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Die Predigt im Evangelium

Die Predigt im Evangelium
Gedanken zum 5. Sonntag der Osterzeit von Pfr. Ulrich Lindl

Nach dem Evangelium…
Nach dem Evangelium setzen sich alle hin. Weil, jetzt kommt ja die Predigt… Aber das ist stimmt nicht. Die Predigt kommt nicht, die Predigt war schon. Klingt merkwürdig, ist aber wahr. Jesus ist der eigentliche Prediger. Und das Evangelium ist seine Predigt.
Jesus hat am heutigen Sonntag nicht mal eine Minute lang gepredigt. Aber dann predigt ja noch der Pfarrer, mindestens zehn Minuten lang. Und wenn der gut gepredigt hat, dann reden die Leute über die Predigt des Pfarrers; und wenn er schlecht gepredigt hat, auch. Aber wer weiß eigentlich am Ende noch, was Jesus gepredigt hat? Aber genau darauf kommt es am Ende doch an: auf sein Wort!

Stellen Sie sich das damals vor: Jesus hat gepredigt und danach steht da einer auf und erklärt alles nochmal – lang und breit. Wat da nötig? Nein,  denn Jesus war ein begnadeter Prediger. Die Leute, die ihn verstehen wollten, haben ihn verstanden. Sein Wort hat gegolten. Und es gilt auch heute. „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“
Und die Leute haben sich offenbar gut merken können, was Jesus gepredigt hat. Erst nach einigen Jahrzehnten mussten sich die Evangelisten daran machen, alles aufzuschreiben. Und es war viel im Umlauf. Die Evangelisten hätten viel dazu kommentieren können, aber das haben sie nicht getan. Sie wollten möglichst getreu festgehalten, was zuvor mündlich oder schriftlich verbreitet worden ist. Der Evangelist Lukas weist zu Beginn seines Evangeliums eigens darauf hin, dass es ihm darum geht, „allem  von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es … der Reihe nach aufzuschreiben.“  (Lk 1,2)

Jesus zu Wort kommen lassen!
Denn auf sein Wort kommt es an. Damals wie heute. Gerade beim heutigen Evangelium merken wir zugleich, wie sehr es Jesus darum geht, von allen verstanden zu werden. Er hat sich ja an alle gewandt, besonders aber an die „einfachen Leute“. Man musste also nicht Theologie studiert haben, um seiner Predigt folgen zu können.
Und, ja, Jesus war ein begnadeter Prediger! Er verwendet in seiner Predigt immer wieder starke Bilder und einprägsame Gleichnisse. Das Bild vom Weinstock und den Reben kann sich wirklich jeder vor Augen führen. Und Jesus wiederholt immer wieder, was ihm wichtig ist. Allein neunmal verwendet er in seiner kurzen Predigt das Wort „bleiben“.
Und auch das muss man ihm lassen: Jesus macht immer klare Ansagen. Er redet nicht um den „heißen Brei“ herum. Ist auch nicht „politisch korrekt, sondern offen und direkt. Das hat viel für sich! Da wird doch dann auch was hängen bleiben!

Nur noch einige Tipps für uns.
Im Evangelium hören wir die Predigt von Jesus. „Der Herr sei mit euch!“ – „Und mit deinem Geiste!“ Die Worte vor dem Evangelium wollen unsere Aufmerksamkeit steigern…!
Und dann stellen wir uns vor, Jesus spricht mich an. „Worum geht es Dir?“
Und seine Antwort wird im Bild des Weinstocks klar ersichtlich:
„Um die Verbundenheit mit Dir.“
Warum, das erklärt er auch umgehend:
Nur, wenn Du mit mir verbunden bleibst, wird Dein  Leben Frucht bringen. Denn getrennt von mir kannst Du nichts vollbringen.
Im Gegenteil, Du verdorrst.
Und auch ein Zurechtstutzen wird angesprochen.
Was nicht mehr wächst, keine Frucht bringt, muss man abschneiden. Damit das, was Frucht bringt, mehr Frucht bringen kann.

Soweit die Predigt. Und dann kommt das Entscheidende. Ich versuche mich mit dem, was Jesus mir gesagt hat, auseinanderzusetzen. An mir liegt es ja, seine Worte umzusetzen.
Was bedeutet das für mich? Was kann, was muss ich auch damit anfangen?
Jesus will mich schließlich ganz persönlich erreichen.
Jedes Wort von ihm ist ein Wort für dich, für mich.
Wie bin ich mit Jesus verbunden?
Wie lebendig ist meine Beziehung zu ihm und was erwächst daraus?
Was gilt es vielleicht zurechtzustutzen, zu (be-)reinigen?

„Herr, sprich nur ein Wort!“
Mit dem Evangelium wird sich jeder verantwortungsbewusste Sonntags-Prediger zunächst selbst auseinandersetzen. Die Predigt Jesu gilt ja zunächst auch ihm, dem Prediger. Ganz persönlich. Aber der Sonntagsprediger kann nicht vorwegnehmen, welche Worte und Gedanken für jeden einzelnen Kirchgänger wichtig sind. Jesus weiß das viel besser.
Die Erfahrung mache ich immer wieder bei unseren Predigtgesprächen nach dem Gottesdienst: Oft reicht ein einziges Wort, ein einziger Gedanke. Ein Impuls von Jesus für mich, für dich – für die kommende Woche. Lassen wir uns also ansprechen von Jesus. Und bitten wir um vertrauensvolle Aufmerksamkeit: „Herr, sprich nur ein Wort und meine Seele wird gesund!“ Dieses Wort gilt es nicht nur vor der Kommunion zu beherzigen. Es ist auch ein Wort, das wir innerlich dem Evangelium vorausschicken sollten, um dann seiner Predigt aufmerksam zu folgen.

Nehmen wir also den Rest der Predigtzeit und hören wir noch einmal hin auf die Predigt von Jesus im heutigen Evangelium!

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