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Schön, dass Du da bist!

Schön, dass Du da bist!
Gedanken zum Fest Kreuzerhöhung mit unserem Liab´n Herrgöttle von Biberbach
von Stefanie Justus und Pfarrer Ulrich Lindl

Schön, dass Du da bist!
Denn wenn Du, liab´s Herrgöttle,  nicht da wärst, wären wir nicht hier.
Wir feiern das Biberbacher Wallfahrtsfest, und das verdanken wir Dir. Du warst schließlich der erste Wallfahrer, der hierher nach Biberbach gekommen ist. 1525 hat Dein Pferdegespann am Kirchberg halt gemacht, nichts ging mehr weiter. Offenbar wolltest Du unbedingt hierbleiben. Und Du bist bei uns geblieben. In guten und in schweren Tagen.
Seither sind fast fünfhundert Jahre ins Land gezogen. Wie viele Menschen sind unterdessen zu Dir gekommen. Und alle waren sie mit Dir, unserem Liab´n Herrgöttle, gleich auf Du und Du.
Die Menschen haben Vertrauen zu Dir, ja noch mehr, Sei haben Dich wirklich lieb gewonnen. Und wir sind fest zusammengewachsen. Biberbach wäre ohne Dich nicht Biberbach. Schön dass Du da bist! –

Das Fest Kreuzerhöhung ist sein und unser Wallfahrtsfest.
Jesus hängt nicht am Kreuz er steht am Kreuz zu uns.
Heute tun sich nicht wenige Menschen schwer mit dem Kreuz. Das Herrgöttle von Biberbach hilft beim Verstehen.
Sehen wir nur, wie uns das Liabe Herrgöttle empfängt! Und versuchen wir ihn, ebenso zu empfangen:
Schauen wir ihn an mit offenen und ehrlichen Augen.
Leihen wir ihm unser Ohr.
Machen wir unsere Arme weit auf und öffnen ihm dann noch unser Herz.
Und unserer Begegnung mit ihm steht nichts mehr im Wege.

Ein Blick zurück aus der Sicht des Liab´n Herrgöttle von Biberbach
Wir kennen uns.
Unsere Blicke haben sich schon oft getroffen.
Ich bin immer da. Seit bald 500 Jahren hier in Biberbach.
Ich bin da und die Menschen kommen und gehen.
Manchmal sehe ich sie nur einmal flüchtig. Ich begegne ihnen an anderen Orten wieder.
Aber meine Biberbacher sehe ich immer wieder. Und ich kenne euch gut.
Ich weiß, wie du kommst und was du wieder mitbringst.
Und ich sehe dich wieder gehen zurück in deinen Alltag.
Ich bleibe da und begleite dich und erwarte dich wieder.
Ich hoffe, es tut dir gut, dass ich für dich da bin und für dich da bleibe.
Heute möchte ich dir erzählen, wie es mir ergangen ist. In all den Jahren hier in Biberbach.

1220               Entstehung des Kreuzes
Um 1220 schuf irgendwo im Württembergischen ein wohl sehr gläubiger Bildhauer dieses überlebensgroße Kreuz. Es ist die Zeit der Romanik. Christus hängt nicht als Leidender am Kreuz. Er steht fast aufrecht, seine Augen sind offen, uns zugewandt. Vom Kreuz aus begegnet uns der erhöhte, lebendige Herr. Dieses monumentale Kreuz hing ursprünglich als Triumphkreuz am Chorbogen einer großen Kirche.

Ja, so bin ich vor bald 800 Jahren entstanden. Und ich danke dem Menschen, der mich damals aus Holz so gestaltet hat. Mich und mein Kreuz. Nicht leblos am Ende, sondern ganz lebendig da für die Menschen. Danach wurde ich erhöht, aufgerichtet in einer großen Kirche. Nicht, damit ich auf die Menschen herabschaue, sondern damit Menschen zu mir aufschauen können und innerlich aufgerichtet werden. Gerade Menschen, die selbst ein schweres Kreuz tragen, spüren, wie gut so etwas tut: Nein, Ich nehme dir dein Kreuz nicht ab, aber vertrau mir, ich trage mit! Mehr muss ich wohl nicht sagen. Ein Blick genügt.

1525   Weg nach Biberbach
1525 tobte in Württemberg ein Bauernkrieg. Die Bauern wehrten sich gegen die Unterdrückung durch weltliche und kirchliche Fürsten. Sie plünderten und zerstörten Burgen und Klöster. Zu dieser Zeit war ein Fuhrmann aus dem Bayerischen unterwegs, um Wein in Württemberg zu kaufen. Dieser fand dort das Kreuz in einem Straßengraben, lud es auf und versteckte es unter der Plane auf seinem Wagen. Mit seinem Pferdegespann kam er aber nur bis an den Kirchberg von Biberbach. Hier wollten die Pferde keinen Schritt mehr weiter. Das Kreuz wurde abgeladen und in der Vorgängerkirche an einem Pfeiler geheftet.

Weißt du, was mir am meisten in der Seele weh tut? Dass ich manchmal nicht verstanden werde. Nicht der Dreck im Straßengraben hat mir wirklich etwas  ausgemacht. Sondern die Gewalt, mit der ich dorthin gebracht wurde. So viel Gewalt hat mich ans Kreuz gebracht. Aber mit noch mehr Gewalt wurde ich auch immer wieder vom Kreuz heruntergerissen. Oder einfach abgehängt, wie man heutzutage immer wieder fordert. Warum können manche Menschen mein Kreuz nicht ertragen, das ich doch allein für euch Menschen getragen habe? Verstehst du das? Gewalt hat mich ans Kreuz gebracht. Aber aus Liebe habe ich das Kreuz auf mich genommen. Mensch versteh´ doch meine Liebe, versteh sie bitte richtig!
In Biberbach angekommen wollte ich hier bleiben. So gesehen bin ich eigentlich der erste Wallfahrer, der zu Euch nach Biberbach gekommen ist.

1616 Jahre auf dem Dachboden
1616 wurden in der Biberbacher Kirche größere Umbauten vorgenommen. Zu seinem Schutz wurde das Kreuz zuerst im Stadel der Schule, dann unter das Dach der alten Kirche gebracht. Zwei Jahre später brach der 30-jährige Krieg aus. Pfarrer Zusamschneider war damals Pfarrer hier. Als wieder marodierende schwedische Truppen durch die Lande zogen, versteckte sich der Pfarrer auf dem Dachboden der Kirche. Weil er das Kreuz schützen wollte, schleiften die Soldaten ihn nach Achsheim, wo sie ihn erschossen.Das geschändete Kreuz verstauten die wenigen Leute, die noch übrig waren, wieder auf dem Dachboden.
Am Laurentiustag 1654 schlug der Blitz in den Kirchturm. Dabei kamen die Mesnerin Ursula Bschorin und ihre Tochter Elisabeth ums Leben. Da erinnerten sich ältere Biberbacher an das Kreuz. Es wurde vom Dachboden geholt, renoviert und kam 1655 wieder in die Kirche, ziemlich hoch an der südlichen Seitenwand.

In Biberbach wollte ich bleiben und war fürs Erste gut aufgehoben. Aber damals wie heute auch immer wieder mittendrin im Krieg, in Elend und Not. Wie viele Kirchen werden heute niedergebrannt. Menschen verfolgt und ermordet. Ich sehe es mit eigenen Augen, bin immer mittendrin.
Bei Umbaumaßnahmen wurde ich auf den Dachboden gebracht und dort für einige Zeit vergessen. Das war kaum auszuhalten für mich. Zwar in Sicherheit, aber so weit weg von den Menschen… Kannst du dir das vorstellen?
Immer habe ich Menschen gebraucht, die mir geholfen haben zu wirken. In Anton Ginther habe ich so einen gefunden. Es war Liebe auf den ersten Blick. Und wir haben immer fest zusammengehalten.

1679   Beginn der Wallfahrt und Kirchbau
Antonius Ginther war ein sehr begabter junger Mensch, aber aus ärmlichen Verhältnissen. Deshalb ließ ihn die Familie Fugger studieren und verköstigte ihn. Weil den Fuggern Biberbach gehörte und sie das Patronatsrecht besaßen, erhielt er nach der Priesterweihe die Pfarrstelle in Biberbach. Ihm fiel das Kreuz in der Kirche sofort auf und er betete wohl oft davor. Er selbst berichtete, dass seine jahrelangen Beschwerden wegen eines Leistenbruchs allein durch das Gebet verschwanden. Das flocht er sicher in seine Predigten ein und bestärkte die Menschen, Vertrauen zu dem Kreuz zu haben.
Im November 1680 predigte zudem der italienische Kapuziner Marco d´Aviano in Augsburg. Neben unzähligen Menschen ließ sich auch Pfarrer Ginther von ihm begeistern. Er errichtete für das Kreuz ein Kreuzaltärchen. Am Fest des Apostels Andreas 1681 wurde dort ein erster Gottesdienst gefeiert. Unter den zahlreichen Mitfeiernden waren auch 70 Personen, die unter Eid bezeugten, dass sie allein durch Opfer und Gebet von ihren Leiden geheilt worden waren.
Wegen der vielen Wallfahrer wurde die Kirche bald zu klein. Im April 1684 begann man mit dem Bau der jetzigen, Kirche. Sie wurde am Ende doppelt so groß.
1685 pilgerte Pfarrer Ginther zum ersten Mal nach Rom zu Papst Innozenz XI. Er hoffte, dass er finanziell unterstützt würde. Das war nicht der Fall. Dafür erhielt er eine Urkunde über eine Heilig-Kreuz-Bruderschaft und brachte zudem fünf Katakombenheilige mit. Als diese in den Seitenaltären beigesetzt waren, brachten sie doch die nötigen Gulden, weil die vielen Wallfahrer ihr Opfer in „den Stock“ fallen ließen. Und so haben das meiste für den Bau der Kirche die Wallfahrer beigetragen, sagte Ginther.

Weißt du, was mich am meisten freut? Dass so viel gelingen kann, wenn wir fest zusammenhalten und zusammenschaffen. Wie viele Bedenken hat Antonius Ginther zu hören bekommen. Aber ohne „wenn und aber“ hat er ganz einfach an mich geglaubt und sich eingesetzt. Der Glaube vermag unglaublich viel!
Darauf kommt es letztlich an: dass Menschen ihren Glauben schenken, mit vertrauen, mir viel zutrauen. Gerade in Biberbach konnte ich das beweisen. Äußerlich sichtbar in einer prächtigen Wallfahrtskirche… Aber noch viel mehr in dem, was Menschen an Heil erfahren haben für Leib und Seele.
Der Selige Marco d‘Aviano hat mich gut verstanden und die Botschaft meines Kreuzes in vielen Ländern- drei Mal auch in Augsburg- verkündet. Vor allem hat er im Zeichen des Kreuzes gesegnet und geheilt. Dabei hat er immer die Worte gesprochen, die ich dir jetzt sage:

„Gott segne dich, Er behüte dich, Er sei dir gnädig!
Er wende dir sein Antlitz zu und gebe dir Frieden!
Der Herr segne dich und befreie dich von all deinen Leiden
gemäß deinem Glauben, denn alles vermag, wer glaubt!“

18. Jahrhundert – Höhepunkt der Wallfahrt
1725 bereitete Antonius Ginther noch die 200-Jahrfeier für das Kreuz vor, starb aber im Frühjahr. In der Festwoche wurden 342 Messen gelesen und mehr als 23 000 Kommunionen ausgeteilt.
Johann Joachim Keller kam nach dem Tod Ginthers als Kaplan nach Biberbach, hatte also diese Festwoche miterlebt. 1741 war J. J. Keller als Pfarrer wieder nach Biberbach gekommen, nachdem ihm selber eine Heilung widerfahren war. Bald verringerte sich jedoch der Zulauf der Wallfahrer. Was war geschehen? Violau hatte von Oberschönenfeld einen Katakombenheiligen geschenkt bekommen. Keller musste etwas tun. So ließ er in der Kirche neuen Stuck anbringen, die Fresken neu malen, viele Figuren  anbringen, die Beichtstühle einbauen. Und er hatte Erfolg. Die Wallfahrer kamen wieder in so großen Zahlen, dass er mehr Kapläne brauchte. Deshalb ließ er den jetzigen Pfarrhof bauen, in dem oft acht und mehr Kapläne wohnten. Er selbst musste allerdings weiterhin im baufälligen Pfarrhof im Dorf unten wohnen.
Die Kirche wurde auch in Abständen renoviert, vor allem wurde auch das Kreuz immer wieder neu gefasst. Vermutlich wurden ihm in der Barockzeit die Augen geschlossen, weil zu der Zeit der leidende Herr am Kreuz üblich war.

Wie du gehört hast: es hat sich viel ereignet in den letzten 300 Jahren. Reden wir nicht von Äußerlichkeiten, vom neuen Stuck, der ist natürlich herrlich. Aber der schönste Kirchenschmuck sind die Menschen, die hier mit mir zusammenkommen. Es sind die inneren Bewegungen der Menschen, auf die es mir ankommt. Das, was dich wirklich berührt!
Es gab Zeiten, da haben sich so viele Menschen bewegen lassen, und es gab Zeiten, da ging scheinbar nur wenig. Als Herrgöttle braucht man nicht nur einen liebevollen Blick, sondern auch Geduld mit den Menschen und einen langen Atem. Und viel guten Willen obendrein. Aber das steht ja bereits in meiner Geburtsurkunde von Betlehem: „Friede auf Erden und den Menschen, die guten Willens sind!“ Solchen Menschen bin ich hier in Biberbach immer wieder begegnet. Und vielleicht spürst auch du: in dieser Kirche herrscht viel guter, heiliger Geist. Den verdanken wir all den Menschen, die hierher gekommen sind, um zu beten. Ja, diese Kirche ist durchgebetet. Ein echter Wallfahrtsort. Und dass ich jetzt wieder aus meinen Augen herausschauen kann, ermöglicht dir einen heilsamen Augenblick mit mir. Schauen wir gut aufeinander!

1957              bis heute
1957 war die vorletzte große Renovierung. In den Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in München wurden mehrere Farbschichten des Kreuzes vorsichtig entfernt bis zu einer gotischen Schicht. Und siehe da! Unser „Herrgöttle von Biberbach“ schaute uns nun plötzlich wieder an.
Bis heute ist das Liabe Herrgöttle nicht vergessen, wiewohl es viele irrtümlich nach Biberach verlegen. Auch wenn es viele Pilger heute zu den Marienwallfahrtsorten der Umgebung, nach Violau und Vesperbild zieht oder zu den großen Marienheiligtümern in Altötting, Fatima und Lourdes, hat das Herrgöttle seine Anziehungskraft nicht verloren. Auch in unserer Zeit machen sich alljährlich 20 Pilgergruppen auf den Weg zu ihm. Viele Radler und Durchreisende machen bei ihm eine geistliche Rast. Und da sind seit jeher ungezählte Pilger, die auf ihrem Pilgerweg in Richtung Santiago de Compostela in unserer Wallfahrtskirche einkehren. Für sie alle hat unser Herrgöttle ein offenes Ohr. Das bezeugen die vielen Anliegen, die sich in so vielen Sprachen in unserem Fürbittbuch finden. Und nicht weniger Dankesworte zeigen, dass das Liabe Herrgöttle auch heute noch das Vertrauen der Menschen, die zu ihm kommen, nicht enttäuscht.
Der große Christus von Biberbach ist unser liab‘s Herrgöttle. Er ist uns anvertraut und wir ihm. Wir brauchen ihn und er braucht uns. Und doch ist unser Herrgöttle ein Heiland für alle, die zu ihm kommen, weil sie spüren: In Jesus Christus ist Gott wirklich mit uns.

 

Gebet zum Liab´n  Herrgöttle
Liab´s  Herrgöttle von Biberbach,
Du bist ganz Liebe und jeder darf zu Dir kommen.
Du bist auch mein „Herrgöttle“,
ein Gott voll Barmherzigkeit,
der immer wieder die Möglichkeit schenkt, neu anzufangen.

Mit Deinen weit geöffneten Augen blickst Du in die Tiefen meiner Seele.
Du nimmst mir ab, was ich alleine nicht tragen kann.
Du löst mich heraus aus all dem,
was mein Leben gefangen nimmt und meine Seele beschwert.
Du löst mich, Du erlöst mich.
Ich danke Dir für das Geschenk meiner Erlösung,
durch Dein Kreuz, das Du auch für mich getragen hast.

Du stehst fest am Kreuz.
Ich bitte Dich, hilf mir auch weiterhin,
zusammen mit Dir das Kreuz des  Alltags zu tragen.

Liab´s Herrgöttle von Biberbach,
Du hast auch offene Ohren.
Du hörst mir zu. Bitte erhöre mich in meinen Anliegen,
die ich Dir jetzt in einer Zeit der Stille anvertrauen möchte.…….

Auch bitte ich Dich um Hilfe für meine Angehörigen,
für all die Menschen, die sich meinem Gebet anvertraut haben
und für alle Pilger, die unterwegs sind zu Dir.

Danke für Dein Entgegenkommen!
In der Begegnung mit Dir weiß ich mich gut aufgehoben;
geborgen bin ich in Deinen offenen Armen.

Amen

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