Grundsatzprogramm
Grundsatzprogramm
(Lesung: 1 Kor 3-8.11)
Wir stehen vor der Bundestagswahl. Und wofür stehen die Parteien? Früher war das keine Frage wert: Die Schwarzen waren schwarz, die Roten waren rot, die Grünen grün…, und die Blauen gab´s noch gar nicht.
Ebenso klar ausgemacht war, wofür die Schwarzen, Roten, Grünen standen. Na ja, an dieser Stelle seien am Ende auch noch die Gelben genannt: Die CDU/ CSU, also die Schwarzen, für eine soziale Marktwirtschaft, innere Sicherheit und christliche Werte. Die SPD, also die Roten, für Arbeitnehmerinteressen und sozialen Ausgleich. Und die Grünen, also die Grünen, für Umweltschutz, Frieden und alternative Lebensformen. Und die Gelben, die FDP, standen für Freiheit und trat für die Wirtschaft ein.
Und heute? Wofür stehen die Parteien heute noch? Das lässt sich gar nicht mehr so klar beantworten. Das liegt auch daran, dass die Parteipolitiker gar keine so klaren Antworten mehr geben. Es gibt in jeder Partei „Flügel“ und damit auch „Grabenkämpfe2. Viele sagen das, was gerade ankommt. Jede Woche schlägt bekanntlich eine neue Meinungsumfrage in den Medien auf. Das macht ganz schön Druck!
Manche Politiker, die ich klug nennen möchte, versuchen wieder, das Parteiprofil zu schärfen und besinnen sich auf ihr Fundament. Das Wahlvolk will schließlich wissen, warum es was wählen soll. Nur so kann man sich in zwei Wochen auch entscheiden.
Wer mich kennt, weiß, dass mich Politik interessiert. Aber ich bin ja nicht als Politiker gewählt, sondern zum Priester geweiht. Ich muss mich nicht nach Meinungsumfragen richten. Und die Kirche sollte das hierzulande auch nicht tun. Denn es geht auch bei ihr um das Fundament. Und das Fundament ist und bleibt das Fundament.
Reden wir nicht von Parteien und Parteiprogrammen. Reden wir lieber von unserem Glauben und seinem Grundsatzprogramm. Das Fundament unseres Glaubens ist und bleibt das Evangelium. Das steht fest! Und was ist die Kernbotschaft des Evangeliums? Auch das steht fest: Jesus hat uns am Kreuz erlöst von unseren Sünden. Das war ihm sein eigenes Leben wert. Sein Tod und seine Auferstehung haben uns ewiges Leben geschenkt. Damit kann ein Christ bekennen: „Jesus lebt, mit ich auch ich.“ Wir sollten es uns gut merken. Nichts anderes ist der Dreh- und Angelpunkt unseres christlichen Glaubens. Damit steht und fällt alles!
Wenn es einzig und allein um diese Botschaft geht, verwundert es doch, wie wenig darüber geredet und auch gepredigt wird. Paulus lässt das nicht durchgehen. Er ist ein echter Parteigänger Jesu Christi. Er weiß, was er verkündet, und dafür tritt er auch ein. Mit letzter Konsequenz. Bis zum Einsatz seines Lebens. Und das mit Erfolg. Dass es heute, 2000 Jahre danach, mehr Christen gibt als je zuvor, 2.5 Milliarden sind es weltweit, das verdankt sich vor allem auch ihm, dem Völkerapostel.
Wie konnte ihm das gelingen? Es ging ihm um die Botschaft, um ein klares Programm, nicht um Mauern. Heute scheint es in der parteipolitischen Auseinandersetzung weniger um Inhalte zu gehen als vielmehr um eine Mauer. Soll sie stehen oder fallen?
Eines dürfte wohl klar sein: Gott hat keine Mauern errichtet. Ganz im Gegenteil. An Weihnachten erklärt er sich als ein Gott für alle. Seine Menschwerdung ist ein Appell an alle Menschen, die guten Willens sind.
Daran hat sich Jesus in seiner Verkündigung immer gehalten. Er hat den Dialog gesucht und zwar mit allen. „Mit dir red ich nicht“, gab´s bei Jesus nicht. Selbst mit den Dämonen setzt er sich leidenschaftlich auseinander. Das Evangelium kennt keine Denk- und Redeverbote.
Und was geschah in der Stunde seines Todes? Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei. Das war unerhört! Denn damit war die Mauer zwischen Juden und Heiden niedergerissen. Und es ist ein heidnischer Hauptman, der als erster bekennt: „Wahrlich, dies war Gottes Sohn!“
Auch für Paulus war immer klar, dass es keine Mauern geben darf. Er hatte sich ja zunächst selbst eingemauert in seinem Hass gegen die ersten Christen und sich zum Äußersten hinreißen lassen. Doch ausgerechnet ihn spricht Jesus an: „Saulus, Saulus warum verfolgst Du mich?“ Einen seiner entschiedensten Gegner wird er zu seinem erfolgreichsten Mitarbeiter machen. Paulus nennt diese seine Berufung „Gnade“. Und diese Erfahrung der Gnade, seine Begnadigung, will er jetzt an andere weitergeben.
Paulus versucht nach Kräften, Mauern einzureißen. Darum geht er auch nach Jerusalem und trifft sich mit Petrus und den anderen maßgeblichen Aposteln. Er überzeugt sie, dass auch Nichtjuden Christen werden können, ohne sich vorher beschneiden zu lassen, ohne fremde jüdische Gesetze befolgen zu müssen. Er setzt sich durch und bekommt das O.K.
Dann macht er sich auf den Weg zu den Heiden. Selbst auf dem Areopag in Athen tritt Paulus mutig auf und verkündet Jesus. Die einen verspotten ihn, die anderen wollen ihn noch einmal hören. Sei´s drum: Paulus geht es allein darum, allen alles zu werden.
Damit hat er die Botschaft des Evangeliums gut begriffen: Gott will das Heil aller Menschen. Hätte Paulus gemauert, wäre die Kirche am Ende als Sekte untergegangen. So ist sie zu dem geworden, was sie ist: eine Weltreligion, die Menschen verbindet über Sprachen, Rassen und Kulturen hinweg zu einer Gemeinschaft, in der es keine Unterschiede mehr gibt, weil alle eins sind in Christus.
Mauern grenzen ab, Mauern grenzen aus. Der sichtbarste Beweis dafür ist jene Mauer, die unser Volk über 28 Jahre hinweg in seinem Herzen getrennt hat. Mauern können auch schon beginnen am Nachbarzaun. Aber am schlimmsten sind die Mauern in den Köpfen der Menschen. Sie verhindern ein gemeinsames Zusammendenken und ein gutes Zusammenleben. Wer nur auf Mauern schaut, wird niemals die Brücken sehen, die es eigentlich zu bauen gilt, damit Menschen wieder besser zusammenfinden. Und darum sollte es doch immer gehen. Gerade uns Christen…! Amen.
Guter Gott, Du verbindest Menschen miteinander.
Wir bitten Dich:
In einer Zeit, in der mehr über als miteinander geredet wird und sich „Blasen“ bilden: Um eine neue Bereitschaft zu einer offenen Auseinandersetzung, gerade dann, wenn Meinungen auseinandergehen.
In einer Zeit, in der Meinungsumfragen zunehmend die Meinung bilden: Um den Mut zu sagen, worauf es ankommt, auch wenn es anscheinend nicht ankommt.
In einer Zeit, in der wieder mehr Gemeinwohl spürbar werden muss: Um entschlossene Brückenbauer in einer Gesellschaft, in der zu viel gemauert wird.
In einer Zeit, in der Menschen nach Orientierung suchen: Um eine Kirche, die glaubwürdig das Evangelium Jesus Christi verkündet, ob gelegen oder ungelegen.
Zwei Woche vor der Bundestagswahl: um eine überlegte Wahlentscheidung, zum Wohle unseres Landes.
Guter Gott, du schenkst uns ein Vorbild, das du selbst bist in Jesus Christus deinem Sohn, unserem Herrn. Amen.