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Hanns Guck-in-die-Luft

Hanns Guck-in-die-Luft
Gedanken zum Hochfest Christi Himmelfahrt von Pfr. Ulrich Lindl

Wenn der Hans zur Schule ging,
stets sein Blick am Himmel hing.
Nach den Dächern, Wolken, Schwalben
schaut er aufwärts allenthalben.
Vor die eignen Füße dicht,
ja, da sah der Bursche nicht.
Also dass ein jeder ruft:
„Seht den Hans Guck in die Luft“

Hanns Guck-in-die-Luft
Jetzt haben wir ihn aber alle erkannt, den Hanns Guck-in-die-Luft! Dr. Heinrich Hoffmann hat ihm 1844 im „Struwelpeter“ ein gereimtes Denkmal gesetzt. Alle Geschichten, die sich der Frankfurter Nervenarzt für seine Kinder ausgedacht hat, sind schon zum Schmunzeln… Aber eigentlich verfolgen sie eine ganz andere Absicht: Sie wollen Kinder erziehen. Kinder etwas beibringen oder etwas endlich abgewöhnen. Der Daumenlutscher soll endlich seinen Daumen nicht mehr in den Mund stecken. Und der Zappelphilipp bitte schön still sitzen und der Suppenkaspar endlich seine Suppe auslöffeln! Und Hans Guck in die Luft…, was soll denn der? Der soll gefälligst woanders hinschauen!  Und der Autor und Familienvater Hoffmann greift im weiteren Verlauf der Geschichte zu drastischen, erzählerischen Mitteln, um seinem Anliegen Gehör zu verschaffen.
Habe verstanden! Die kleine Geschichte soll den Tagträumer ermahnen. Also jenes Kind, das ins Leben hineinspaziert, völlig unbedarft mit gedankenverlorenem Blick zum Himmel, Wolken zählend und Luftschlösser bauend.
„Wo kommen wir da hin!“, hören wir mit erhobenem Zeigefinger. „Wenn Du zu was kommen willst, dann musst du schon auf den Weg achten und zielstrebig voranschreiten. Der Blick zum Himmel lenkt dich bloß ab! Was da alles passieren kann. Und überhaupt: in Luftschlössern kannst du am Ende nicht wohnen!“

Stimmt schon, alles schön und gut. Aber Irgendwie kann einem der kleine Hanns schon auch Leid tun. Denn eines ist doch klar: wenn man immer nur auf den Weg schaut, den nächsten Schritt bedenkt, dann wird das auf Dauer ganz schön anstrengend. Und unterwegs würde der Mensch auf Dauer verkrampft und krumm und bucklig. So wichtig Leistung und Disziplin sind. Eines scheint doch sonnenklar: Der Mensch muss auch immer wieder zum Himmel aufschauen dürfen und tief Luft holen, die Seele einfach baumeln und vor sich hinträumen dürfen. Das gilt zunächst einmal für Kinder, die bitte nicht zu schnell erwachsen werden sollen. Es gilt aber ebenso für Erwachsene, die hoffentlich ein wenig Kind geblieben sind.

Himmel und Erde – die doppelte Blickrichtung des Lebens
Und wir spüren: beides ist wichtig! Wir brauchen die Erde und wir brauchen einen Himmel. Denn zugegeben: wir stehen mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, sind hoffentlich „gut geerdet“. Und wir tragen Verantwortung. Weil es den Himmel auf Erden nicht gibt, tragen wir als Erdenbürger gemeinsam Verantwortung für diese Welt.
Aber genau darum brauchen auch den Blick zum Himmel. Der Blick zum Himmel weitet unseren Horizont, schenkt uns Träume und eröffnet Visionen. Der Blick nach oben richtet innerlich auf, verleiht unserer Seele Tiefe, in die hinein wir erst richtig atmen können.
Das Fest Christi Himmelfahrt lädt uns heute dazu ein. Mit den Jüngern schauen wir auf zum Himmel. Seien wir dankbar dafür, dass wir das tun dürfen. Ja, wir glauben an den Himmel. Und daran, dass diese Welt nicht alles ist. Der Alltag, Schule und Beruf, die kleinen und größeren Sorgen, die jeden von uns belasten. Die kleinen und größeren Ziele, die jeder vor Augen hat. Aber darüber hinaus gibt es so viel mehr! Dafür will uns der Himmel die Augen öffnen. Für eine Weite an Schönheit und Sehnsucht auch, für die in der Enge unserer Welt nie genügend Platz sein wird. Und auch das lässt sich dabei erkennen: Wer an den Himmel glaubt, der muss aus seinem „irdischen“ Leben nicht alles herausholen. Der kann auch mal die Sorgen vergessen und durchatmen. Das entspannt! Mensch, lass dich nicht ausbeuten.
Wir brauchen Himmel und Erde. Beides ist wichtig und richtig christlich. Die Himmelfahrt ist für Jesus gewiss seine Heimkehr zu Gott. Aber keine Welt-Flucht. Jesus Christus hat 33 Jahre auf dieser Erde gelebt und sich für diese Welt eingesetzt. Mit göttlicher Kraft hat er den Erdboden dieser Welt umgepflügt, damit darin das Reich Gottes eingepflanzt werde und der Mensch himmelwärts wachse.
Übrigens: nach der Himmelfahrt, diesem himmlischen Augenblick, sind auch die Jünger wieder zurückgekehrt auf den Boden der Tatsachen. Sie haben dort weitergemacht, wo Jesus aufgehört hatte. Aber eben erfüllt mit einer himmlischen Vision und in Erwartung des Geistes, den Jesus schon bald vom Vater aussenden wird.

Lieber Hanns Guck-in-Luft!
Was ich dir wünsche? Gewiss das, was dir alle wünschen: Dass du mit beiden Beinen fest im Leben stehst. Dass du deinen Weg findest und ihn beherzt gehen kannst. Du sollst gut groß werden, aber zunächst einmal Kind sein dürfen! Aber ich wünsche dir auch, dass du –einmal erwachsen geworden-, immer einen Augenblick Zeit hast, das zu tun, was du als Kind so gern gemacht hast: einfach in Luft zu gucken. Und dabei den Himmel zu erblicken. In der Weite seines Horizonts, in der Schönheit seiner Farben, in dem Spiel der Wolken und in seiner Sehnsucht nach Ewigkeit. Und freue dich dann darüber, dass es bei Gott im Himmel am Ende mehr als alles gibt.

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