Noch mal von vorn?
Noch mal von vorn?
„Bitte das Ganze noch mal von vorn…!“ Zugegeben, manchmal würde man sich das auch im wirklichen Leben wünschen. Irgendwas hat bei ersten Mal nicht geklappt, darum einfach nochmal von vorn anfangen: In der Schule vielleicht eine Ehrenrunde gedreht; bei der Führerscheinprüfung nicht in den Rückspiegel geschaut und durchgefallen; eine Freundschaft nicht richtig gepflegt und sich aus den Augen verloren; oder die Arbeit schleifen lassen und den Job verloren. „Leben – Klappe die zweite!“ Wenn das so einfach ginge mit dem „Rausschneiden“ im Leben. Nein, es hilft nichts: „Life is live!“
Manche Zeitgenossen haben eine gewisse Sympathie für fernöstliche Lehren entwickelt. Vor allem auch wegen der Möglichkeit der Wiedergeburt. Nach dem Tod wiedergeboren werden, noch mal von vorn anfangen. „Leben – Klappe zum Zweiten, zum Dritten…“ und dann? Ein Buddhist würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Der Kreislauf der Wieder- und immer Wiedergeburt ist für ihn alles andere als erstrebenswert. Der Buddhist will nur eins: aus diesem Kreislauf raus! Denn alles ist Leid: Geboren werden ist Leid und Leben ist Leid und Sterben ist Leid. Da kann die Wiedergeburt nicht gerade faszinieren. Ein Schüler, so wird erzählt, suchte den Buddha einmal unter dem Baum der Erleuchtung, einer Pappelfeige, auf. Und er fragte den Buddha, wie oft er denn wiedergeboren werden müsse, bis er endlich in das Nichts des Nirwana eingehen könne. Buddha erhob vielsagend den Arm und deutete auf die Baumkrone. So oft, wie der Baum Blätter hat…
Christen denken da anders. Unser Leben ist einmalig und damit unendlich kostbar. Darüber sollten wir uns freuen und unser Leben jeden Augenblick wertschätzen! Gott ist kein Gott der Wiederholungen. Wiederholungen gibt´s im Fernsehen, nicht bei Gott. Hand auf´s Herz! Wer von uns wollte wirklich nochmal von vorne anfangen? Oder die Lebensuhr auch nur um einige Jahre zurückdrehen? Ein Leben, das sich wiederholen ließe, würde zwangsläufig beliebig und am Ende ganz schön langweilig werden. In der Einmaligkeit unseres Lebens liegt ja auch die Größe unserer Existenz: Jedes Wort, das wir sprechen, wirkt. Alles, was wir unterlassen haben, wurde nicht getan. All das Gute, das wir getan haben, begleitet uns in die Ewigkeit.
Das Evangelium zeigt uns die Einmaligkeit unseres Lebens auf. Und seine Entscheidungsträchtigkeit. Wir können unser Leben am Ende nicht noch einmal leben, Dinge ungeschehen machen. So sehr der reiche Prasser auch darum bittet und bettelt. „Life is live!“ Darum lohnt es sich auch, auf dieses eine Leben gut Acht zu geben. Ein zweites haben wir schließlich nicht…! Vielleicht ist das auch die wichtigste Botschaft in unserer Zeit. Die oft so beliebig und unverbindlich vor sich hinlebt. Wir müssen unser Leben ernst nehmen. Diese Einsicht kann einer Gesellschaft, die den Spaßfaktor so hochhält, nur guttun.
Aber wir begegnen noch einer zweiten guten Botschaft: Der Himmel ist eine Wiedergutmachungsaktion, ein Entschädigungsprogramm für all die Zukurzgekommenen. Mag es in dieser Welt auch ungerecht zugehen -und es geht ungerecht zu- Gott will denen am Ende gerecht werden, die ungerecht behandelt wurden. Geld regiert vielleicht die Welt. Im Himmel aber herrscht eine ausgleichende Gerechtigkeit. Der arme Lazarus durfte das nach all dem Leid in Abrahams Schoß erfahren.
Und die Reichen? Es geht nicht darum, dass es denen, die auf Erden gut leben konnten, am Ende schlecht geht. Gott liegt das Wohlergehen aller Menschen am Herzen, auch schon in dieser Welt. Nicht das Wohlergehen, sondern der ungerechte Reichtum, die Verschwendungssucht einiger Weniger auf Kosten vieler anderer ist es, die das Leben am Ende scheitern lässt. Und die Blindheit gegenüber der Not, die oft in nächster Nähe zu finden ist. Lazarus lag unmittelbar vor der Tür des Reichen. Viel größer ist der Abstand zwischen Arm und Reich in vielen Ländern der Welt auch heute nicht. Und doch scheint die Kluft schier unüberbrückbar. Dabei darf es bei Gott nicht bleiben!
Freilich, von alledem will der reiche Prasser nichts gewusst haben. Am Ende bleibt ihm nur noch die eine Bitte. Er will seine Brüder warnen, damit sie nicht dasselbe Schicksal ereilt. Aber warum? Eigentlich weiß doch jeder schon längst Bescheid. Keiner kann behaupten, er habe nichts gewusst.
Jesus hat in seiner Weltgerichtsrede eine klar verständliche Ansage gemacht: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben, ich war krank und ihr habt mich besucht, ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“ Mutter Teresa hat diese Worte richtig verstanden: „In jedem armen, verlassenen, kranken Menschen begegnen wir Christus selbst.“ Das ist die dritte gute Botschaft des heutigen Evangeliums: Wann immer wir einem Menschen in Not helfen, ihm Gutes tun, begegnen wir keinem Geringeren als Jesus Christus selbst.
Ja, es bleibt dabei: Wir können das Leben nicht zurückdrehen. Aber wir können jeden Augenblick umkehren zu Gott und uns von ihm Vergebung schenken lassen. Martin Buber überliefert uns eine bedenkenswerte Einsicht: „Die große Schuld des Menschen sind nicht die Sünden die er begeht, -die Versuchung ist mächtig, und seine Kraft ist gering! Die große Schuld des Menschen ist, dass er in jedem Augenblick die Umkehr tun kann und nicht tut.“ Warum eigentlich…?
Fassen wir zusammen, worum es am Ende immer gehen muss – und das am besten schon jetzt: Der Zugang zum Himmel ist ein offenes Herz. Wer sein Herz verschließt, der bleibt draußen.
Fürbitten
Guter Gott,
du hast unser Leben einmalig erschaffen:
- Schenke unserem Leben innere Konzentration, damit wir uns nicht in Unwesentlichem verlieren.
- Zeige unserer Gesellschaft Mittel und Wege, Menschen in Not Hilfe zukommen zu lassen.
- Schenke allen, die Sorge für das Gemeinwohl tragen, einen verlässlichen Blick für gerechten Ausgleich.
- Zeige Dich am Ende barmherzig mit unseren Verstorbenen.
Guter Gott, du willst vollenden, was Du an Gutem in uns Menschen begonnen hast. Dafür danken wir dir. Amen.