Fähigkeiten anvertraut hat. Dieses Gottvertrauen in den Menschen sollte uns Selbstvertrauen geben, das Leben vertrauensvoll anzunehmen. Keine Angst, hab Vertrauen!
Vertrauen ist gerade auch dort wichtig, wo es im Leben nicht so läuft, wo wir vielleicht von uns selbst und von Gott enttäuscht sind… Barmherzigkeit und Vertrauen – wie gut all das dem Leben tut! Und worum ginge es Gott mehr als um das Leben des Menschen und darum, dass es am Ende alles gut wird.
Misereor
Die Pharisäer und Schriftgelehrten, denen Jesus das Gleichnis erzählt hatte, werden wohl ungläubig den Kopf geschüttelt haben. Vielleicht haben sie ebenso wenig verstanden, wie der ältere Bruder, dass es für Gott keinen größeren Grund zur Freude gibt als wenn ein Mensch aus seinem vertrauensvoll umkehrt zu ihm. Wir verstehen – hoffentlich. Und wir werden wohl auch alle spüren, wie wichtig diese Grundeinstellungen sind: Barmherzigkeit und Vertrauen. Was bräuchte unsere Welt mehr als eben diese Lebenseinstellungen!
Wir begehen heute den Misereorsonntag. „Misereor“ heißt: „Ich habe Erbarmen“. Diese Botschaft ist wichtig für unser Leben und für unsere Welt, in der es oft genug erbarmungslos zugeht, Menschen erbarmungslos ausgebeutet, gedemütigt, diskriminiert werden. Geht es nicht um beides: um Erbarmen, das zur Tat wird. Und Vertrauen, das zum Zutrauen wird: es muss nicht so bleiben. Es kann, ja es muss sich was zum Besseren ändern. Misereor will uns dafür gewinnen, nicht zu resignieren.
Als Christen dürfen wir leben von Barmherzigkeit und mit Gottvertrauen. Und daraus Kraft schöpfen für ein besseres Leben.