„Seht das Lamm Gottes!“
„Seht das Lamm Gottes!“
Gedanken zum 2. Sonntag i. J. Joh 1,29-34
Wie oft haben wir diesen Hinweis schon gehört! Und bald werden wir wieder darauf antworten, so, wie wir immer darauf antworten, kurz vor der Kommunion… Halten wir darum ruhig einmal inne, heute nach diesem heutigen Evangelium. Lassen wir die Worte aus dem Mund Johannes des Täufers auf uns wirken. Denn er meint damit Jesus: „Seht, das Lamm Gottes!“
Warum eigentlich ein Lamm? Wie kommt ausgerechnet ein Lamm zu der besonderen Ehre, sowas wie ein „Wappentier“ des Gottessohnes zu werden? Aber umgekehrt gefragt: was würde besser zu ihm passen? Ein Löwe, ein Tiger, ein Raubtier also mit seiner reißenden Kraft? Ein Adler, ein Greifvogel also, der blitzschnell aus seiner himmelhohen Erhabenheit heruntersticht und zupackt? Oder gar eine Schlange mit ihrer giftigen List?
Schon klar, warum gerade diese Tiere oft zu Wappentieren erhoben wurden. Sie machen Eindruck und erheben Anspruch, Machtanspuch. Johannes hat eine bessere Wahl getroffen und das Lamm gewählt! Mit ihm verweist er die Umstehenden auf Ihn, der noch unbekannt und unerkannt unter den Menschen steht. Eine weise Wahl!
Gewiss, das Lamm kann nichts „reißen“, es ist wehrlos. Es schwebt nicht hocherhaben über den Dingen. Das Lamm ist auch nicht listig. Dafür aber arglos und unschuldig. Unschuldig eben wie ein Lamm.
„Seht, das Lamm Gottes“, ruft Johannes aus und weist auf den, der nach ihm kommt. Und wir erfahren auch wozu er gekommen ist: „Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt.“ Ein Jude wird beim Stichwort „Lamm“ gewiss an eine Stelle im Prophetenbuch des Jesaja gedacht haben. Dort heißt es vom sog. Gottesknecht, dass er stumm wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wurde, dass er die Sünde der Menschheit trägt und dass wir durch seine Wunden geheilt sind (vgl. Jes 53, 4-12).
Johannes steht am Jordan. Der Maler Matthias Grünewald hat Johannes den Täufer dann noch einmal mitten hineingestellt in die Kreuzesszene seines „Isenheimer Altars“. Neben dem Kreuz lässt er den Täufer mit übergroßen Finger noch einmal hinweisen auf Jesus, mit denselben Worten: „Seht, das Lamm Gottes!“ So als wollte er sagen: „Seht, habe ich nicht recht gehabt!“
Der Apostel Paulus hat es so auf den Punkt gebracht: „Er ist für unsere Sünden gestorben“ (1 Kor 15, 3).
Und wie war das möglich? Und warum war das nötig? Auch hier öffnet das Bild vom Lamm die Augen: Da muss einer zunächst selbst schuldlos sein. Der Sohn Gottes war uns in allem gleich außer der Sünde. Er ist der Eine für uns alle, der uns entsündigt und entschuldigt. Und genau das war der Heilsplan Gottes für uns Menschen: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm zur Gerechtigkeit würden“ (2 Kor 5, 21).
Warum und wie? Auf beide Fragen gibt es nur die eine Antwort: aus Liebe. Darin besteht die Motivation Gottes: aus Liebe zu uns Menschen ist er Mensch geworden. Und zugleich ist die Liebe auch die unbezwingbare Kraft, mit der Jesus es am Ende vollbracht hat. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde. Und er hat es auch für seine Feinde getan.
Übrigens: Jesus selbst hat sich nie als Lamm Gottes bezeichnet. Er sieht sich vielmehr als der gute Hirt, der vorangeht, für die Seinen sorgt, sie zusammenhält und Verirrte heimholt, damit niemand verloren geht. Wenn Jesus sich als guter Hirte sieht, sind wir dann nicht die Schafe, seine Schafe? Nichts liegt näher! Was über das Lamm Gottes gilt, sollte doch auch für uns, die wir zu ihm gehören, prägend sein. Das Lamm Gottes färbt hoffentlich auf uns ab…!
Darüber hinaus wird klar: Niemand kann sich selber retten, niemand ist für sich allein. Darin erkennen wir dann auch die absolute Stärke des Lammes. Allein ist es nicht denkbar, sondern nur gemeinsam mit anderen, die zusammenbleiben, weil sie zusammengehören. Versammelt um ihren guten Hirten, den wir uns auch ohne seine Schafe nicht denken mögen. Ein Christ ist kein Christ. Wir gehören zusammen. Bleiben wir zusammen. Halten wir zusammen zu ihm, Jesus Christus, dem Lamm Gottes, der zugleich unser guter Hirt sein will.
Ja, es stimmt: Gott hat diese Welt aufgesucht. Klein, nackt und bloß als Kind. Und auch am Ende begegnet er uns nackt und bloß am Kreuz. Das kleine Kind in der Krippe und das Lamm am Kreuz verbindet die wehrlose Unschuld. Aber noch mehr die Liebe, die von beiden ausstrahlt.
Nicht die Gewalt des Löwen, nicht die Erhabenheit des Adlers und schon gar nicht die List der Schlange legt uns das Kind in der Krippe und das Lamm am Kreuz ans Herz, sondern allein die Liebe.
Dafür will uns jede Messe auf´s Neue die Augen unserer Seele öffnen. „Seht, das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt!“ Geben wir darauf unsere Antwort, und glauben wir fest daran: „Herr, ich bin nicht würdig. Aber sprich nur ein Wort und meine Seele wird gesund!“ Und dann empfangen wir das Sakrament der Liebe Gottes, die Eucharistie. Amen.
Fürbitten 2. Lesung
Herr Jesus Christus, in Dir begegnen wir dem Lamm Gottes
und zugleich bist Du unser G+uter Hirte. Wir bitten Dich:
Lass uns Maß nehmen an Deiner Liebe und Güte.
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Lass uns zusammenhalten, weil wir zusammengehören.
Lass uns empfänglich bleiben für Dich im Sakrament der Eucharistie.
Herr Jesus Christus,
das dürfen wir von Dir halten: dass Du zu uns hältst.
Dafür danken wir Dir. Amen.