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Die vor-letzten Dinge

Die vor-letzten Dinge
Gedanken zu Allerseelen

Haben Sie schon Ihr Testament gemacht? Wenn nein, dann befinden Sie sich klar auf seiten der Mehrheit aller Deutschen. Die denken offenbar ungern daran, die letzten Dinge rechtzeitig zu regeln. Dabei wäre das durchaus sinnvoll. Und es entsorgt! Erst einmal mich selbst, denn irgendwann muss ja doch alles geregelt sein. Und besser, ich regle meine letzten Dinge selbst.
Die andere werden auch entsorgt. Man nimmt ihnen die Sorge, wie man es denn am Ende gerne hätte… die letzte Lebenszeit, dann auch das Begräbnis und schließlich: wer soll was bekommen von dem, was übrig bleibt.
All das ist wichtig und richtig. Nur eines sollten wir in diesem Zusammenhang nicht: von den „letzten“ Dingen sprechen. Denn das, was wir tun, ist das Vorletzte. Das Eigentliche kommt ja noch, nach dem Tod…

Sterben wir am Ende gar nicht wirklich?
Grundlegend zum richtigen Verständnis ist die Antwort Jesu im Angesicht der trauernde Martha: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder, der an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?“ (Joh 11, 25 f). Martha antwortet darauf mit einem klaren „Ja“: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh 11, 27).
Glauben wir das wirklich? Darauf kommt es letztlich an! Denn, wenn wir diese Worte Jesu wörtlich nehmen, und das dürfen wir, dann ergibt sich ja eine ganz neue, durch und durch lebendige Sichtweise auf den Tod.
Und die ist eigentlich nur logisch-konsequent: Als Christen wurden wir alle getauft auf den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Wir sind hineingetaucht in sein Sterben und aufgetaucht in sein ewiges Leben. („Taufen“ kommt nicht von ungefähr von  „Tauchen“!)
Damit aber ist der Tod offenbar nicht mehr das Ende. Was bringt Sterben dann? Es ist ein Übergang in eine andere Daseinsweise. So wie wir in unserem irdischen Leben im Dasein Gottes sind -sonst wären wir nicht da-, so sind wir auch nach unserem Tod im Dasein Gottes. Wir können nicht herausfallen aus dem Dasein Gottes. Bei Gott geht auch nichts verloren. „Nichts“ gibt es ja auch nicht.
Vielmehr geben wir das Leben wieder zurück in die Hände dessen, der es uns in die Hand gegeben hat… und schauen es mit Gott an. Ja, wir begegnen unserem Richter. Nur richtet Gott so, dass es mit uns gut und recht wird. Wenn wir am Ende zusammen mit Gott auf unser Leben schauen, gehen uns wohl allen die Augen auf. Vielleicht ist es wie mit einem Bild, das unser Schöpfer für jeden von uns einmalig erdacht hat. Das er uns dann zur Ausführung anvertraut hat. Und wir haben es versucht. Und es ist uns gelungen – mehr oder weniger gut. Einiges wird wohl zu retuschieren sein. Anderes wird wohl gut gelungen sein. Wir werden am Ende wohl staunen, wer wir eigentlich sind – von Gott her gedacht.

Das Fegefeuer reinigt
Und was ist mit dem Fegefeuer? „Fegefeuer“ ist ein etwas zweideutiger Begriff. Die Hölle dagegen ist eindeutig. Die Hölle ist der Ort für alle, die sich aus freier Entscheidung und für immer von der Liebe Gottes abwenden. Gott zwingt niemanden in seine Gemeinschaft, weder in dieser Welt noch in der kommenden. Ob die Hölle, dieser Ort der Gott-losigkeit, leer ist? Wir wissen es nicht; es bleibt zu hoffen. Jesus jedenfalls hat inständig darum gebetet, dass keiner von denen, die der Vater ihm gegeben hat, verloren geht: „Vater, ich will, dass dort, wo ich bin, auch sie bei mir seien. Damit sie meine Herrlichkeit schauen, die Du mir gegeben hast, weil du mich geliebt hast vor Erschaffung der Welt“ (Joh 17, 24). Darum geht es Jesus – und uns?
Weil wir Menschen aber oft anders enden, als Gott sich das gedacht hat, gibt es das Fegefeuer. Zugegeben, das Wort ist etwas unglücklich gewählt. Lateinisch spricht man vom „Purgatorium“ – das heißt „Reinigungsort“„Ort der Läuterung“; und das klingt schon besser. Das Purgatorium/ Fegefeuer wird damit zu einem heilsamen Ort der Vorbereitung all jener, die für den Himmel bestimmt sind. Denen aber noch schonend die Augen geöffnet werden müssen, damit sie das ewige Licht auch gutvertragen. Weil wir aus dem Zwielicht dieser Welt kommen, würden uns die Augen brennen, wenn wir auf einmal das ewige Licht Gottes schauen müssten. Die Zeit davor bereitet uns behutsam und liebevoll darauf vor. So hat es Jesus verheißen: „Selig die ein reines Herz haben, sie werden Gott schauen“ (Mt 5, 8). Das mag bei dem ein oder anderen länger dauern und vielleicht auch weh tun, aus Schmerz vor dem eigenen Versagen. Aber die Richtung stimmt. Du kommst in den Himmel!

Wiedersehen macht Freude!
Wenn unsere Verstorbenen also Lebende sind, dann spricht alles dafür, mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Sie zu begleiten auf ihrem Weg heim zu Gott, zur Vollendung. Das Gebet ist unser Weggeleit für sie.
Und wenn dann wir einmal soweit sein werden? Dann gilt es offen zu sein, für das, was kommt. Und Vertrauen zu haben. Nicht die Strafen sind es, die uns drohen, sondern der Wille, es mit Gott am Ende zu richten, damit unser Leben mit seiner Hilfe ganz gut werden kann.
So macht dann auch das Wiedersehen Freude: mit allen, die wir wiederfinden und doch so vermisst haben. Wir werden ihnen nicht mehr so begegnen, wie wir sie erlebt haben. Sondern so, wie sie Gott gedacht hat. Wir werden sie wieder finden, aber ganz anders und in Liebe vollendet. Das IV. Laterankonzil erklärt, dass „alle, mit dem eigenen Leib, den sie hier tragen, auferstehen werden.“ Und Paulus macht auf dem Areopag verständlich: Wir werden dieselben sein, und doch ganz anders dieselben sein (vgl. 1 Kor 15, 42-44). Damit wird das, was vielleicht zeitlebens in dieser Welt belastet hat, was zwischen Menschen stand und vielleicht auch nie ausgeräumt werden konnte, am Ende keine Rolle mehr spielen. Und wir werden alle vereint beim Herrn sein.
Das sind die guten Aussichten, die Paulus in seinem ersten Brief an die Thessalonicher, verspricht: „Wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus –und das ist unser Glaube- gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen. […] Dann werden wir immer beim Herrn sein. Tröstet also einander mit diesen Worten“ (1 Thess 4, 13 f; 17 f.). Wenn das kein Trost ist!

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