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Der Sankt-Nimmerleins-Tag

Der Sankt-Nimmerleins-Tag
Gedanken zur Lesung am 3.Sonntag (1 Kor 7, 29-31)

In 73 Tage feiern wir Ostern. Und am 30. Juli beginnen die Sommerferien… Menschen machen bekanntlich gern Termine. Wir wollen wissen, was wann kommt. Und gerade in „Lockdown-Zeiten“ jagt ein Termin den anderen. „Shutdown!“ Wann geht was wieder? Umgekehrt sind inzwischen die Termine bei vielen auch deutlich weniger geworden. Aber es gibt da einen Termin, der hat gar kein Datum. Richtig, es ist der „Sankt-Nimmerleins-Tag“. Mit diesem Termin, der kein Datum kennt, kann man es sich leicht bequem machen. Vorausgesetzt man hat auch eine lange Bank, auf die man vieles schieben kann. Frei nach dem Motto: „Kommt er heut nicht, kommt er morgen bestimmt auch nicht!“ Wer denn? Ach so, der Herr…

Also nichts war den ersten Christen so fern wie der „Sankt-Nimmerleins-Tag“. Ganz im Gegenteil: die ersten Christen lebten in einer, wie Bibelwissenschaftler es bezeichnen: „Naherwartung“. Was darunter zu verstehen ist, liegt auf der Hand: die ersten Christen waren überzeugt, dass der Herr eher heute als morgen wiederkommt. Und so lebten sie dann auch.
Das können wir uns heute gar nicht mehr so recht vorstellen. Natürlich beten auch wir im Vaterunser: „Dein Reich komme“. Aber wer glaubt noch daran? Wohl niemand von uns rechnet damit, dass der Schlusssegen heute entfällt, weil Jesus Christus selbst die Feier beenden wird – weil er die Welt vollendet.

Mit der heutigen Lesung machen wir eine spannende Zeitreise. Seinen Brief an die Korinther hat Paulus im Jahre 54 geschrieben. Die Gemeinde in der Hafenmetropole Korinth hat er selbst vor wenigen Jahren gegründet. Ihre Mitglieder waren „Frischgetaufte“. Und gerade einmal 20 Jahren ist es her, dass Paulusselbst sein Berufungserlebnis hatte; die Auferstehung Jesu liegt nur 24 Jahre zurück. Wir sind also ganz nah dran am Anfang des Christentums. Und wie gesagt: viele Christen lebten in der Naherwartung. Denn dass der Herr wiederkommen wird, hat er schließlich selbst versprochen. Nur wann? Die ersten Christen wirken fast wie Jugendliche, die es wissen wollen, die was „reißen“ wollen. Begeisterungsfähig und entschlossen. Viele haben konzentriert darauf hingelebt, ja hingefiebert, dass der Herr kommt. Sie wollten bereit sind, wenn er kommt.

Versetzen wir uns ruhig einmal in ihre Situation. Und wir werden merken: das muss enorme Auswirkungen auf ihr Leben, auf ihre Lebensentscheidungen gehabt haben. Paulus spricht es ja auch deutlich an:
„Ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz.
Daher soll, wer eine Frau hat,
sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine,
wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht,
wer kauft, als würde er nicht Eigentümer,
wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht;
denn die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7, 29-31).

Was hat das Irdische denn noch für eine Bedeutung, wenn bald der Himmel hereinbricht! Alles wird doch sehr relativ, weil nur von kurzer Dauer. Das gilt für Freud und Leid, für die Lebensform und natürlich auch für den irdischen Besitz. Man sollte und wollte sich nicht mehr so fest binden. Damit man leichter mitkommen kann, wenn der Herr kommt.

Und was ist daraus geworden? Die Naherwartung von damals findet man heute wohl am ehesten noch in den jungen Kirchen Afrikas. Ansonsten ist schon eher das Gegenteil eingetreten. Sollen wir es „Fernerwartung“ nennen – im Blick auf den „Sankt-Nimmerleins-Tag“? Hand auf´s Herz: dass man selbst das Kommen des Herrn noch erleben wird, damit rechnen heute wohl die wenigsten. Auch viele Christen haben sich inzwischen gut und gern eingerichtet. Man denkt in den Kategorien von „Hab und Gut“ und lässt es damit gut sein. Das ist irgendwie verständlich, aber doch nicht im Sinne des christlichen Erfinders. Denn mit der Zeit verliert der Glaube an Spannkraft, die immer dann spürbar wird, wenn wir (noch) Erwartungen haben.

Natürlich hat Jesus nicht gesagt, wann er kommt. Weder den Tag noch die Stunde können wir wissen, weil er selbst sie nicht kannte, sondern nur der Vater. Was wäre auch, wenn wir die Wiederkunft Christi als festen Termin in unserem Kalender eintragen könnten… Aber das Zeitmaß des ewigen Gottes ist ohnehin ein anderes als das Zeitmaß der vergänglichen Menschen. Aber dass er kommt und dass diese Welt vergeht, das wissen wir. Das dürfen wir auch nie vergessen. Und selbst, wenn wir die Wiederkunft Christi nicht mehr hier auf Erden erleben, dann doch hoffentlich unsere Ankunft bei ihm.

Wann das wohl sein wird? Man kann sich an der allgemeinen Lebenserwartung orientieren. Aber dann dürfte es für manche etwas „eng“ werden. Orientieren wir uns lieber am heutigen Evangelium. Wieviel Spannkraft wird da lebendig! Jesus kommt, er geht auf Menschen zu, spricht sie an. Sie brechen auf und folgen ihm nach. Eine Sternstunde! Und damit das glatte Gegenteil zum „Sankt-Nimmerleins-Tag“. Es ist der „Kairos“. Der einmalige Augenblick, den man ergreifen muss. Der uns zeigt, worauf es ankommt, weil er kommt. Welche Sternstunden haben wir schon erlebt? Die uns in einem Augenblick die Augen geöffnet haben für das große Ganze unseres Lebens: unsere Berufung?!

Nicht der „Sankt-Nimmerleins-Tag“ ist also das Zeitmaß der Christen. Sondern der Tag der Ankunft Jesu Christi – die Begegnung mit dem Herrn. Nicht bloß am Ende der Zeit… Nein, auch schon davor – mittendrin im Leben! So gesehen dürfen wir aufmerksam und gespannt bleiben, wann wir Jesus begegnen. Und bleiben wir zugleich entspannt. Das gelingt uns am besten, wenn wir das Unvergängliche mehr lieben als das Vergängliche. Dann haben wir zugleich die wichtigste Terminfrage unseres Lebens geklärt. Zudem dürfte klar geworden sein, was der wichtigste Termin der Woche ist: den Tag des Herrn am Tisch des Herr zu feiern. Weil der Herr uns eingeladen hat. Hier will er uns begegnen.

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