Was sind das eigentlich für Menschen…?
Was sind das eigentlich für Menschen…?
Gedanken zum Hochfest des Heiligen Ulrich am 4. Juli
Was sind eigentlich für Menschen – Heilige? Die erste Antwort darauf ergibt sich bereits aus der Frage: Heilige sind Menschen.
Heilige fallen ja nicht einfach vom Himmel. Sie fangen –wie alle Menschen- klein an. Da macht auch der Heilige Ulrich keine Ausnahme: Kaum zu glauben, dass dieser wahrhaft große Heilige am Anfang gar nicht wachsen und gedeihen wollte. Er war so kränklich, dass seine Eltern um sein Leben bangten. Auf den Rat eines durchreisenden Geistlichen wurde das Kind entwöhnt und seine Ernährung umgestellt. Daraufhin entwickelt der kleine Ulrich sich prächtig. Und schnell stellt sich heraus: der ist unglaublich begabt! Wo schicken wir ihn nur auf die Schule? 210 km weit weg in die Benediktinerabtei zu St. Gallen, das beste Bildungszentrum seiner Zeit. Aber für ein zehnjähriges Kind ein harter Einschnitt. So weit weg von zu Hause. Heilige sind zuerst einmal Menschen…
Wer in der Augsburger Basilika „St. Ulrich und Afra“ die Heiltumskammer besucht, kommt Ulrich, auch nach über 1000 Jahren, zum Greifen nahe. Wir sehen seinen Kamm, sein Geschirr, sein Gewand, vieles aus seinem täglichen Gebrauch. Auch seine liturgischen Gewänder. Und wir sehen, er war mit über 180 für seine Zeit auch äußerlich sichtbar unglaublich groß. Wohl auch darum plagten ihn im Alter Bandscheibenprobleme. Folge seiner unzähligen Reisen. In einem Ochsenkarren ohne Stoßdämpfer. Allein dreimal machte es sich damit auf den Weg nach Rom.
Heilige sind zunächst einmal Menschen. Christsein setzt Menschsein voraus. Das kann bei einem Gott gar nicht anders sein, der in Jesus Christus selbst Mensch geworden ist. Heilige stehen mit beiden Beinen auf dem Boden. Aber sie bleiben dabei nicht einfach stehen, sondern wachsen himmelwärts.
Christsein ist entwickeltes Menschsein
Denn Heilige waren ja auch echte Christen. Und Christsein ist entwickeltes Menschsein. Nach dem Vorbild Jesu. Gott hat sich in Jesus Christus hingebungsvoll hineingekniet in diese Welt. Das hat auch Ulrich versucht. In den 50 Jahren seines bischöflichen Amtes war er voller Tatkraft. Was hat er nicht alles angepackt! Die Bischofsstadt befestigt, den niedergebrannten Dom und Klöster wiederaufgebaut. Er hat sich als Reichsbischof auch entschlossen in die Politik eingemischt, wenn es galt dem Frieden zu dienen. Unvergessen ist sein Einsatz gegen die Ungarn. Ihren Höhepunkt fand sie in der entscheidenden Lechfeldschlacht 955. Für immer wurden die kriegerischen Ungarn in die Flucht geschlagen. Schon um die Jahrtausendwende wird das heidnische Volk durch einen anderen Heiligen, König Stephan von Ungarn, zivilisiert und christianisiert.
Auch das sehen wir bei Ulrich: Christen halten sich nicht raus – Christen mischen sich ein. Christen sind engagierte Menschen. Seien wir dankbar für alle die heute versuchen christliche Werte in die Gesellschaft einzubringen.
Vor allem aber war Bischof Ulrich Seelsorger und Hirte. Das ganze Bistum hat er unermüdlich bereist, einen guten Klerus herangebildet. Den Armen und Notleidenden war er besonders zugetan, in Augsburg errichtete er für sie ein Armenhospiz. Und für Mädchen eine erste Schule. Immer wieder zeigt sich seine wahre Größe zeigt sich im Kleinen. Papst Franziskus hat diese Haltung einmal so beschrieben: „Nicht übertriebener Aktivismus ist im Geiste Jesu sondern aufmerksame Zuwendung.“
Als einmal arme Bergbauern ihm ihr Leid klagten, dass ihre Väter ein Kirchlein errichtet hätten, aber bislang kein Bischof bereit gewesen wäre, es zu weihen, war Ulrich schon tags darauf dort. Einen verkrüppelten Bettler, der ihm in Kempten auf dem Friedhof begegnet war, bedachte er noch ausdrücklich in seinem Testament. Und wenn er auf eine seine vielen Reisen in die Gemeinden seines Bistums kam, setzte er sich selbst erst zu Tisch, wenn zuvor die Armen gespeist worden waren.
Langsam kommt die Frage auf: „Wie hast Du das alles geschafft?“ Ulrich hätte wohl auch auf diese Frage hin auf Jesus verwiesen. Wie er: aus dem Gebet! So wie sich Jesus immer wieder in der Einsamkeit des Gebetes –aus der Zweisamkeit mit seinem Vater- Kraft geholt hat, sind auch alle Heiligen immer wieder vertrauensvoll ins Gebet gegangen.
Für seine Reisen wählte Ulrich bewusst den Ochsenkarren, weil er so unterwegs mit seinen Kaplänen beten konnte. Auf einer Strohmatte hat er geschlafen, um innerlich wach zu bleiben. So konnte er nachts leichter aufstehen und im Gebet Kraft schöpfen für sein Tagewerk.
Wenn es die Zeit erlaubte feierte Ulrich täglich bis zu dreimal die Heilige Messe und war tief versunken im Chorgebet. Der benediktinische Grundsatz „Ora et labora“ – „Bete und arbeite“ war seit seiner Schulzeit bei den Benediktinern in St. Gallen der innere Pulsschlag seines Wirkens.
Heilig sind Vorbilder und Wegweiser
Heilige sind so Vorbilder und Wegweiser. Der evangelische Hagiograph Walter Nigg hat es einmal wunderbar so ausgedrückt: „Heilige wollen uns zu Christus hinführen, sie sind Transparente Christi. Sie sind Illustrationen zum Evangelium und der beste, einzig gültige Kommentar dazu.“
Das Leben des heiligen Ulrich ist eine kraftvolle Illustration zum Evangelium, das an seinem Hochfest, dem 4. Juli, verkündet wird: Es ist das Freundschaftsangebot Jesu: „Ich nenne euch nicht ehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ (Joh 15, 15) Ulrich hat dieses Freundschaftsangebot Jesu angenommen. Heilige sind also besondere Freunde Jesu, Eingeweihte Gottes und schließlich auch Mitarbeiter Jesu: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut was ich euch aufgetragen habe.“
Mitarbeiter, die es mit Ihm aushalten und bei Ihm bleiben. Das ist auch ein Charakterzug des Heiligen Ulrich: seine Beständigkeit, seine Stabilitas, sein Aushalten und Durchhalten, ein halbes Jahrhundert als Bischof. Wie schwer fällt das vielen heute! Und wie wichtig ist es doch: bei Jesus bleiben –in aller Freundschaft und Liebe-, damit wachsen kann, was wachsen muss, um am Ende Frucht zu bringen.
Und: Heilige sind weitsichtig…
Alle Heilige sind dann auch einmal gestorben. Auch daran erkennt man Heilige: dass sie gut loslassen können, weil sie sich auf den Himmel freuen. Ulrich war bereit zu gehen. An der Kirche der Heiligen Afra war schon eine Grablege ausgesucht. Der Sarg stand bereit. Und an jedem Freitag feierte Ulrich am Ort seines späteren Begräbnisses die heilige Messe. In der Frühe des 4. Juli spürt er den Tod kommen. Ein Aschekreuz soll auf den Boden gestreut und mit Weihwasser besprengt werden. Hierauf wird der Sterbende Bischof gelegt. Im Beisein seiner Mitbrüder haucht er unter dem Gesang von Litaneien den Geist aus.
Aber eine Frage bleibt: was bleibt am Ende übrig? Knochen. Man nennt sie zwar Reliquien, aber es sind und bleiben tote Knochen. Der Tod ist die sichtbare Nagelprobe des Lebens! Darum brauchen wir die Reliquien. Gerade die Knochen unserer Heiligen wollen unsere Augen öffnen. Wir sind ja so kurzsichtig geworden… Denn alles was wir in dieser Welt sehen vergeht. Alles Sichtbare ist vergänglich. Machen wir uns nichts vor. Auch wir werden einmal zu Knochen. Darum wollen uns die Reliquien die Augen öffnen. Damit wir weitsichtig werden und das suchen, was unvergänglich, eben für die Ewigkeit bestimmt ist.
Vor Kurzem wurde ich gefragt: Warum ist die Verehrung des Heiligen Ulrich nach über 1000 Jahren noch so lebendig? Hier haben wir die Antwort: Weil Ulrich nicht tot ist, sondern lebt. Ulrich ist ein Überlebender bei Gott! „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten.“ Das war schon die Frage am Grab Jesu. Einen Lebenden findet man nicht im Grab.
Ulrich hat an das Überleben geglaubt. Er ist ein wahrhaft Überlebender bei Gott. „Es gibt nichts Lebendigeres als tote Heilige“.
Herr, Jesus Christus.
Wer Dir nachfolgt, kommt mit Dir an bei Gott.
Wir danken Dir für alle Heiligen, die auf so unterschiedliche Weise, Deinen Spuren gefolgt sind. Sie können uns zeigen, wie ein Leben aus dem Glauben überzeugend gelingen kann.
Im Blick auf unseren Bistumspatron Ulrich bitten wir:
Der Heilige Ulrich hat als Bischof ein halbes Jahrhundert die Geschicke der Kirche von Augsburg gelenkt. Stehe unserem Bischof Bertram bei, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um den Glauben in bewegten Zeiten zu festigen.
Der Heilige Ulrich hat aus christlicher Verantwortung Politik und Gesellschaft seiner Zeit nachhaltig mitgeprägt. Schenke allen Christen, die in unserem Land Verantwortung tragen, den Mut, das Evangelium Christi zur Sprache zu bringen.
Der Heilige Ulrich hat sich der Ausbildung und Fortbildung der Priester angenommen. Begleite den Weg zur Priesterweihe von P. Athanasius Meitinger weiterhin mit Deiner Gnade und lass ihn in seinem Dienst innere Erfüllung finden.
Der Heilige Ulrich war aufmerksam für die Sorgen und Nöte der kleinen Leute. Hilf uns, dass wir erkennen, wo wir gebraucht werden und gib uns die Kraft, das Nötige dann auch zu tun.
Der Heilige Ulrich war ein Mann des Gebets. Lass uns immer wieder spüren, dass wir zusammen mit Dir unser Leben innerlich vertiefen können.
Herr Jesus Christus,
im Umgang mit Dir werden wächst unser Miteinander, und wir werden zu Eingeweihten Gottes. Für diese himmlische Berufung danken wir Dir.
Amen.