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JESUS – Im Angesicht des Todes

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JESUS – Im Angesicht des Todes

 Wer war Jesus? Gott und Mensch
Was einer ist, was einer war, beim Sterben wird es offenbar.“ Diese bedenkenswerten Worte verdanken wir dem Landshuter Arzt und Schriftsteller Hans Carossa. Und es liegt viel Wahrheit in ihnen. Zum einen, weil die letzten Stunden eines Menschen wohl seine intensivste Lebenszeit sind. Und weil sich am Ende das Ganze des Lebens noch einmal verdichtet. Wer Jesus war, offenbart sich in seiner ganzen Tiefe im Angesicht seines Todes. Es ist die Zusammenfassung und der Höhepunkt seines hingebungsvollen Lebens.

Aber schon lange zuvor stellt Jesus die Frage: „Für wen halten mich die Leute?“ (Mk 8, 27) Die Antworten fallen ganz unterschiedlich aus: „Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elia oder sonst einen der Propheten“ (Mk 8, 28). Aber dann fragt Jesus seine Jünger ins Angesicht: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mk 8, 29) Petrus wird bekennen: „Du bist der Messias!“ (Mk 8, 29)

Jesus selbst weiß, wer er ist, wo er herkommt und wo er hingeht. „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10, 30). Und daran kann und will Jesus die Seinen teilhaben lassen. „Niemand kennt den Vater, nur der Sohn, und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11, 27).

Er, der von Gott kommt, kann zu Gott hinführen. Dieser Weg ist sein Weg mit jedem, der ihm folgt, um aus seinem Lebensweg einen Glaubensweg werden zu lassen. Dabei „gibt es so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt.“ (Benedikt XVI) Aber uns allen gilt gleichermaßen die Zusage Jesu: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14, 6). Positiv gewendet heißt das doch so viel wie: Jeder kommt zum Vater durch mich. Das ist nicht weniger als eine himmlische Einladung.

Am Ende erwartet uns dann auch ein wohlvorbereitetes An- und Heimkommen: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin“ (Joh 14,2 f.).

 Die Leidensweissagungen – Das Unverständnis der Seinen
Wenn wir uns als Christen heute Jesus im Angesicht des Todes vorstellen, dann sehen wir ihn immer auch schon im Licht seiner Auferstehung. Auch seine Worte im Blick auf seinen bevorstehenden Tod können wir österlich zu Ende denken. Bei den Jüngern war das damals aber nicht so. Sie haben Jesus erlebt vor seinem Tod. Und an so etwas wie eine Auferstehung war nicht zu denken – noch nicht…

Für das Unverständnis der Seinen müssen wir Verständnis haben. Ein Messias, der am Kreuz endet, war nicht vorgesehen. Die Jünger waren darum oft genug hin- und hergerissen, was sie von Jesus halten sollten. Und wie es am Ende mit ihm ausgehen werde. Sie alle hatten wohl auch ihre eigenen Vorstellungen von einem Messias. Allen voran Judas, der Zelot.

Jesus spricht in den synoptischen Evangelien von seinem Leiden, Sterben und seiner Auferstehung nur im Kreis seiner Jünger. Wenn schon sie nicht verstehen, wie sollten es all die anderen!

Im Markusevangelium sind uns drei Leidensankündigungen Jesu überliefert (Mk 8,31; 9,31; 10.32-34). Die erste Leidensankündigung folgt unmittelbar auf das Messiasbekenntnis des Petrus. Erkennbar wenig scheint Petrus die Worte Jesu vom kommenden Leiden, Sterben und der Auferstehung des Menschensohnes –was immer das auch bedeuten sollte- verstanden zu haben. Im Gegenteil: unmittelbar darauf macht er Jesus Vorhaltungen (vgl. Mk 8, 32). Jesus weist Petrus entschiedenen zurecht: „Tritt hinter mich, du Satan! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern die Menschen wollen“ (Mk 8, 33).

Im anschließenden Kapitel des Evangeliums kündigt Jesus –diesmal in direkter Rede- an, was auf ihn zukommen wird: „Der Menschensohn wird in die Hände der Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten. Doch wenn er getötet ist, wird er nach drei Tagen auferstehen“ (Mk 9,31). Im folgenden Vers wird abermals das Unverständnis der Jünger berichtet: „Sie aber begriffen das Wort nicht, scheuten sich jedoch, ihn zu fragen“ (Mk 9,32).

Als sie schließlich den Weg nach Jerusalem hinaufziehen, nimmt Jesus die Zwölf wieder beiseite und sagt ihnen voraus, was ihm bevorsteht: „Wir gehen nach Jerusalem hinauf und der Menschensohn wird den Hohepriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert und sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden übergeben; sie werden ihn verspotten, anspeien, geißeln und töten. Aber nach drei Tagen wird er auferstehen“ (Mk 10,33 f.).

Aber auch diesmal erfassen die Jünger die Tragweite der kommenden Ereignisse nicht: ihr Unverständnis äußert sich in einer vermessenen Bitte der beiden Jünger Jakobus und Johannes: „Gewähre uns, dass der eine von uns zu deiner Rechten und der andere zu deiner Linken sitzen darf in deiner Herrlichkeit“ (Mk 10,37). Jesus lehnt ihr Begehren ab: „…das Sitzen zu meiner Rechten oder zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben, sondern es wird denen zuteil, für die es bereitet ist“ (Mk 10,40).

Immer wieder bleiben also die Leidensankündigungen Jesu bei seinen Jüngern unverstanden. Aber kann das verwundern? Im Nachhinein wissen wir, was gekommen ist, und dass es so kommen musste. Die Jünger hatten diese Erkenntnis noch nicht. Woher auch! Bemerkenswert ist allerdings, dass die Evangelien das Unverständnis der Jünger so ungeschönt stehen ließen. Es wurde wie auch an anderen Stellen nachträglich nichts „bereinigt“. Das spricht für Glaubwürdigkeit der Berichte und lädt zugleich ein, sich in die Situation der Jünger immer wieder einzuleben, um sie besser zu verstehen. Hätten wir damals an ihrer Stelle anders reagiert?

In den Leidensankündigungen Jesu begegnen wir also den Reaktionen der Jünger. Aber vor allem können wir sehen, dass Jesus selbst sein Leiden und Sterben und seine Auferstehung vorhergesehen hat. Seine Ankündigungen sind ausdrücklich im Indikativ gehalten und somit klare Ansagen: „Der Menschensohn wird den Hohepriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert und sie werden ihn zum Tode verurteilen“ (Mk 10,33).

Jesus geht sehenden Auges nach Jerusalem. Ein Weg, den er bewusst gehen wird, weil er ihn gehen muss. Und er weiß genau, was auf ihn zukommen wird. Er wird das Lamm Gottes sein müssen, das unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet wird. Es ist die Opferung Jesu, die anstelle der Paschalämmer geschehen muss, die bislang im Tempel geopfert wurden. Wurden die Lämmer am Paschafest im Tempel geschlachtet in dankbarer Erinnerung an die Befreiung aus ägyptischer Gefangenschaft, so gibt das „Lamm Gottes“ am Stamm des Kreuzes sein Leben hin für die vielen: Zur Errettung aus der letzten und eigentlichen Gefangenschaft des Lebens, aus dem Tod.
So etwas bringt der Mensch aus eigener Kraft nicht fertig. Noch weniger kann diese Erlösung irgendein Tieropfer bewirken. Die Errettung aus dem Tod kann am Ende nur ein Retter vollbringen, der Herr ist über Leben und Tod. Heil und ganz und so unsterblich anders. Die Kraft ist beides Mal dieselbe. Es ist die Liebe. „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8). Und die größte Macht der Liebe ist im letzten die Hingabe des Lebens. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh 17,13). Er hat es getan.

Das Ringen in Getsemani
Wohl an keinem anderen Ort kommt uns Jesus menschlich so nahe wie im Garten Getsemani (von hebräisch „Gat-Gatschmanim“„Ölpresse“) am Fuße des Ölbergs (vgl. Mt 26, 38-41). Mit diesem Ort war Jesus zuinnerst vertraut. Immer wieder wird er sich dorthin zurückgezogen haben, wenn er in sich in Jerusalem aufgehalten hat. In dem nahen Anwesen mit seiner Ölpresse wird er wohl des Öfteren übernachtet haben. Die jahrhundertealten Olivenbäume muten heute an, als hätten sie damals Jesus gesehen. Sie sind stumme Zeugen eines verzweifelten Ringens in Jesus. Und für uns aller Grund dankbar zu sein, dass er am Ende bereit war, seinen Weg ans Kreuz auf sich zu nehmen. In Getsemani begegnen wir wirklich dem Menschensohn, der Blut geschwitzt und im Gebet mit seinem Vater gerungen hat.

Jesus hofft freilich auch auf menschlichen Beistand. Drei seiner engsten Jünger hat er mitgenommen. Sie waren schon auf dem Berg der Verklärung bei ihm. Ihnen sollte jetzt am ehesten klar sein, was jetzt kommt: seine Stunde. Beim Abstieg vom Berg der Verklärung hatten sie sich bereits ihre Gedanken gemacht, was es heiße „Von den Toten auferstehen“ (vgl. Mk 9,11). Jesus wollte sie damals bereits einweihen. Nun aber sind sie nicht auf dem Gipfel des Bergs der Verklärung. Sie sind am Fuß des Ölbergs – und es ist Nacht. (vgl. Joh 13,30). Wie sehr Jesus sich auf menschlichen Beistand stützen will, entnehmen wir seinen Worten. „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!“ (Mt 26, 38).

Wie mag es wohl in den Jüngern ausgesehen haben? Sie schlafen immer wieder ein – Müdigkeit aus Angst? Aber so wie keiner seiner Jünger mit ihm wachen konnte, so wenig hätte ihn auch irgendein Mensch aus dem Tod erretten können. Umso mehr ist Jesus in dieser Stunde ganz auf Gott verwiesen. Am Ende bleibt immer nur Gott! An ihn wendet er sich flehentlich: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26, 42).

Jesus tut gut daran, allein auf Gott zu vertrauen. Auch wenn er aus tiefster menschlicher Todesnot betet, er bittet am Ende darum, dass der Wille seines Vaters geschehe. Diese tiefe Gottergebenheit war und ist Jesu große Stärke. Sein abgrundtiefes Gottvertrauen legt er im Garten Getsemani auch uns ans Herz.

Die Gefangennahme Jesu
Am Ende herrscht bei Jesus entschlossene Aufbruchsstimmung: „Steht auf, wir wollen gehen! Seht, der Verräter ist da“ (Mt 26, 46). Jesus stellt sich. Er wird nicht gefangen genommen. Er übergibt sich selbst. Und er übt keine Gewalt gegen Gewalt. Gegen-Gewalt ist nie eine Lösung. Als einer von den Begleitern mit seinem Schwert auf den Knecht des Hohepriesters losgeht und ihm ein Ohr abschlägt, reagiert Jesus sehr entschieden: „Steck dein Schwert an seinen Platz! Denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen“ (Mt 26, 52).

Der Wille zum Frieden ist zugleich der Weg zum Frieden. Diesen Frieden hat Jesus den Seinen anvertraut: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27). Es ist nicht ein Friede, wie die Welt ihn gibt und dabei auf Mittel der Gewalt mehr vertraut als auf den Frieden selbst. Der Weg zum Frieden war für Jesus immer der Friede.

Und ist es nicht bemerkenswert! Bei aller Dramatik: Von Jesu Wort und seinem Tun geht ein tiefer Frieden aus. So als wolle er jetzt spüren lassen, was Jesus selbst seinem Frieden zugeschrieben hat: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht“ (ebd.).

Wiewohl Jesus selbst doch in der Mitte seines Herzen verwundet sein muss, da einer seiner Jünger, Judas, ihn durch einen Kuss verraten hat (vgl. Mt 26,50). Hatte Jesus eben nicht auch Judas die Füße gewaschen? Hatte er im Abendmahlsaal nicht auch ihm seinen Leib und sein Blut gereicht? Ja, auch Judas war einer der zwölf Erstkommunikanten am Tisch des Herrn. Hatte sich Jesus damit nicht selbst ausgeliefert, sein Leben hingegeben für seine Freunde zum Beweis seiner unüberbietbaren Liebe…?

Der Kreuzweg
Es gibt Zeiten im Leben und Situationen, in denen man nicht reden darf. „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen“, sagt Ludwig Wittgenstein. Das Leid in der Welt ist ein solches Thema. Über ihre Kriegserlebnisse vermögen viele auch nach langen Jahren noch immer nicht zu sprechen. Traumatisiert vom Leid ist man innerlich oft sprachlos. Aber wie soll man anfangen zu reden, wenn alle Worte am Ende viel zu wenig sind?

Und welches Wort könnte einen Leidenden wirklich trösten, ihn aufrichten und ihm Kraft geben? Es besteht ja immer die Gefahr, ein „falsches Wort“ zu sagen. Oft gut gemeint, können „falsche Worte“ dann sehr wehtun, verletzen und Kraft kosten. Vor allem dann, wenn sie als billiger Trost empfunden werden. Vertröstungen trösten nie wirklich. „Kopf hoch!“ „Es wird schon wieder!“ Vielleicht mussten wir uns sowas auch schon zur Unzeit gefallen lassen…
Da kann ein tief empfundenes Schweigen viel mehr zum Ausdruck bringen. Wenn wortlos spürbar wird: ich bin da, ich halte aus… am Bett eines Schwerkranken, im Angesicht des Todes.

Ein Kreuzweg ist jedenfalls keine „gute Unterhaltung“. Da braucht es vielmehr Menschen, die mittragen: einen Simon von Zyrene. Menschen, die lindern, wie Veronika mit ihrem Schweißtuch. Menschen haben Jesus so wirklich weitergeholfen, nicht mit Worten, sondern durch ihre Tat. So konnte er durchhalten und bis zuletzt durchtragen. Dies ist vielleicht auch eine ehrliche Anfrage, wie wir unsere „Kreuzwegandachten“ begehen… Es geht beim Leid immer um echtes Mitgefühl. Das aber erwächst nur aus innerer Verbundenheit und eigener Erfahrung.

Und da stehen Frauen, die weinen. Warum und wozu eigentlich…? Auf dem Kreuzweg ist uns gerade einmal ein einziger Satz aus dem Munde Jesu überliefert. Der richtet sich an die weinenden Frauen von Jerusalem: „Töchter Jerusalems, weint nicht über mich; weint vielmehr über euch und eure Kinder!“ (Lk 23,28)
Jesus sagt nicht: „Weint nicht.“ Tränen sind erlaubt. Es ist gut, wenn Menschen noch weinen können. Aber wir müssen immer wieder unser Mitgefühl prüfen. Warum weine ich? Was ist der Grund meiner Tränen? Ist es Mitleid oder Selbstmitleid? Ist es Schmerz aus Liebe?
Das Wort Jesu an die weinenden Frauen ist ein Zeichen seiner Aufmerksamkeit und eine öffentliche Erklärung für den Grund seines Kreuzes, das er trägt für sie und für ihre Kinder und damit auch für uns.

Mehr als viele Worte sagt sein Kreuz. Ein Blick genügt. In seinem Kreuz vereinen sich die unzähligen Kreuze der Menschen zum Kreuz der gesamten Menschheit. Vom Unverständnis über die Ablehnung bis hin zur ungerechten Verurteilung. Im Hohn und Spott, in der körperlichen Gewalt bis zu den Nägeln am Kreuz. In seinem Schmerz, der Verzweiflung und der Verlassenheit. Und wir erkennen das Kreuz Gottes für den Menschen. Es trägt Gewaltverzicht und Vergebung, Glaube und Vertrauen, Liebe und Hingabe. Dieses Kreuz erlöst. „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung!“ verkünden wir darum auch in der Totenlitanei.

Der Johanneische Christus
Der leidende Gottesknecht im Buch des Propheten Jesaja wird als ein Vorausbild auf den leidenden Gottessohn gesehen. Und Psalm 22 „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ wurde als Gebet dazu verstanden. Gerade in der Gotik finden sich ergreifende Darstellungen für dieses unsagbare Leid im Geißelheiland und in dem gemarterten Corpus Christi, der am Kreuz für uns geblutet hat. Die Qualen einer Kreuzigung waren auch unermesslich.

Im Gegensatz dazu beschreibt der Evangelist Johannes die Passion anders und sieht Jesus als ihren Souverän. Der eigentlich Handelnde ist er, der Herr, nicht die anderen. Und am Ende wird er sagen können: „es ist vollbracht!“ (vgl. Joh 19,30). Die Kreuzesdarstellungen der Romanik greifen den „Johanneischen Christus“ auf und stellen uns Jesus am Kreuz dar als den erhöhten Herrn. Jesus hängt nicht am Kreuz, er steht dazu. Er, dessen Königtum nicht von dieser Welt ist, thront dort. Und sichtbar wird seine Macht: die Macht der Liebe.

Dies bahnt sich schon im Voraus an. In der Begegnung mit Pilatus. Jesus begegnet uns nicht in der Position des Angeklagten. Jesus bestimmt die Verhandlung. Und es ist Pilatus, der sich seine Gedanken macht über Jesu Reden und sein Schweigen. Es ist Pilatus, den es immer wieder hin- und hertreibt zwischen Jesus drinnen und dem Volk da draußen, das nur eines fordert: Jesu Tod. Hier seien nur zwei Verse aus der hochdramatischen Begegnung zwischen Jesus und Pilatus zitiert: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde… Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18, 36 f).

Die Frage des Pilatus dagegen wirkt ratlos: (Joh 18,38) Jesus hat darauf seine Antwort den Seinen schon längst gegeben: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ (Joh 14,38). Er ist der Weg, der in Wahrheit zum Leben führt (vgl. Joh 14, 6).

Die letzten Worte Jesu am Kreuz
Trauernde sind Suchende. Im Angesicht des Todes liegt das Leben offen. Und ist es nicht so? Nach dem Tod suchen Angehörige in ihrer Trauer nach letzten Begegnungen, nach letzten Worten… Trauernde sind Suchende. Und auch diese Frage sei erlaubt: Welches Wort möchte ich einmal mit meinem letzten Atemzug sprechen? Wie möchte ich einmal sterben? Das Gebet um eine gute Sterbestunde sollten wir nie vergessen.

Die letzten Worte Jesu am Kreuz wurden seit jeher als sein Testament verstanden. Als kostbares Vermächtnis. Es sind aufmerksame Worte der Verbundenheit und Fürsorge, Worte des Gebets. Jedes Wort ist wichtig, eine eigene Betrachtung wert, wie sie die vielgeübte „Andacht von den sieben Worten Jesu am Kreuz“ zum Ausdruck bringt. Lassen wir sie darum einzeln auf uns wirken:

 „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34)
Jesu erstes Wort ist ein Gebet um Vergebung. Seine Bitte um Erbarmen wendet Jesus nicht auf sich an, sondern denen zu, die seine Zuwendung am meisten brauchen, weil sie ihn ans Kreuz gebracht haben. Sie haben sein Kreuz am allernötigsten.

„Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43).
Nach einer Bitte Jesu folgt die Erhörung einer Bitte durch ihn. Hatte er nicht versprochen: „Wer bittet, der empfängt“ (Mt 7, 8)? Wie schon bei der ersten Bitte wird auch hier eines deutlich: Jesu Leiden macht unmittelbar Sinn – schon im Angesicht seines Todes. Da wird offenbar ein Sünder heilig gesprochen, weil er aus tiefstem Herzen bereut.

„Frau, siehe, dein Sohn! Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26-27)
Es tut gut zu sehen, dass Jesus am Ende nicht menschenverlassen sterben musste. Der Kreuzweg ist bis zum Ende ein Schauplatz äußerster menschlicher Grausamkeit, aber auch Begegnungsort einer Liebe, die bis zum Äußersten geht. Dafür standen Simon von Zyrene und Veronika, dafür stehen jetzt stellvertretend Maria und Johannes ein. Und immer er: Jesus. So werden dann auch Worte vertrauter, fürsorglicher Liebe möglich.
„Keiner von uns lebt sich selber, keiner von uns stirbt sich selber“, wird Paulus in seinem Brief an die Römer schreiben. Und weiter: „Ob wir leben oder ob wir sterben. Wir gehören dem Herrn. (Röm 14, 7 f.) Wem Jesus gehört, das hat er immer deutlich gemacht: Gott und den Menschen.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34)
Das vierte Wort Jesu am Kreuz ist wieder ein Gebet. Scheinbar in äußerster Gottverlassenheit betet er Psalm 22. Jesus kennt diesen Psalm auswendig. Er stimmt den Psalm an und hört gewiss nicht auf, ihn zu beten. Er klammert sich an die Worte dieses Gebets und kämpft sich durch die tiefsten Abgründe des Leids. Wer den Psalm 22 durchbetet, findet die ganzen Abgründe der Passion Jesu wieder. Aber er wird wie er daraus hervorgehen in der tiefen Zuversicht, mit der dieser Psalm endet: „Sie werden sein Tun den später Geborenen künden. Denn er hat es vollbracht“ (Ps 22, 32).

„Mich dürstet!“ (Joh 19,28)
Ein durch und durch menschliches Verlangen. Und doch geht es bei diesem Durst um mehr, um einen anderen Durst. Den Durst, den Willen des Vaters zu vollenden. So wie es Jesu Speise war, den Willen des Vaters zu tun (vgl Joh 4, 34).

„Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30)
Ein Wort, das wie ein langersehntes inneres Aufatmen wirkt. Da hat es einer am Ende wirklich geschafft und am Ende vollbracht. Nein, Jesus ist nicht zu Tode gebracht worden. Er hat uns das Leben gebracht. Dass das Kreuz nicht das Ende ist, wird in diesem Wort Jesu schon ganz lebendig spürbar. Am Ende sind wir durch ihn erlöst.

„Vater, in Deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46).
Jesu letztes Wort ist ein Wort des Vertrauens, des Anvertrauens. Dieses Vertrauen freilich ist zuvor gewachsen, es wurde geprüft und hat bis zum Ende getragen.
Wie wir am Ende einmal sterben werden, liegt auch in unseren Händen. Ob wir unsere Hände im Leben immer wieder vertrauensvoll falten, um sie dann im Sterben vertrauensvoll für immer zu öffnen.

 „Wenn ich einmal soll scheiden…“ Ein hoffnungsvoller Ausblick
Und wie wird es einmal sein, wenn wir sterben. Was geschieht iom Tod. Was kommt danach? Auf diese Frage gibt die Begegnung Jesu mit Marta eine große Antwort. Jesus ist endlich in Betanien angekommen. Lazarus liegt schon 4 Tage im Grab (vgl. Joh 11, 17). Die Trauer aber lebt. Auch Jesus kommen die Tränen. Marta wendet sich an ihn: „Herr wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles worum du Gott bittest, wird Gott dir geben“ (Joh 11, 21). Im Angesicht solchen Vertrauens spricht Jesus nun die allesentscheidenden Worte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder, der an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?“ (Joh 11, 25 f). Martha antwortet darauf mit einem klaren „Ja“: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh 11, 27).
Glauben auch wir das wirklich? Darauf kommt es letztlich an! Denn, wenn wir diese Worte Jesu wörtlich nehmen, und das dürfen wir, dann ergibt sich ja eine ganz neue, durch und durch lebendige Sichtweise auf den Tod.
Und die ist eigentlich nur logisch-konsequent: Als Christen wurden wir alle getauft auf den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Wir sind hineingetaucht in sein Sterben und aufgetaucht in sein ewiges Leben. („Taufen“ kommt nicht von ungefähr von  „Tauchen“!)
Damit aber ist der Tod offenbar nicht mehr das Ende. Was bringt Sterben dann? Es ist ein Übergang in eine andere Daseinsweise. So wie wir in unserem irdischen Leben im Dasein Gottes sind -sonst wären wir nicht da-, so sind wir auch nach unserem Tod im Dasein Gottes. Wir können nicht herausfallen aus dem Dasein Gottes. Bei Gott geht auch nichts verloren. „Nichts“ gibt es ja auch nicht.
Vielmehr geben wir das Leben wieder zurück in die Hände dessen, der es uns in die Hand gegeben hat… und schauen es mit Gott an.

Ja, wir begegnen unserem Richter. Nur richtet Gott so, dass es mit uns gut und recht wird. Wenn wir am Ende zusammen mit Gott auf unser Leben schauen, gehen uns wohl allen die Augen auf. Vielleicht ist es wie mit einem Bild, das unser Schöpfer für jeden von uns einmalig erdacht hat. Das er uns dann zur Ausführung anvertraut hat. Und wir haben es versucht. Und es ist uns gelungen – mehr oder weniger gut. Einiges wird wohl zu retuschieren sein. Anderes ist hingegen ganz gut gelungen. Wir werden am Ende wohl staunen, wer wir eigentlich sind – von Gott her gedacht.

Dass wir den Weg in die Ewigkeit schaffen, teilnehmen am himmlischen Gastmahl, darum hat Jesus in seinen Abschiedsreden inständig gebetet: dass keiner von denen, die der Vater ihm gegeben hat, verloren geht: „Vater, ich will, dass dort, wo ich bin, auch sie bei mir seien. Damit sie meine Herrlichkeit schauen, die Du mir gegeben hast, weil du mich geliebt hast vor Erschaffung der Welt“ (Joh 17, 24).

Jesus hat Lazarus von den Toten auferweckt, zurückgeholt in das irdische Leben. Nach seiner Auferstehung aber wird es möglich, dass wir alle durch ihn, den auferstandenen Herrn, auferweckt werden zu ewigem Leben. Das ist das Entscheidende im Blick auf Sterben und Tod Jesu – und dann auf den Tag und die Stunde, da wir einmal gehen, um für immer anzukommen bei Gott.

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