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Alles nach Plan?

Alles nach Plan?
Gedanken zum Hochfest des Hl. Josef von Pfarrer Ulrich Lindl

Wie stellen Sie sich Maria vor? Augen zu und los geht’s mit der Suche.   Eines wird uns wohl allen klar: gesucht, gefunden. Marienbilder gibt es viele, und viele sind uns seit Kindestagen vertraut. Aber wie stellen wir uns bloß den Josef vor? Die Suche gestaltet sich viel schwieriger und bleibt nicht selten schon bald stecken. Josef bringt es zumeist nicht weiter als zu einem alten Mann mit Bart, schemenhaft dargestellt im halbdunklen Hintergrund, so als ob er irgendwie auch noch dazu gehört…
So stelle ich mir Josef nicht vor! Nein, für mich ist Josef ein kraftvoller Mann, tatkräftiger Geschäftsmann, ein „Tekton“, wie wir im Evangelium des Matthäus erfahren, ein Zimmermann also, der nicht nur Balken gezimmert, sondern ganze Häuser hingestellt hat. Bei der Ausführung seiner Aufträge dürfte er in Galiläa weit herumgekommen sein. Der Mann muss es im Kreuz haben und vieles im Griff. Einer, der planen konnte und mit Plänen vertraut war.
Und in seinem Privatleben lief auch alles nach Plan. Heiraten und Familie gründen. Einer sollte schließlich einmal sein Geschäft übernehmen. Vor allem aber war da Maria. Mit ihr war er doch schon verlobt und damit so gut wie verheiratet. Es lief also alles nach Plan.
Mit einem Schlag aber ist nichts mehr so wie zuvor. Maria eröffnet  ihm, dass sie ein Kind erwartet, „bevor sie zusammengekommen waren“ (Mt  1,18). Ihr Kind ist also nicht von ihm. Was muss in Josef nicht zusammengebrochen sein? Sein Vertrauen in Maria, sein ganzes Lebensglück! Alle Pläne zunichte! Wie macht man da weiter? Geht es überhaupt weiter?

Ein Mann mit Herz
Zuerst braucht man da gute Nerven, dann aber vielmehr ein weites Herz. Und das hat Josef. „Josef, der gerecht war und Maria nicht bloßstellen wollte, beschließt, sich in aller Stille von ihr zu trennen“, schildert Matthäus seine Reaktion. Josef ist ein Mann mit Herz. Er liefert Maria nicht aus, das hätten wohl die meisten anderen gemacht. Man hätte Maria gesteinigt, sie -und das Kind- zu Tode gebracht.
Josef entscheidet sich anders: In aller Stille will er sich von ihr trennen. Offenbar liebt er Maria immer noch, trotz allem. Das ist mehr als Recht und Gerechtigkeit. Das ist Barmherzigkeit. Und das ist Josef! Ein aufrichtiger, rechtschaffener, ein barmherziger Mensch. Einer, der Gnade vor Recht ergehen lässt. Da wird nicht jemand gnadenlos bloßgestellt und ausgeschlachtet… ich denke an unsere Zeit. Wie oft werden (vermeintliche) Fehltritte, menschliches Versagen ausgeschlachtet, um andere fertig zu machen. Gnadenlos! Mediale Hinrichtungen brauchen keine Steine mehr, um tödlich zu wirken…!

„Maria, du bist voll der Gnade“, hatte ihr der Engel gesagt. Ja, Maria hatte Gnade gefunden bei Gott. Aber auch vor Josef. Josef hat Maria begnadigt. So hat -wohl nicht durch Zufall- die menschliche Barmherzigkeit Anteil genommen an der Menschwerdung Gottes in der Welt. Maria hatte Josef an ihrer Seite und mit ihm einen liebevollen, einen barmherzigen Menschen.
Josef legt uns seine Barmherzigkeit ans Herz, die oft viel mehr möglich macht als alle Vorschriften und Reglementierungen des Gesetzes. Wir haben genug Vorschriften und Formalitäten. Unsere Gesellschaft braucht wieder mehr Herz, das sich von der inneren Stimme der Liebe leiten lässt. Die Stimme des Herzens ist und bleibt der beste Lebensberater des Menschen, wenn es gut gehen soll im Leben.

Josef – Patron für die Kirche
Aber dann kommt noch etwas dazu: Josef beginnt zu träumen. Dass wir ihn nicht falsch verstehen. Josef war bestimmt kein Träumer, sondern ein gestandener Unternehmer. So ein Mann steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen. Aber dann beginnt Josef zu träumen. Er sieht und vernimmt in seinem Traum eine Botschaft aus einer ganz anderen Welt. Träume kommen schließlich auch aus einer anderen Welt. Oft sind sie wirr und kaum zu begreifen. Manchmal aber eröffnen Träume auch ungeahnte Einsichten. Je nüchterner unsere Welt wird, desto mehr sollten wir wieder Träumen Glauben schenken. Es sind ja oft die Träume, aus denen bewusst oder unbewusst Neues erwächst, weil Menschen fest daran glauben… Das war früher noch viel selbstverständlicher als heute. Josef hat es getan: Er hat dem Traum, dem Unglaublichen geglaubt und ist ihm gefolgt.
Wie sieht es heute mit unseren Träumen aus? Wie viel vermögen wir eigentlich noch zu träumen? Oder ist es nicht vielmehr die Realität des Faktischen, die unser Leben mit all seinen Entscheidungen in ein enges Korsett zwingt? Aber wohin führt alle Realpolitik? Im Kleinen und im großen Ganzen nicht wirklich weiter! Es waren -und es sind nach wie vor- die Träume, die unsere Welt weiter gebracht haben. Träume, dass das Unmögliche doch möglich wird! Schon lange vor Josef waren es die Träumer des alten Testamentes, die Gott Tür und Tor geöffnet haben. Und auch lange nach ihm. Ein Franz von Assisi hörte im Traum den Auftrag, „Richte meine Kirche wieder auf!“ Und er tat es. Der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King rief am 28. August 1963 in Washington den 250.000 Menschen einer ganzen Welt zu: „I have a dream!“
Damit Träume dann aber nicht Träume bleiben, sondern Wirklichkeit  werden, braucht es Menschen. Menschen wie Josef. Die sich mit aller Tatkraft für ihre Träume einsetzen. Das ist Josef gelungen. Wir begegnen in ihm wieder dem Unternehmer, der das Unternehmen „Menschwerdung Gottes“ zum Werden verhilft und durch seine geplante Flucht nach Ägypten zugleich am Leben erhält. Es ist bemerkenswert, dass Josef in den entscheidenden Augenblicken keineswegs im Hintergrund bleibt, sondern ganz da ist. Aber dann auch wieder ganz zurücktritt und im Hintergrund bleibt für Maria und Jesus.
Josef ist der Patron der ganzen Kirche. Man hat sich diesen Josef zu Recht ausgesucht. Er ist genau der Richtige für diese verantwortungsvolle Aufgabe! Wie viele -in und außerhalb- der Kirche reden sich die Köpfe heiß, fragen nach Strukturen und Konzepten – und die Herzen bleiben kalt. Und gehen uns darüber nicht auch die großen Visionen verloren, zerrieben in den Diskussionen von Bedenkenträgern und nüchternen Analysten und Realisten? Wenn schon alles beschlossene Sache ist, bleibt für Gott nur noch wenig Spielraum. Nein, Gott hofft auch heute auf Träumer, die offen sind für das Unmögliche. Die menschen-unmöglichen Träumen Glauben schenken und sich dafür stark machen.
Und es braucht Menschen, die sich immer wieder ein Herz fassen.  gerade Heiligen sind uns darin Vorbild. Josef allen voran. „Heiligkeit besteht nicht darin, viel zu wissen oder viel zu denken, sondern viel zu lieben“, wird Thomas von Aquin mehr als 1000 Jahre später feststellen. Ob der große Gelehrte bei diesem Bekenntnis an Josef gedacht hat?

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