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Der Anfang von Ostern…

Der Anfang von Ostern…
Gedanken zur Osternacht von Pfarrer Ulrich Lindl

Wo beginnt eigentlich Ostern? Und wann? Und mit wem?

Jesus suchen!
Nicht beim festlichen Hallelujajubel und auch nicht erst im Glanz österlichen Lichts beginnt Ostern. Ostern gelingt nicht auf Knopfdruck. Wer Ostern sucht, braucht einen anderen Zugang. Denn Ostern beginnt in noch halbfinsterer Nacht, totenstill auf dem Friedhof, am Grab. Vor Ostern ist schließlich Karfreitag. Vor der Auferstehung steht der Tod. So beginnt Ostern also. Und genau darum brauchen wir Ostern auch!
Am Ostermorgen gehen Frauen verweint zum Grab. Vorgestern haben sie Jesus begraben. Noch einmal: Der Ostermorgen beginnt mit Tränen in den Augen. Aber damit sind wir schon auf der Suche – nach Ostern. Menschen, die trauern, sind Menschen, die suchen. Keine Ostereier. Sondern Leben – ein Weiterleben. Irgendwie muss man ja weiterleben mit dem Tod. An ein Weiterleben nach dem Tod freilich war nicht zu denken – noch nicht. Wo soll man Verstorbene auch suchen, wenn nicht am Grab. Tot ist tot. Der Tod ist der Sargnagel jeder Hoffnung.
Auch wir sind in der Osternacht aufgebrochen. Im Dunkel – unsicher tastend  durch den Friedhof. Diese Erfahrung ist so wichtig. Menschen, die noch keine Erfahrung von Dunkelheit in ihrem Leben gemacht haben, haben oft wenig Gespür für Licht. Menschen, die nicht trauern wollen, verdrängen den Tod. Den anderen, den Trauernden, aber geht in der Osternacht ein Licht auf, mitten in der Dunkelheit, und es breitet sich aus. Das kleine Lebenslicht von Ostern verschafft sich unaufhaltsam Raum. Und langsam dämmert es in der Osternacht- es wird hell!

War es damals nicht auch so? Die Frauen tasten sich vor zum Grab. Mit Ölen, die sie zubereitet hatten, für einen letzten Liebesdienst an einem Verstorbenen. Aber dann sind sie fassungslos. Der Stein ist weggewälzt, das Grab ist leer. Und aus dem leeren Grab erreicht sie eine unglaubliche Botschaft: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“
Nein, es wird nicht gleich hell. Die Frauen haben am Anfang diese Botschaft gewiss nicht ganz verstanden. Wie konnten sie auch. Hätten wir denn gleich geglaubt? Aber vielleicht hat es ihnen gedämmert… Hatte Jesus nicht tatsächlich davon gesprochen, dass er leiden und sterben, aber am dritten Tag auferstehen werde…? Sie tun jetzt genau den richtigen Schritt. Sie bleiben nicht stehen am Grab, totenstarr, sondern fangen an zu laufen. Die Frauen laufen zu den Jüngern. Und treffen zunächst auf Zweifel. Wer glaubt schon an die Auferstehung von Toten! Aber dann tut auch Petrus genau das richtige. Er bleibt bei seinem Zweifel nicht stehen. Er läuft mit Johannes los, sie rennen zum Grab und sehen es – leer!
Und bald sind alle im Aufbruch. Ein wahres Lauffeuer breitet sich aus. Ostern überfällt nicht, aber Ostern bringt langsam dann doch alle in Bewegung – und in Begegnung!
Denn eines muss ja noch dazu kommen: Er muss noch dazu kommen. Ein leeres Grab beweist ja nichts. Der Auferstandene muss sich schon sehen lassen. Und dann kommt er. Immer wieder kommt es zu Begegnungen, treffen Menschen auf Jesus. Manchmal erkennen sie ihn nicht sofort. Ein Wunder? Der Auferstandene ist derselbe, aber doch ganz anders derselbe. Es ist der auferstandene, der verklärte Herr! Er ist zwar noch in der Welt, aber er ist nicht mehr von dieser Welt. Nichts ist mehr beim Alten.

Jesus begegnen
Und heute? Viele brauchen Gott anscheinend nicht (mehr). Haben auch keine Sehnsucht nach ihm. Suchen ihn darum auch nicht…
Ihm aber hat Gott gefehlt – und wie. Ja, ich erinnere mich an eine Begegnung mit einem Mann, der auf einmal im Gespräch mit mir zu weinen angefangen hat. Wenn Männer weinen… Aus Sehnsucht! Aufgewachsen war er ohne Gott, ohne Glauben: Was bleibt da eigentlich im Leben übrig? Geld, Auto, Haus, Karriere… Eine ganze Menge und doch fehlt so viel.
„Warum brauchen Sie Gott? Warum suchen Sie Jesus?“ Auf meine Frage bekam ich eine bemerkenswerte Antwort. „Ich brauche einen, der sich mit mir freut, der mit mir traurig ist, einen, zu dem ich kommen kann, der mich versteht, der mich aushält.“ Und ich habe seine tiefe Sehnsucht nach Jesus gespürt.
Diese Begegnung hat mich tief berührt. Da fehlt einem Menschen Gott, da sucht einer Jesus. „Wo und wie kann ich ihn nur finden?“ Was für ein  Hilferuf!
Suchen wir ihn nicht in Büchern. Rein theoretisch. Bücher hatte der Mann schon mehr als genug. Suchen wir ihn mitten im Leben. Darauf kommt es an. Bauen wir einen Kontakt auf. Suchen wir Möglichkeiten der Begegnung. Und suchen wir gemeinsam. Wir werden Jesus am besten miteinander finden. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Diese Zusage Jesu gilt. Machen wir uns auf den Weg zu ihm und es wird eine Weg mit ihm.
Auch den Jüngern von Emmaus begegnet der Auferstandene schließlich unterwegs. Anfangs sind sie noch ganz versunken in Erinnerung. Auch für sie beginnt Ostern mit Tränen in den Augen. Aber auf einmal ist er selbst mit ihnen unterwegs. Er erklärt ihnen die Schrift – bis ihnen das Herz brennt. So, als wollte er ihnen nur das zu verstehen geben: Was sucht ihr den Lebenden in euren Erinnerungen? Ich bin doch mit euch!

Noch Zweifel?
Noch Zweifel? Kein Problem. Ein Augenzeuge von Ostern macht Mut, uns einfach Zeit zu nehmen und dran zu bleiben an Ostern. Thomas, der Zweifler. Auch er bleibt bei seinem Zweifel nicht stehen. Er lässt nicht locker und genau darum kommt am Sonntag nach Ostern. Und auch er wird Jesus finden, weil er ihn gesucht hat. Und es bleibt ihm nur noch eines zu gestehen: „Mein Herr und mein Gott!“ Jesus wird ihm antworten: „Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ Damit sind wir gemeint und doch auch wieder nicht. Denn in Kürze werden wir Jesus leibhaftig sehen. Den Auferstandenen. Wenn er -wie damals den Jüngern von Emmaus- uns das Brot bricht. Und wieder werden wir spüren, dass Ostern seinen Weg gefunden hat, zu uns. In der Eucharistie, der Feier seines Todes und seiner Auferstehung ist Jesus Christus ganz lebendig und leibhaftig in unserer Mitte. Was wären wir ohne ihn!

Sehnsucht nach Gott im Leben. Ostern suchen, Jesus finden! Darum geht es. 40 Tage dauert die Fastenzeit vor Ostern. 50 Tage schenkt uns die Osterzeit, die vor uns liegt. Ostern eröffnet Zeit. Machen wir uns auf die Suche! Suchen wir Jesus unter den Lebenden, suchen wir ihn mitten unter uns. Anderswo werden wir ihn nicht finden.

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