l

Frieden, den die Welt sich (nicht) geben kann?

Frieden, den die Welt sich (nicht) geben kann?
Gedanken zum Volkstrauertag am 33. Sonntag im Jahreskreis (Mk 13,24-32)

Wie geht es Ihnen, nach allem, was wir gehört haben? Eigentlich müssten wir jetzt unruhig geworden sein. Es geht zu Ende! Und da ist zunächst kein Happy End zu erwarten, sondern ein wahres Untergangsszenario. Am Ende der Zeit… Vor dem Tag des Herrn. Die ersten Christen haben diese Worte nicht nur gehört, sondern auf Anhieb verstanden. Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer im Jahre 70 war für die Juden eine schlimmstmögliche Katastrophe. Und die grausamen Verfolgungswellen gegen die frühen Christen werden noch anrollen und unzählige Märtyrer hervorbringen. „Lasst uns durchhalten, bis der Herr wiederkommt!“ Und das war ihre flehentliche Gebetsbitte: „Maranatha!“ – „Herr, komm bald!“ Viel Zeit ist seither vergangen, und die Zeiten haben sich inzwischen geändert…

Dunkle Wolken an einem gottlosen Himmel
Den „Tag des Herrn“ haben viele Christen mittlerweile doch auf den „Sankt Nimmerleinstag“ verschoben. Wer rechnet denn heute noch ernsthaft damit, dass der Herr wiederkommt? Und wir seine Wiederkunft vielleicht sogar noch selbst erleben? Niemand kennt schließlich die Stunde, wurde uns mitgeteilt… Nein, da beten viele lieber brav weiter: „dein Reich komme“, damit es ja noch ein wenig auf sich warten lässt. Und leben munter weiter drauf los….
Dabei sind im Laufe der Jahrhunderte genügend dunkle Wolken am Horizont der Menschheitsgeschichte aufgezogen. Wie warnende Vorboten. Nicht Gott im Himmel hat sie aufsteigen lassen. Die blutgetränkten Wolken sind von Menschen auf Erden aufgestiegen. Machthaber, Ideologen und Diktatoren sind ja Menschen – aber Menschen ohne Gott. Die uns demonstrieren, wo wir ohne Gott am Ende hinkommen. Wenn Gott den Menschen abhandengekommen ist, dann bleibt nur noch der Mensch übrig. Und dann kann es so richtig gefährlich werden – für den Menschen. Stalin bekannte einmal: „Marx hat mir das Gewissen aus der Seele gerissen“, und sich damit selbst als „gewissenlos“ geoutet. Hitler hat sein Tausendjähriges Reich ausgerufen und diesen Begriff dreist aus der Offenbarung des Johannes entwendet. Nach nur zwölf Jahren hatte alles in einer unfassbar grausamen Apokalypse sein Ende gefunden. Und hatte nicht schon die Französische Revolution versucht, Gott und mit ihm das Christentum abzuschaffen, den Sonntag und alle christlichen Feste? Unzählige auf dem Schafott hingerichtet. Am Ende haben sie sich dann gegenseitig umgebracht: „Die Revolution frisst ihre Kinder!“
Wo der Mensch ohne Gott hinkommt! Eines dürfte uns klar sein: Ohne Gott gibt es keine höhere Macht, keine „höhere Gerechtigkeit“ und auch keine bleibenden Wahrheiten und grundlegenden Werte mehr. Ohne Gott können sich wahre Abgründe auftun. Der Wahrheit wird nicht mehr das Wort geredet, sondern der Lüge. Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer. Und die Propaganda führt Regie. Und auch soziale Ungerechtigkeit war immer schon ein gefährlicher Brandherd für den Ausbruch von Kriegen. In der Weimarer Republik war die soziale Ungerechtigkeit und die Verelendung der Massen der Wurzelgrund für nationalsozialistisches, fremdenfeindliches Gedankengut. Aber anstatt Ungerechtigkeit durch mehr Gerechtigkeit anzugehen wurden vermeintlich Schuldige gesucht und als Sündenböcke gebrandmarkt.
Und wo hatte der erste Weltkrieg seine Wurzeln? In einem übersteigerten Nationalismus. Nationalismus ist das Gegenteil von Heimatliebe. Es werden nur noch Grenzen gesehen, Trennendes statt Verbindendes. Eine Sichtweise, die in unserer Zeit wieder mehr und mehr Politik macht. Und auch die Wahrheit ist vielerorts „Fake news“ zum Opfer gefallen. Aber es bleibt dabei: Gerechtigkeit schafft Frieden, Wahrheit macht frei und Gemeinsames verbindet.

Volkstrauertag
Der Volkstrauertag ist die Einladung, sich wieder Gedanken zu machen. Und jedes Wort ist wichtig. Die Trauer, weil sie ein wichtiges Vermögen der Seele ist. Menschen die trauen, vermochten zu lieben und in der Trauer lebt die liebe fort. Und das Volk?  Kann ein Volk trauern? Gibt es eine „Volksseele“? Warum nicht! Wenn Menschen zusammen leben und ihre Heimat lieben…. Und einen Tag braucht es wohl auch, um nichts von alledem zu vergessen, was der Grund der Trauer war. Die 17 Millionen Toten des Ersten und all  die Millionen Menschenleben, die ein Zweiter Weltkrieg, nur zwei Jahrzehnte später fordern würde. Und all die Trauernden, die hinterblieben sind. Diese Erinnerungs-Kultur ist wichtig, weil sie uns Lehre sein will für die Zukunft. Und Ansporn. Wenn die Trauer eines Volkes weiter wächst zu einer Liebe der Menschheit ist die Gefahr von Kriegen wohl endgültig gebannt. Und die Hand zum Frieden muss nicht mehr über Gräbern gereicht werden.

Woher kommt Frieden?
Woher aber kommt der Friede? Am Ende nicht vom Menschen allein. Davon zeugt der Platz des Himmlischen Friedens mitten in Peking. Der verwandelte sich 1989 in einen Vorhof der Hölle, als das maoistische Regime einen friedlichen Studentenprotest mit Panzern niederwalzte.
Den Frieden auf Erden gibt es nicht ohne das Zutun des Himmels, nicht ohne Gott. Die Menschwerdung Jesu Christi kann durchaus als himmlische Friedensmission verstanden werden. Über dem Licht von Betlehem, diesem Friedenslicht, lesen wir auf einem Transparent: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind.“ Und Beides muss auch zusammenkommen: Die Ehrfurcht vor einem der größer ist, den wir darum als Gott anerkennen, und das Mittun aller Menschen, die guten Willens sind. Gott wirkt nicht ohne und schon gar nicht gegen uns Menschen. Gott wirkt zusammen mit Menschen, die guten Willens sind.
Der Friedensbotschafter des Himmels für unsere Welt ist Jesus Christus. Er hat den Frieden gebracht. Wenn auch im Namen des Christentums in vergangenen Jahrhunderten Unrecht und Kriege verübt wurden, dann weil es nicht nach dem Willen Jesu Christi gegangen ist, sondern um die Macht. Und Machthaber die Religion missbraucht haben – für ihre eigenen Interessen.
Worum es aber Jesus ging und immer gehen wird: Um den Frieden – und darum geht es ihm um Wahrheit und Gerechtigkeit. Jesus verspricht uns: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Und wirklich: Jesus sagt uns immer die Wahrheit. Seine Wahrheit macht frei.
Und es geht ihm um die Gerechtigkeit, um eine höhere –ausgleichende- Gerechtigkeit. In den Seligpreisungen der Bergpredigt kommt das klar zum Ausdruck:  Selig die Armen im Geist, selig die Trauernden, selig die Sanftmütigen, selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, selig die Barmherzigen, selig, die ein reines Herz haben, selig die Friedensstifter, selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen (vgl. Mt 5,4-10).
„Es gibt keinen Weg zum Frieden, der Friede ist der Weg.“ Diesen Gedanken von Mahatma Ghandi dürfen wir im Blick auf Jesus weiterdenken: „denn er ist unser Friede“ (Eph 2,14). Und seinen Frieden vertraut er den Seinen an: „Frieden hinterlasse ich euch – meinen Frieden gebe ich euch.“ (Joh 14, 27) Nicht einen Frieden, wie die Welt ihn nicht geben kann, es ist sein Friede!

Der Friede Christi – Gabe und Aufgabe zugleich
Damit ist der Friede Gabe und Aufgabe zugleich. Die immer hier und jetzt mit mir und dir beginnt, damit der Friede im Großen und Ganzen ein wenig mehr spürbar wird. Darum hat Jesus auch ganz konkrete und hilfreiche Vorschläge gemacht. Jesus war ja kein Stratege, kein Friedensforscher, sondern ein Praktiker des Friedens. Er macht es immer konkret und bringt es auf den Punkt. Etwa so: „Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halte ihm auch die rechte hin.“ (Mt 5,39) Nicht Gewalt mit Gegengewalt beantworten – das treibt die Gewaltspirale nur noch weiter in die Höhe. Jesus setzt auf Deeskalation durch den unbedingten Willen zum Frieden.
Dazu gehört dann auch die Bereitschaft zur Vergebung. Nicht sieben Mal, sondern siebenundsiebzig Mal. Und weil der Friede immer von Mensch zu Mensch beginnt, ist die eigentliche Friedensbewegung nicht der lautstarke Protestmarsch durch die Straßen.  Schon eher der offene Blick in das Antlitz meines Gegenübers und die offene, ausgestreckte Hand. Dieser Friedensgruß, den wir in jeder Heiligen Messe von Jesus entgegen nehmen dürfen, um ihn dann von Mensch zu Mensch weiterzureichen.
Die Väter des Grundgesetzes haben die friedensstiftende Prägekraft christlichen Denkens erkannt und auf den Trümmern des 1000-jährigen Reiches dem deutschen Volk in Verantwortung vor Gott und den Menschen eine neue Verfassung gegeben.
Das Szenario des Evangeliums bleibt deshalb so aktuell, weil es –leider Gottes- so realistisch ist. Damit verbindet sich aber umso mehr die Hoffnung, dass Jesus uns immer wieder seinen Frieden gibt, den die Welt nicht geben kann. Als Gabe und Aufgabe zugleich für alle Menschen, die guten Willens sind. Die hat es zu allen Zeiten auch gegeben! Aber am Ende wird der ewige Friede seine Gabe sein, wenn er wiederkommt, am Tag des Herrn.

Share