Karriere nach unten
Karriere nach unten
Gedanken zum Evangelium am 25. Sonntag i. Jahreskreis (Mk 9, 30-37)
Wissen Sie noch, worüber Jesus mit seinen Jüngern eingangs gesprochen hat? Genau: Dass er den Menschen ausgeliefert und getötet werde… Um ihnen das im Vertrauen zu sagen, hat er seine Jünger eigens beiseite genommen.
Und die Jünger? Sie verstehen ihn nicht, fragen auch nicht nach und sind gleich bei einem ganz anderen und offenbar viel wichtigeren Thema: Wer unter ihnen der Größte ist. Sympathisch finde ich, dass uns der Evangelist Markus diese Stelle nicht vorenthalten hat. Denn ein Ruhmesblatt für die Jünger ist es bestimmt nicht. Aber zugleich auch so menschlich.
Groß rauskommen!
Dieses „Größerwerdenwollen“ scheint in vielen Menschen fest drinzustecken. Bei Kindern natürlich. Und Mama und Papa holen immer wieder den Meterstab… Aber wenn man dann ausgewachsen ist. Was dann? Dann wollen Viele weiter wachsen. Nicht mehr in Zentimetern. Aber auf der Karriereleiter oder in ihren Bankguthaben. Wachsen an Einfluss und Macht. Eben groß rauskommen. Die haben es am Ende doch geschafft. Das ist menschlich. Allzu menschlich.
Aber mal ehrlich! Wieviel Größe bleibt noch übrig, wenn man als Topmanager auf einmal in U-Haft sitzt? Wieviel hört man noch von denen, die einmal das große Sagen hatten, wenige Jahre nach ihrer Verabschiedung? Und wieviel Glanz und Glamour haben in einer Urne am Ende Platz?
Wie gut, dass wir Sonntag für Sonntag das Wort Gottes hören. Wir kommen zum Nachdenken und hoffentlich auch zum Umdenken. Denn Gott denkt in vielen Dingen anders. Auch was die „Größenordnung“ betrifft. Sonst wäre er wohl nie Mensch geworden. Er wäre groß geblieben. Unantastbar, unerreichbar, hoch erhaben. Gewissermaßen ein „Allah hu akba“, der allenfalls seinen Propheten schickt. Aber den staubigen Erdboden dieser Welt selbst nie betreten hätte.
Aber unser Gott macht sich klein. Das nenne ich groß. In Jesus Christus tritt er eine beispiellose Karriere an, die ganz nach unten führt. Im Philipperhymnus beschreibt Paulus diese Karriere so: „Jesus Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ (Phil 2,6 f.).
Wahre Größe kommt von unten
Damit wissen wir Christen auch, wo´s eigentlich langgeht: Wahre Größe kommt immer von unten. Das gilt für jeden einzelnen Christen. Und auch für die Kirche insgesamt. Es ist schon bedauerlich, dass in unserer Zeit die Kirche in der Öffentlichkeit oft so anders wahrgenommen wird. Von Institution, Macht und Apparat ist die Rede, von Besitzständen und Geld. Das tut weh!
Aber die Kirche ist kein Machtapparat, sondern eine Gemeinschaft von Menschen, die an Christus glauben und sich von ihm für Gott gewinnen lassen. Und vor allem: die Kirche ist seine Kirche. Er, Jesus Christus, ist das Haupt. Jesus bestimmt den Kurs!
Und er ist gekommen, „nicht um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Daraus folgt: Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts. Aus diesem Grund trägt der Papst seit Gregor dem Großen den wunderschönen Titel: „Diener der Diener Christi.“
Neben der Macht wird der Kirche hierzulande immer wieder auch ihr Geld vorgehalten. Nicht zuletzt wegen der Kirchensteuer sind im vergangen Jahr 167.000 Katholiken und 200.000 Protestanten ausgetreten.
Geld muss die Kirche immer rechtfertigen. Und das kann sie auch:
Die Katholische Kirche in Deutschland unterhält
- fast 10.000 Kindertagesstätten,
- 370.000 Schüler besuchen katholische Schulen,
- In katholischen Krankenhäusern stehen über eine Million Betten bereit.
- Über eine halbe Million Menschen arbeiten bei der Caritas
- Und allein im Bistum Augsburg gibt es über 1000 Pfarreien mit mehr als 3000 Kirchen.
All das kostet viel Geld und die Kirchensteuer dürfte wohl die am sinnvollsten verwendete Steuer sein.
Und doch bleibt die Frage: wieviel Geld braucht die Kirche? Wieviel Geld tut der Kirche gut? Jesus hat selbst einfach gelebt. Er besaß keine Immobilien. Er hat auch keine Bildungseinrichtung unterhalten, kein Lehrhaus, wie es damals durchaus üblich war. Einmal sagt er sogar: „Der Menschensohn keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt. 8,20). Und seine Jünger hat er mit nichts losgeschickt. Und doch haben die ersten Christen unglaublich viel bewegt. So und nicht anders hat die Kirche angefangen. Ist das nicht bemerkenswert?!
Geld in der Kirche stellt immer die Gefahr einer gewissen Verweltlichung dar. Weniger Geld fordert zumindest mehr Überzeugung. Und auf die innere Überzeugung kommt es im Glauben an. Finanzkraft ersetzt nicht Glaubenskraft.
Die deutsche Kirche gilt als eine der reichsten weltweit und ist zugleich doch arm dran. Das sollte uns zu denken gaben! Die armen Kirchen sind eigentlich die wirklich reichen. Ich erinnere mich noch gut an eine Begegnung mit Father Paul, Sekretär des Bischofs von Ho. Er bedankte sich für die finanzielle Unterstützung durch die deutsche Kirche. Aber ich habe auch ihm gedankt, für die Glaubenskraft und Glaubensfreude, die gerade die jungen armen Kirchen einbringen.
Die Kirche fängt immer mit uns an
Leider ist in den Medien gerade nicht viel Gutes über die Kirche zu vernehmen. Aber wenn wir ehrlich sind: Wo erleben wir Kirche? Vor Ort! Und wie erleben wir Kirche? Nicht als Apparat, sondern als lebendige Pfarrgemeinde. Und wir sind dankbar für alle, die ihren Glauben leben und sich einsetzen. Darauf kommt es auch an. Dass wir uns von Jesus immer wieder ansprechen lassen und uns nach ihm richten. Er hat uns den Glauben vorgelebt.
Wenn er uns heute gesagt hat, dass wir nicht hoch hinaus sollen, sondern uns lieber tief hineinknien, dann ist das ein interessanter Gedanke. Ein Gedanke, der durchaus entlastet vor unnötigen Anstrengungen. Ein Gedanke aber auch, der uns davor bewahren will, in die falsche Richtung zu wachsen. Bei Gott kommen wir nur dann groß raus, wenn wir uns hineingekniet haben. Bereit, Gott und den Menschen zu dienen.
Dafür wollen wir uns immer wieder neu motivieren. Und damit unseren Beitrag leisten für eine glaubwürdige Kirche. Und die beginnt immer zuerst bei uns selbst.
Zum Schluss stellt Jesus ein Kind in die Mitte. Und wir ahnen alle, warum. Kinder rechnen anders als Erwachsene. Kinder rechnen nicht vor und auch nicht ab. Eigentlich rechnen Kinder gar nicht… Dafür können Kinder umso mehr lieben. Amen.