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„Halte mich nicht fest!“

„Halte mich nicht fest!

„Aus den Augen, aus dem Sinn.“ Nichts Ungewöhnliches. Im Zug etwa oder auch beim Einkaufen. Da fällt uns jemand kurz auf, wir beobachten ihn und dann geht das Leben auch schon wieder weiter. Manche machen so was überhaupt ganz gern: „Leut´ beobachten…“

Wir aber kennen alle auch Abschiede, die uns schwergefallen sind, weil sie weh getan haben. „Wie soll es ohne dich nur weitergehen? Wie können wir nur in Kontakt bleiben?“ Heute gibt es viele Möglichkeiten. Man greift zum Telefonhörer oder noch besser man skypt. All das freilich ist nicht mehr möglich, wenn wir einen Abschied für immer nehmen mussten. Das sagen ja manche Menschen, wenn ein lieber Angehöriger verstorben ist.

Die ersten Christen begegnen uns in diesen Tagen in einer sehr ungewöhnlichen Situation: Sie mussten Abschied nehmen von Jesus. Auf grausame Weise wurde er ihnen genommen. Am Kreuz ist er gestorben, ins Grab hat man ihn gelegt. Ein Abschied für immer. Sollte man meinen. Aber dann keimt neues Lebenslicht auf, auf dem Friedhof im Morgengrauen. Jesus lebt! Die Botschaft der Frauen vom Grab trifft zuerst auf Zweifel und Unverständnis. Erst langsam, dann aber sicher hellt sich die Stimmung auf. Und mit jeder Begegnung wächst Osterfreude heran. „Der Herr ist wahrhaft auferstanden! Jesus lebt! Halleluja!“

Jesus lebt. Er ist wieder da, mitten unter uns. Und doch, heute, 40 Tage nach Ostern, steht ein zweiter Abschied bevor: Nicht, dass Jesus nochmals stirbt. Er stirbt nie mehr. Sondern, weil es ihm um mehr Leben geht! Er wird nicht bei ihnen bleiben, weil er nicht bei ihnen bleiben kann. Und irgendwie haben es ja wohl alle gespürt: Jesus war derselbe. Und doch ganz anders derselbe. „Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen“, hat Jesus schon am Ostertag zu Maria Magdalena gesagt. Das konnten sie am Ende auch nicht. Jesus war schon weiter auf dem Weg heim zum Vater.

Zum einen, weil in unserer sichtbaren Welt nichts ewig bleibt. Und Jesus, als der Auferstandene, schon sichtbar Anteil hatte an der unsichtbaren Welt. Sein Kommen durch verschlossene Türen, sein plötzliches Entschwinden. Nein, Jesus war noch in dieser Welt, aber nicht mehr von dieser Welt.

Auch deshalb muss er gehen, weil er heimgeht. Jesus ist eines Wesens mit dem Vater, Licht vom Licht. Er ist nicht aus dieser Welt. Darum musste er auch zurückkehren in die unsichtbare, ewige Welt, die wir einfach nur „Himmel“ nennen. Übrigens, auch wir Christen sind nicht von dieser Welt…!

Aber Jesus nennt noch einen weiteren Grund: Er kehrt heim zum Vater, um von dort den Heiligen Geist zu senden. Es ist sein Beistand, der immer bei uns bleiben wird. Ein Geist der Wahrheit, der uns alles lehren wird. Ein Geist, der uns auch beim Beten hilft, wenn wir selbst nicht wissen, worum wir in rechter Weise bitten sollen.

Auch diesmal haben die Jünger nicht auf Anhieb verstanden. Ihre erste Reaktion ist ja auch verständlich: Verlustangst und erneute Trauer. Jesus wieder hergeben, obwohl er jetzt doch wieder bei uns ist. Aber man konnte ihn nicht festhalten. Man durfte es nicht. Als er dann in den Himmel aufgenommen wurde, haben sich die Jünger dann doch gefreut, weil sie spürten: Wo immer wir sind, wird auch er nun sein. Das verspricht er Ihnen auch: “Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“. Mit dieser Zusage sendet er die Jünger aus als seine Zeugen. Und diese Zusage gilt auch uns. Sie gilt überall! Weil Jesus nicht mehr an Raum und Zeit gebunden ist. Und sein Geist weht. wo er will. Wenn wir ihn nur wehen lassen.

Und sein Geist ist gekommen. Damals am Pfingsttag, um die dritte Stunde. Und er hat gewirkt! Im Laufe der letzten beiden christlichen Jahrtausende haben uns große Theologen und noch größere Beter erschlossen, wie wir unseren Glauben besser verstehen und glaubwürdig leben können. Freilich gab es auch dunkle Zeiten im Laufe der 2000-jährigen Kirchengeschichte. Die gab es aber immer dann, wenn der Heilige Geist nicht wirken durfte. Immer wurde es ungeistlich und unchristlich.

Auch wir haben den Heiligen Geist empfangen in der Taufe, bekräftigt durch das Sakrament der Firmung. Wir wissen, wessen Geistes Kinder wir sind. Und diesen Heiligen Geist brauchen wir. Ja, eine ganze Welt braucht ihn, heute mehr denn je! Gerade diesen Geist der Wahrheit. In Zeiten von „Fake News“ muss es uns ein echtes Anliegen sein, einmal mehr die Tage vor Pfingsten zu beten. Denn das ist die entscheidende Voraussetzung für das Kommen des Heiligen Geistes. Damals wie heute: dass wir darum bitten und beten: „Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu.“ Damit wir wieder einen Geist der Zuversicht gewinnen, Orientierung in Klarheit und Wahrheit. Und damit wir und alle Christen weltweit in Verbindung bleiben mit Jesus Christus im Heiligen Geist, den er an Pfingsten vom Vater ausgesandt hat. Amen.

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