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Gibt es ein Leben nach der Geburt?

Gibt es ein Leben nach der Geburt?
Gedanken zu den Lesungen am 5. Sonntag i. J.

„Ich sehe was, was du nicht siehst…“ Dieses beliebte Kinderspiel kann man auch so beginnen: „Ich seh´ was nicht, was du nicht siehst…“ Gibt’s das wirklich? Kinder antworten darauf spontan mit Ja und nennen Gott, den Himmel, die Engel, die Seele… Aber auch Ungläubige kann man leicht von der Existenz des Unsichtbaren überzeugen: Von der Schwerkraft: man muss nur einen Stein zu Boden fallen lassen. Vom elektrischen Strom: dazu muss der Stecker nur in die Steckdose und schon fließt was. Oder auch die Schallwellen… Ohren auf und man hört was!

Aber für gewöhnlich glauben Menschen nur an das, was sie auch sehen. Das nenne ich das „Thomasproblem“. „Wenn ich nicht sehe“, hatte der zunächst ungläubige Thomas gesagt, „und nicht begreifen kann, glaube ich nicht.“ Das ist ziemlich kurzsichtig gedacht. Und vor allem: so kommt man nie zum Glauben. Jesus sagt darum: „Selig, die nicht sehen und doch glauben!“

Machen wir hier einen großen Sprung… Es gab einmal eine Zeit in unserem Leben, da haben wir alle noch nichts gesehen. Geschweige denn das Licht der Welt erblickt… Horchen wir einmal hinein in eine Diskussion zwischen einem Zwillingspärchen im Mutterleib. Es geht um die spannende Frage: „Gibt es ein Leben nach der Geburt?“

„Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“ fragt der eine Zwilling den anderen. „Ja, auf jeden Fall. Hier drinnen wachsen wir und werden stark für das, was draußen kommen wird.“

„Ich glaube, das ist Blödsinn!“, gibt der andere zurück. „Es kann kein Leben nach der Geburt geben! „Wie sollte das bitteschön aussehen?“ „So ganz genau weiß ich das auch nicht“, gibt der andere zu. „Aber es wird sicher viel heller sein als hier. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen!“

„So einen Unsinn habe ich noch nie gehört. Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee! Es gibt doch die Nabenschnur, die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur doch viel zu kurz.“ „Doch es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles ein bisschen anders…“

„Du spinnst! Und überhaupt: es ist noch nie einer zurück gekommen von `nach der Geburt´! Mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Punktum!“

„Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir unsere Mutter sehen werden. Und sie wird für uns sorgen.“

„Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter! Wo ist sie denn bitteschön? Wo sollte sie sein?“ „Na hier – überall um uns herum. Wir leben in ihr, bewegen uns in ihr. Ohne sie könnten wir gar nicht sein.“

„Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt. Also gibt es sie auch nicht.“ „Doch! Manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere kleine Welt streichelt!“

Wir glauben wohl alle ein Leben nach der Geburt? Aber wie sieht es aus, wenn wir die Diskussion noch einmal auf uns wirken lassen. Das Zwillingspärchen ist mittlerweile in die Jahre gekommen. Da geht es dann nicht mehr um die Frage: „Gibt es ein Leben nach der Geburt?“, sondern, wir ahnen es: „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“ Alles eine Ansichtssache. Entscheidend dabei ist: Glauben wir nur an das, was wir sehen? Oder hilft uns der Glaube erwartungsvoll darüber hinaus?

Paulus sagt uns heute, woran er glaubt und wie ist er dazu gekommen ist: „Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf.“ Und dann noch so vielen anderen…

Paulus hat den irdischen Jesus selbst nie gesehen. Und auch das leere Grab nicht und nicht den auferstandenen Herrn. Als die Jünger die Auferstehung verkünden, bekämpft Paulus diese neue Lehre noch mit aller Gewalt. Gewiss er hat bei seiner überraschenden Berufung eine Stimme gehört und Licht gesehen. Eine Vision oder irgend so was. Man hätte all das abtun können als reine Einbildung. Paulus war schließlich auch Epileptiker…

Paulus aber macht genau das Richtige: Er geht zu den Augenzeugen. Und er schenkt ihnen Glauben. So empfängt er seinen Glauben, den er dann weitergibt an so viele – bis an die Grenzen der Erde. Paulus hält sich dabei an den Glauben, den er empfangen hat. Er verbiegt ihn nicht. Redet den Leuten nicht nach dem Mund. Er weiß genau: „Wehe, wenn ich das Evangelium nicht verkünde…“.

Paulus, der Völkerapostel, ist zu einem wahren Menschenfischer geworden. Dazu hat Jesus im Evangelium zuerst Simon Petrus bestimmt. Das tut er aber erst, nachdem Petrus ihm blind vertraut. Wider alles bessere Wissen fährt er nochmals hinaus und wirft seine Netze aus. „Auf dein Wort hin!“ Glauben schenkt Vertrauen…

Wie sieht es mit uns aus? Auch wir sehen Gott ja nicht wirklich, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Jesus Christus nicht und auch nicht den Heiligen Geist. Den Himmel, die Engel und alle Heiligen. Und doch werden wir gleich im Credo gemeinsam bekennen, dass wir an all das glauben.

Das dürfen wir auch aus Überzeugung. Denn –wie vor uns Paulus- verlassen wir uns auf das Glaubens- und Lebenszeugnis der ersten Christen. Und nach ihnen auf die Ungezählten, die im Laufe der zweitausendjährigen Kirchengeschichte ihre Glaubenserfahrungen im Leben gemacht haben.

Und wie können wir dem Glauben auf die Spur bleiben? Gewiss als denkende Menschen. Eugen Biser hat schon recht: Nicht das Denken macht am Glauben irre, sondern die Dummheit“. Beschäftigen wir uns mit dem Glauben, setzen wir uns damit auseinander und plappern wir nicht gedankenlos nach, was andere vorplappern. Etwa: „Glauben heißt nichts wissen.“ Und dann hat bestimmt der gläubige Zwilling im Mutterleib recht, wenn er dem anderen zu bedenken gibt: „Manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie, unsere Mutter, singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt…“ Gilt das nicht auch für Gott! „Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen (eben) alles in einem anderen Licht“ (Lothar Zenentti).

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