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Was wäre für Sie das größte Unglück?

Was wäre für Sie das größte Unglück?
Gedanken zum Fest Kreuzerhöhung Lesung 1 Kor, 1,18-24/ Lk 9, 23-26

„Was wäre für Sie, was wäre für mich das größte Unglück?“ Diese Frage lässt aufhorchen! Auf genau diese Frage hat ein Kartäusermönch in einem Interview einmal geantwortet: „Das größte Unglück für mich ist: nicht verstanden zu werden.“ Diese Antwort geht mir bis heute nach… Wie kommt ausgerechnet ein Kartäusermönch, der doch aus Berufung im Schweigen lebt, zu dieser Antwort? Aber dann habe ich den Kartäusermönch doch gut verstanden. Es geht ihm um ein Verständnis dafür, wie er lebt. Und warum er so lebt.
Geht es uns allen nicht genauso: wenn wir auf Unverständnis treffen, Missverständnissen begegnen. Nicht mit irgendeiner Meinung, sondern mit unserem Leben, in unserer Liebe, mit unserem Glauben…

Was wäre wohl für Jesus das größte Unglück?
Vielleicht würde Jesus ebenso antworten und sagen: „Mensch, das größte Unglück für mich ist, dass du mich nicht verstehst.“ Dabei hat Jesus doch alles getan, damit wir ihn verstehen können. Und doch wurde und wird er immer wieder nicht verstanden.
Nachdem er Tausende gespeist hat, wollen sie alle nur eins: dieses Brot. Aber nicht ihn, der doch selbst das Brot des Lebens ist.
Als er auf dem Berg der Verklärung in himmlischem Glanz erscheint, wollen die drei Jünger nur eins: Hütten bauen. Als ob man den Himmel auf Erden einmauern könnte.
Und hatte Petrus nicht Jesus bekannt: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Und doch will er kurz darauf Jesus davon abbringen, seinen Weg der Erlösung zu Ende zu gehen, seine Mission zu vollenden…
Immer wieder wollten die Menschen nicht, was Jesus wollte. Ein echtes Unverständnis. Jesus hält ihnen entgegen: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat und sein Werk zu Ende zu führen“ (Joh 4, 43).
Darum geht es also zu allererst, wenn wir Jesus verstehen wollen: Wir müssen herausfinden, worum es ihm geht; nicht, was wir wollen.
Dafür braucht es freilich Zeit. Das ist das zweite Verständigungsproblem. Glaube ist nichts für Leute, die es eilig haben. Denn was Jesus sagt, stellt rein menschlich gesehen vieles in Frage und so manches auf den Kopf: „Wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es gewinnen. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt.“ Aber hat Jesus nicht Recht! Ihm geht´s ums Leben. Um unser Überleben.
Nirgendwo spüren wir das intensiver als im Blick auf das Kreuz. Und doch ist gerade sein Kreuz seit jeher ein Zeichen, das nicht verstanden wurde. Schon Paulus sagt darum: „Das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber die gerettet werden, ist es Gottes Kraft“ (1 Kor 1, 18). Wir müssen das Kreuz verstehen. Wie gelingt uns das? Am besten fangen wir bei uns an. Sein Kreuz das ja eigentlich unser Kreuz ist.

Das Kreuz besser verstehen!
Darum sagt uns Jesus auch: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk, 9, 23) So, und nicht anders kommen wir Jesus auf die Spur und bleiben an ihm dran.
Wir werden das Kreuz Jesu nie verstehen, wenn wir nicht unser eigenes Kreuz verstehen und es annehmen. Oft genug versuchen wir Menschen ja das ganze Gegenteil: wir versuchen alles, um es loszuwerden. Das hilft aber nicht wirklich weiter…:
Da stellt der Arzt plötzlich eine ernste Diagnose, die man nicht wahrhaben will. Und doch geht es darum, nach Wegen der Heilung zu suchen. Da trifft eine Behinderung, gegen die man sich verbissen wehrt. Und doch geht es darum, mit dieser Behinderung gut umzugehen. Und ihrer Sucht werden Menschen erst dann begegnen können, wenn sie sich ihr stellen und der Sehnsucht, die sich dahinter verbirgt.
Mein Kreuz anschauen, es würdigen und dann lernen, gut damit umzugehen. Daran auch zu wachsen. Und hoffentlich unterwegs Menschen zu begegnen, die mittragen, wie damals Jesus dem Simon begegnet ist. All das wird erst möglich, wenn wir unser Kreuz angenommen haben.
Aber dann darf es dabei nicht bleiben. Wir sollen ja mit unserem Kreuz Jesus nachfolgen. Auf diesem Weg werden wir ihm begegnen, der sein Kreuz getragen hat – für uns. Ja für uns! Damit keine Missverständnisse aufkommen, noch einmal: Sein Kreuz ist eigentlich mein Kreuz – unser aller Kreuz. Er hat es auf sich genommen und für uns getragen. Als Vorbild und zu unserer Erlösung. Warum? Auch das hat uns Jesus selbst schon längst erklärt, damals am Abend vor seinem Leiden, in seinen Abschiedsworten an die Seinen: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh 15,13).
Das Tatmotiv Jesu ist die Liebe. Das ist zugleich der Schlüssel zum Verständnis seines Kreuzes Christi. Es ist kein Zeichen der Erniedrigung, des Scheiterns und des Todes. Es ist der lebendige Beweis seiner göttlichen Liebe zu uns Menschen. Wie viel wir Menschen Gott doch wert sind.
Ich frage mich: Was wäre, wenn wir sein Kreuz nicht hätten. Es blieben ungezählte Kreuze der Menschen unerlöst stehen. Genau darum dürfen wir sein Kreuz nicht abhängen. Ganz im Gegenteil! Wir das Fest Kreuzerhöhung. Am 13. September 335 wurde es von Kaiserin Helena wiedergefunden. Und am Tag darauf in der Jerusalemer Auferstehungskirche feierlich erhöht. Damit wir Menschen es besser sehen können. Gerade dann, wenn uns unser eigenes Kreuz niederdrückt. Sein Kreuz richtet uns auf.

Jesus will wirken
Genau das will Jesus vom Kreuz aus auch bewirken: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“ (Joh 12, 32). Nicht mit Gewalt, sondern mit der Anziehungskraft seiner hingebungsvollen Liebe.
Dafür steht unser Heiliges Kreuz, das spüren wir im Blick auf unser Liab´s Herrgöttle in Biberbach. Unser Heiland hängt ja nicht am Kreuz. Er steht dazu! Jesus steht zum Kreuz des Menschen. Wenn das nicht Mut macht! Und sein Blick geht unter die Haut. Er sieht uns von weitem, wenn wir kommen. Er hat schon längst auf uns gewartet. Und in seinen Augen sehen wir, wie es um uns steht, wie es uns gerade geht. Er schaut nicht auf uns herab. Wir dürfen vielmehr aufschauen zu ihm. Allein schon das tut gut und befreit von vielem, was uns immer wieder bedrückt. „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt.“ Dafür blutet sein Herz.
Unser Liab´s Herrgöttle hat in den vergangenen 340 Jahren ungezählte Menschen angezogen. Und was sie nicht alles mitgebracht haben an Anliegen, Nöten und Sorgen… eben ihr eigenes Kreuz. Aber mit viel Vertrauen! Die Votivtafeln erzählen davon bis heute: „Mein Glaube hat mir geholfen!“ Das ist nicht von gestern. Das Herrgöttle wirkt auch heute. Die Litanei aus Bitten und Dank, die sich in unserem Wallfahrtsbuch findet, spricht Bände!
Lassen auch wir uns immer wieder von Jesus Christus in die Armen nehmen. Denn dafür hat er sie am Kreuz ausgebreitet. Dann haben wir verstanden, worum es Jesus geht. Und genau darum geht es ihm doch: dass wir ihn verstehen und das von Herzen.

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