Ein Vater hatte zwei Söhne…
Ein Vater hatte zwei Söhne…
Gedanken zum 24. Sonntag i. J. (Lk 15, 1-32)
Das Gleichnis kennen wir alle nur zu gut. Es ist uns so vertraut, dass wir innere Bilder dazu haben. Wir können uns ausmalen, wie das wohl gewesen sein mag, was uns Jesus da erzählt in seinem Gleichnis vom verlorenen Sohn, der ja noch einen älteren Bruder hatte…
Gleichnisse Jesu sind wohlgemerkt keine mathematischen Rechenexempel. Gleichnisse sind vielmehr anschauliche Bilder und Beispiele, die wir uns gut einprägen können und auch gut einprägen sollten. Denn Gleichnisse sagen viel aus über Gott und die Menschen. Schauen wir dreimal hin. Und blicken zuerst auf den Sohn, der da verloren geht. Wobei doch alles so ambitioniert begonnen hatte…
Der erste Sohn – er steht für so etwas wie „Freiheit“. Für viele ein geradezu berauschendes Gefühl. Er nimmt sich die Freiheit und verlangt sein Erbe, das ihm ja noch gar nicht zusteht. Er macht sich auf den Weg in die Freiheit und tut, was er will. Endlich, als er am Schweinetrog sitzt, ist er nochmals so frei und er entschließt sich, umzukehren und heimzukehren zu seinem Vater. Wahrlich kein leichter Weg. Aber am Ende unendlich befreiend!
Schauen wir auf den Vater: Der lässt seinen Sohn ziehen und gibt ihm noch dazu sein ganzes Erbe mit. Das nenne ich „Vertrauen“, ja noch mehr: es ist da ein unglaublicher Vorschuss an Vertrauen! Hätte er seinen Sohn halten können? Hätte er ihn zurückhalten müssen? Wie auch immer, er lässt ihn ziehen. Ob er geahnt hat, was der jüngere Sohn, sein eigen Fleisch und Blut, so alles anstellt? Wie er zu enden droht? Er hat jedenfalls gewartet und seinen Vorschuss an Vertrauen bewahrt. Schon von Weitem sieht er den Heimkehrer kommen. Läuft ihm it offenen Armen entgegen…
Was lernen wir daraus? Wir haben bei Gott viel Freiheit. Wir sind nicht an „der kurzen Leine“. Gott lässt uns laufen. Natürlich gibt es immer Einschränkungen im Leben, aber andererseits sind wir doch in vielen Entscheidungen frei. Gott sei Dank!
So verlockend die Freiheit auch sein mag, Freiheit muss immer auch verantwortet werden. Das ist nicht immer leicht. Versuchen wir, unserer Freiheit gewachsen zu bleiben. Ein Hinweis von Papst Johannes Paul II kann dabei helfen: „Freiheit besteht nicht darin, dass man tun kann, was man will. Sie gibt einem nur das Recht zu tun, was man soll.“ Und dies finden wir am besten heraus, wenn wir in Verbindung bleiben mit dem, der uns die Freiheit geschenkt hat.
Auf alle Fälle genießen wir bei Gott einen wahren Vorschuss an Vertrauen. Gott schreibt uns nie ab. Auch wenn wir uns von ihm abwenden. Er bleibt uns zugwandet. Gott kann nicht anders. Er ist doch unser Vater! Hoffnungsvoll – vertrauensvoll wartet er auf uns.
Dieses Vertrauen Gottes sollten wir nie außer Acht lassen. Und wir brauchen es auch: Gottvertrauen – besonders dann, wenn das Leben schwierig wird. Man kann sich ja wirklich mal im Leben verlaufen. Und nehmen wir uns an Gott ein Beispiel: schenken auch wir anderen immer wieder Vertrauen, das ihnen eine Rückkehr nie verschließt, sondern offenhält.
Bleibt noch der Dritte im Bunde. Auch er steht, wie Sohn Nummer eins für eine Haltung im Menschen, die ich „Missgunst“ nenne. Denn so sehr sich der Vater über den wiedergefundenen Sohn freut, so sehr ärgert sich der ältere Bruder. Er vergönnt es ihm einfach nicht!
Rein menschlich gesehen mag das ja verständlich sein. Menschlich gesehen scheint er vielleicht sogar im Recht. Aber das Gleichnis will uns nicht zeigen, wie manche Menschen sind, sondern wie Gott ist. Und Gott denkt anders: barmherzig und großzügig.
Und wozu der ältere Bruder offenbar (noch) nicht imstande ist: sich mitzufreuen, dazu will ihn der Vater bewegen. Es wäre doch schade, wenn ein Grund zur Freude nicht dazu genutzt würde, sich mitzufreuen…!
So kennt das Gleichnis eigentlich zwei verlorene Söhne. Der eine hat den Weg zum Vater gefunden und seine Barmherzigkeit gespürt. Der andere? Ob er sich am Ende doch noch mitfreuen konnte? Es bleibt zu hoffen!
Die anderen beiden Gleichnisse erzählen genau davon: von der Freude, die da herrscht, über einen einzigen Sünder, der umkehrt und den Weg zurückfindet, heimkehrt zu Gott.
Ich denke, niemand von uns war schon mal beim Schweinetrog am Verhungern. Dennoch lohnt sich immer wieder nachzuschauen, wo wir zu Gott umkehren müssen. Eine regelmäßige Gewissenserforschung kann da sehr hilfreich sein. Gott jedenfalls erwartet uns mit offenen Armen und vergibt uns aus ganzem Herzen. Geben wir ihm und uns immer wieder die Gelegenheit zu dieser himmlischen Freude. Amen.
Fürbitten
Guter Gott, im Gleichnis vom Barmherzigen Vater hat uns dein Sohn anschaulich gezeigt, wie du zu uns Menschen stehst. Das schenkt uns Vertrauen in unsere Bitten:
- Wir beten für alle, die im Leben auf Abwege gekommen sind.
- Wir beten für alle, denen es schwer fällt, sich am Glück anderer mitzufreuen.
- Wir bitten für uns, dass wir mit unserer Entscheidungsfreiheit bewusst umgehen.
- Wir bitten für uns, dass wir anderen barmherzig begegnen.
Guter Gott, Du bist und Du bleibst uns zugewandt. Dafür danken wir Dir. Amen.