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Der verhexte Weizen

Der verhexte Weizen
Gedanken zum Evangelium am 16. Sonntag im Jahreskreis (Mt 13, 24-30; 36-43)

Reden wir heute mal über was anderes. Reden wir über den Taumel-Lolch. Kennen Sie nicht? Also dann mal aufgemerkt! Der Taumel-Lolch ist eine Pflanze, die auf dem Acker wächst. Sieht ähnlich aus wie Weizen, ist aber kein Weizen. Seine Blätter sind schmäler; dafür verzweigen sich seine Wurzeln im Erdreich umso kräftiger. Und zu alledem sind seine Körner auch noch giftig. Der Taumel-Lolch ist also ein gefährliches Unkraut und wurde darum seinerzeit als „verhexter Weizen“ bezeichnet.

Und damit sind wir gut vorbereitet für das heutige Gleichnis. Gleichnisse gehören zum Herzstück der Verkündigung Jesu. Sie sind oft genug aus der Landwirtschaft genommen. Aus gutem Grund: 70 Prozent der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft und allein die Weizenernte steuerte die Hälfte zum Bruttosozialprodukt bei. Die Leute, die Jesus zu hörten, wussten also Bescheid. Sie kannten natürlich auch den Taumel-Lolch und seine Gefahr. Besonders dann, wenn er mitten im Weizenfeld aufging. Wie gesagt, man konnte ihn schlecht von Weizen unterscheiden. Und seine Wurzeln verwurzelten sich so stark, dass man ihn nicht einzeln jäten konnte, ohne auch den Weizen mit auszureißen.

Mit diesem Vorwissen verstehen auch wir nun das Problem. Und was das Problem nicht lösen konnte: Einfach ausreißen geht nicht. Was dann nur übrig bleibt: beides wachsen lassen. Auf diese Weise kann man ja den Weizen am Ende doch noch ernten. Den Taumel-Lolch musste man sorgsam aussondern. Sein Genuss kann nämlich zu Übelkeit führen bis hin zur Erblindung.

Aber wie ist es eigentlich dazu gekommen? Zunächst war doch von einem Mann die Rede, der gute Saat auf seinen Acker ausbrachte. Richtig. Aber dann haben alle geschlafen und es kam der Feind. Unbemerkt streute er die schlechte Saat dazwischen und machte sich auf und davon.

Was fangen wir mit diesem Gleichnis nun an? Jesus geht es ja nicht um eine landwirtschaftliche Betriebsanleitung. Die Leute wussten eh bescheid. Nein,  Jesus geht es um eine tiefere Wahrheit. Und die Jünger wollten es genauer wissen. Dafür muss man ihm folgen, dran bleiben an Jesus. Denn der geht ins Haus. Die meisten heim. Die aber, die bei ihm bleiben, bekommen die Gelegenheit einer Erklärung. Drinnen im Haus nimmt sich Jesus die Zeit und erklärt Jesus das Gleichnis nochmal.

Zuerst stellt er klar: Ja, es gibt das Böse fest verwurzelt im Erdreich dieser Welt. Daran werden wir nichts ändern. Aber es gibt auch gute Saat. Die wurde zuerst ausgestreut. Das Gute kommt vom Guten. Vom Menschensohn. Der bringt in der Tat viel Gutes in die Welt. Warum gibt es dann auch so viel Böses? Weil es auch den Bösen gibt, den Feind. Er hat genau dann seine Chance, wenn die Menschen schlafen. Oder sagen wir einmal, wenn sie nicht achtsam sind und nicht aufmerksam.

Und was kann man dagegen machen? – So einfach ausreißen geht nicht. Es ginge dabei zu viel an Gutem zu Grunde. Was am Ende bleibt? Wachsen lassen! Es kommt bei allem Wachstum des Bösen, das man sehen kann und auch beklagen muss, auch zum Wachstum des Guten.

Und zu guter Letzt: Am Ende ist der Tag der Ernte. Das Ende der Welt. Die Vollendung. Der Tag, an dem die Frucht an Guten eingebracht wird. Bei Gott geht nichts verloren. Das Schlechte aber bringt keine Frucht und wird verbrannt. Das was an Gutem gewachsen ist, das wird hell erstrahlen im ewigen Licht der Vollendung.

Das Gleichnis hat gut begonnen. Und es endet noch besser. Dazwischen freilich werden wir ehrlich konfrontiert mit der Realität einer Welt, die uns eine christliche Tugend ans Herz legt: achtsam gelassen zu sein.

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