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Ehre, wem Ehre gebührt –

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Ehre, wem Ehre gebührt –
Gedanken zum Gottesdienst am Ehrentag des Alters

 Es gibt einen Muttertag, es gibt einen Vatertag, es gibt auch einen Kindertag. Der ist übrigens am 20. September. Und es gibt in Biberbach sogar einen besonderen Ehren-Tag des Alters. Ehre, wem Ehre gebührt!

Man könnte einwenden: alt zu sein ist kein Grund zum Feiern. Martin Held hat einmal ausgesprochen, was sich viele danken: „Alle wollen alt werden, aber keiner will alt sein.“ Aber anders gefragt: wer wollte nochmal jünger sein? Allenfalls ein paar Jahre, aber nochmal von vorne anfangen? Das wollen dann doch die wenigsten.
Was soll´s: ändern können wir ja sowieso nichts. Leben hat nun mal seine Grenzen. Die Altersgrenze ist so eine. Aber die hat auch ihre Vorteile. Man bekommt manches günstiger. Vor allem aber haben Sie eines geschafft. Sie alle sind älter geworden. Wer das nicht will, muss eben früher sterben. Aber das wollen ja auch die wenigsten.

Ich werde auch älter und was damit wächst, ist nicht die Angst vor dem Älterwerden, sondern der Respekt vor den Älteren oder sagen wir ruhig die Ehrfurcht vor dem Alter. Im Alter spürt man bewusster, dass das Leben eine Gabe ist – ein Geschenk auf Zeit.

Der Blick auf die näher kommende Lebensgrenze zeigt, dass irdische Zukunft weniger wird. Aber dafür ist eines gewachsen: die erfahrene Zeit der Vergangenheit. Sie haben einen geschulten Blick für das Wesentliche, vor allem in der Rückschau auf das, was war – und am Ende bleibt. Bei allem, was vielleicht weniger wird mit der Zeit. Eines wird mehr: die Lebenserfahrung. Die kann Ihnen keiner nehmen. Und die sollten Sie auch weitergeben. Nicht von ungefähr spricht man ja auch von der Weisheit des Alters. Und Enkelkinder hören niemandem so gern zu wie Oma und Opa, wenn die von früher erzählen. Erziehung war Pflicht. Oma und Opa-sein ist jetzt Kürprogramm. Dafür ist jetzt mehr Zeit. So merkwürdig das ist: Im Alter wird die verbleibende Zeit weniger, aber dafür man hat mehr davon, wenn Sie sich die Zeit nehmen.

Freilich ist auch das eine Erfahrung des Alters: So manches geht nicht mehr so selbstverständlich. Manches muss man auch ganz gehen lassen. Das ist keine leichte und doch eine wichtige Lebenssaufgabe. Was geht, geht. Sich darüber freuen und dankbar sein. Manches geht nicht mehr. Man kann vielem nachtrauern, aber das macht die Sache auch nicht leichter. Was nicht mehr geht, sollte man gehen lassen, nicht aber ohne zuvor sich zu bedanken, dass es so lange gut gegangen ist. Eines nur darf man nicht: sich selbst gehenlassen.

Nehmen Sie sich an, gerade im Alter. Man wird sich selbst zur Aufgabe. Und kommt sich dadurch selbst näher. Man braucht auch mehr Zeit für sich. Nehmen Sie sich die Zeit für sich, die Sie brauchen.

Letztlich ist der Mensch an der Altersgrenze auch ein Lernender, der eines einübt: das Loslassen. Das ist nicht einfach, aber ungemein wichtig. Mit geballten Fäustchen und einem Urschrei nach Leben kommt der Mensch bekanntlich auf die Welt. Mit offenen Händen und einem letzten oftmals unbemerkten Ausatmen geht er aus dieser Welt. „Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dahin zurück“ (Ijob 1,21). Eine wichtige, menschliche Einsicht des Ijob, an der sich bis heute nicht geändert hat.

Das letzte Hemd hat nach wie vor keine Taschen und auch das bleibt da. Wenn wir bedenken, wie lange sich Menschen auf Reisen vorbereiten. Und wie wenig sie oft vorbereitet sind auf die eigentliche Weltreise ihres Lebens…?
So wird die Zeit des Alters auch zu einer Heilszeit. Wenn wir die verbleibende Zeit nutzen, um uns auf die Ewigkeit gut vorzubereiten. Dabei kann noch so vieles Überraschende ganz unerwartet geschehen. In einem Augenblick. Wie es eben der greise Simeon erlebt hat. Ihm wird der entscheidende Augenblick seines Lebens erst im hohen Alter geschenkt.

Einen beherzten Gedanken von Hermann Hesse, selbst über 80 Jahre alt geworden, möchte ich uns noch gesagt sein lassen. „Alt sein ist keine weniger schöne Aufgabe als jung sein.“ Auf alle Fälle eine Aufgabe zu leben.

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