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Aufruf zum Gebet!

Aufruf zum Gebet!
Gedanken zum 31. Sonntag i. J. (Mk 12, 28 b-34)

Eine aufgeregte Debatte ist in Köln entbrannt. Der Grund: Ein Modellprojekt, das den Gebetsruf von Moscheen unter Auflagen an Freitagen ermöglichen soll, zunächst für die Dauer von zwei Jahren… Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker will dies als „Zeichen des Respekts“ gegenüber einer Nachbarreligion verstanden wissen. Und zugegeben, im Kölner Straßenbild wird besonders deutlich, wie viele Muslime mittlerweile in unserem Land leben. Was von den einen als Ausdruck religiöser Toleranz verstanden wird, kritisieren andere als „falsche Symbolpolitik“ zugunsten einer Religion mit patriarchalischen Zügen, die einer ohnehin schon schwierigen Integration nicht dienlich ist. Andere haben ganz einfach zunehmend Angst vor einer immer weiter fortschreitenden Überfremdung. Wir wollen das nicht weiter kommentieren, sondern einmal nachschauen, was es mit dem Gebetsruf eigentlich auf sich hat.

Er wurde bereits zu Lebzeiten des Propheten Mohammed angeordnet. Der islamischen Tradition zufolge soll sich der Prophet nach seiner Flucht nach Medina mit seinen Anhängern beraten haben, auf welche Weise man die Gläubigen zum Pflichtgebet aufrufen solle. Man schlug vor, eine Hörnertrompete zu verwenden – ähnlich dem Schofar der Juden. Andere empfahlen das Klangholz, entsprechend dem Semantron der Christen, das sich bis heute in alten orthodoxen Klöstern erhalten hat.

Der Ruf des Muezzins
Es sollte anders kommen. In einem Wachtraum vernahm ein Gefährten des Propheten wie vom Dach einer Gebetsstätte ein Gebetsruf erging. Mohammed beschloss, fortan auch in Abgrenzung von Judentum und Christentum mit Hilfe kurzer liturgische Text zum freitäglichen Pflichtgebet aufrufen zu lassen. Aber was wird eigentlich vom Minarett gerufen? Denn verstehen lässt sich nicht, was da auf Hocharabisch verlautbart wird.

Übersetzen wir die kurzen Texte, die übrigens nicht direkt dem Koran entnommen sind, und wir erfahren Folgendes: Es beginnt mit dem uns bekannten, zweimaligen Lobpreis „Allahu Akbar!“ „Gott ist groß! Gott ist groß!“ Es folgt ein zweifaches Glaubensbekenntnis: „Ich bekenne, dass kein Gott ist außer Gott”. Und: „Ich bekenne, dass Mohammed Gottes Gesandter ist.“ Danach erst ergeht der eigentliche Aufruf: „Eilt zum Gebet! Eilt zum Gebet!“ Und: „Eilt zum Gottesdienst! Eilt zum Gottesdienst!“ Der Gebetsruf wird abgeschlossen mit den Worten: „Gott ist groß! Gott ist groß! Kein Gott außer Gott!“

Eine interreligiöse Einordnung
Sind Sie überrascht, nachdem wir soeben zwei Lesungen aus der Bibel gehört haben? Zunächst aus dem alttestamentlichen Buch Deuteronomium (Dtn 6, 4) das „Schema Jisrael“: „Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, ist einzig! Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft.” Dieses Bekenntnis zu einem Gott war und ist den gläubigen Juden heilig und aller Liebe wert. War es doch das Unterscheidungskriterium zu all den anderen Völkern mit ihren vielen Göttern. Bis heute ist dieses Herzensbekenntnis zentraler Bestandteil des Abend-, Morgen- und Mittagsgebetes im Judentum.

Im heutigen Evangelium bezieht sich Jesus auf dieses überlieferte Glaubensbekenntnis. Und formt daraus sein Doppelgebot der Liebe, indem er das zweite Gebot anfügt:  “Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden” (Mk 12, 31).

Zurück zum muslimischen Gebetsruf und wir sehen als augenfälligstes Unterscheidungsmerkmal das Bekenntnis zu Mohammed als Religionsstifter. Vergessen wir nicht, der Islam entstand lange nach dem Judentum und erst im 6./ 7. Jahrhundert nach Christus. Neben diesen beiden Religionen bediente sich Mohammed auch der lokalen Stammesreligionen. Dieser hielt fest am Ein-Gott-Glauben, lehnte aber die Dreifaltigkeit ab und setzte anstelle dessen sich selbst ein als „Gesandter Gottes“. Mohammed bezieht seine Autorität im Unterschied zu Jesus Christus also nicht auf ein Einssein mit Gott, sondern auf seine Mission als Verkünder einer göttlichen Botschaft. Wenn man so will, ein religiöser Kompromiss, zwischen dem strengen jüdischen Ein-Gott-Glauben und der christlichen Lehre von der göttlichen Dreifaltigkeit.

Und wie geht es jetzt in Köln weiter?
Es bleibt abzuwarten, ob es beim Pilotprojekt bleiben wird. Die Meinungen jedenfalls sind kontrovers. Die einen sehen die Erlaubnis zum Ruf des Muezzins im Zusammenhang mit der auch anderen Religionen gestatteten öffentlichen Religionsausübung. Die Gegner hingegen fühlen sich belästigt. Viele unter ihnen dürften auch Vorbehalte gegen das Geläut von Kirchenglocken haben.

Für uns Katholiken aber könnte der Ruf des Muezzins eine Erinnerungshilfe sein, dass es bei uns ja auch etwas Vergleichbares gibt: das tägliche Gebetläuten. Morgens, mittags und abends lädt uns die Glocke ein zum Gebet des “Angelus”. Ein schönes altes Gebet, das sich auf die Verkündigung des Engels Gabriel bei Lukas bezieht und uns somit erinnert an die Menschwerdung Gottes. Aber es ist auch verbunden mit einer tiefen Gebetsbitte um unser Seelenheil: “Allmächtiger Gott, gieße deine Gnade in unsere Herzen ein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die Menschwerdung Christi, deines Sohnes, erkannt. Lass´ uns durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.”Am Abend gedenken wir beim Erklingen der kleinen Glocke zudem aller Verstorbenen. Den Aufruf zum Gebet sollten wir nicht überhören. Er will verstanden werden als Einladung, den Alltag bei seinem Anfang, zu seinem Ende und eben mittendrin kurz zu unterbrechen und den Tag betend zu heiligen. Ob es nicht ein Pilotprojekt für unsere Pfarreiengemeinschaft sein könnte, dem Gebetsaufruf unserer Gebetsglocken wieder mehr Gehör zu schenken und ihrer Einladung zu folgen!

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