Lieder ohne Gesang
Lieder ohne Gesang
Gedanken zum 3. Advent
Was macht den Menschen zum Menschen? Oder anders gefragt: was unterscheidet den Menschen von anderen Lebewesen? Ich denke: Der Mensch kann über sich selbst nachdenken. Er kann sich auf die Suche nach dem Sinn seines Lebens machen. Und: der Mensch kann sprechen.
Wir machen uns mit dem Wortschatz unserer Sprache verständlich. Daran hat sich auch Gott gehalten. Das Wort ist Fleisch geworden. Mit diesen Worten beschreibt der Evangelist Johannes die Menschwerdung Jesu Christi.
Es gibt eine „Wortwahl“. Wir Menschen haben eine große Auswahl an Worten. Es lohnt sich auf die Wortwahl zu achten. Denn Worte sollen ansprechen. Und: Worte wollen wirken. Was sind meine Lieblingsworte?
Wir verstehen, warum es so wichtig, die eigene Sprache zu erlernen, sich mit dem eigenen Wortschatz vertraut zu machen. Mit unserer Muttersprache. Und die beginnt nicht von ungefähr meist mit dem Wort „Mama“ – dicht gefolgt von „Papa“. Aber auch Fremdsprachen sind hilfreich. Sie helfen uns, über Grenzen hinweg mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.
Mit Sprache teilen wir Inhalte mit. Dabei ist Kommunikation immer das, was ankommt. Es kommt deshalb nicht alleine darauf an, was wir sagen, sondern auch wie wir es sagen.
Im Advent begegnet uns immer wieder Johannes der Täufer. Er ist die „Stimme in der Wüste“. Sein Erscheinungsbild fasziniert, seine Botschaft fordert heraus. Wie mag wohl seine Stimme geklungen haben? Und wie mag wohl der Engel Gabriel seinerzeit Maria angesprochen haben, um ihr Vertrauen zu gewinnen…?
„Der Ton macht (bekanntlich) die Musik.“ Interessanterweise beziehen wir diese Lebensweisheit auf den Umgang mit Sprache. Vielleicht auch deshalb, weil Musik keine Grenzen kennt. Musik hilft über Grenzen hinweg. Joseph Haydn jedenfalls hat einmal recht selbstbewusst formuliert hat: „Meine Sprache versteht die ganze Welt.“
Musik verbindet auf jeden Fall. Auch wenn wir vielleicht nicht immer verstehen, was wir singen, wir spüren es. Die Sprache der Musik immer kommt an, wenn sie unser Herz berührt. Auch in der Liturgie singen wir – und das in vielen Sprachen. In Deutsch, in Latein, auf Englisch, in Französisch… Musik ist die Sprache des Glaubens.
Und wir singen gern. Gerade im Advent. Und doch dürfen wir in diesem Gottesdienst nicht singen. Das lädt uns ein, den Liedern einmal zuzuhören. Und wir vernehmen vielleicht mehr als sonst ihre Botschaft. Und die ist schön! Nutzen wir die gegenwärtige Einschränkung durchaus als Chance, einmal den Inhalt der Lieder zu betrachten. Es lohnt sich! Und entdecken wir dabei zugleich die Melodie der Sprache, wenn wir sprechen. Das verleiht uns mehr Sprachgefühl.
Denn wie gesagt: viel kommt darauf an, wie wir sprechen. Gerade auch miteinander: Paare untereinander, Eltern mit ihren Kindern, Kollegen am Arbeitsplatz. Und gemeinsam im Gottesdienst. Immer wieder kommen ja unsere Antworten; oft antworten wir gemeinsam. Aber wie?
Der Herr sei mit euch! Und mit deinem Geiste!
Erhebet die Herzen! Wir haben sie beim Herrn!
Lasset uns danken dem Herrn, unserem Gott! Das ist würdig und recht!
Was für wunderbare Dialoge! Das klingt nach Musik…!
Freilich ist das Halleluja ein Jubel-Gesang, aber auch gesprochen kann es zum Lobpreis werden. Ein Sprech-Gesang.
Um all das besser zu vernehmen, lohnt es, sich selbst einmal beim Reden zuzuhören; das machen wir für gewöhnlich ja nicht… Wenn wir manchmal Tonaufnahmen von uns hören, sind wir darum ja oft ganz erstaunt: „Was so rede ich?“
Oft reden wir, um bei anderen Gehör zu finden, hören uns selbst dabei aber gar nicht zu. Das wollen wir jetzt im Gottesdienst einmal versuchen: Bei unseren Gebeten. Wie bekenne ich meinen Glauben? Wie spreche ich das Vaterunser?
Aber auch bei unseren Liedern, die wir ja zurzeit nicht singen dürfen. Und wir werden feststellen: auch gesprochen klingen unsere Kirchlieder musikalisch. Nehmen wir heute am „Gaudete“-Sonntag nur einmal das Lied „Wir sagen euch an den lieben Advent“. Mit den Drittklässlern habe ich es gestern beim Entzünden der Kerzen am Adventskranz gesprochen – und es klang fast wie gesungen. Kirchenlieder sind ja auch vertonte Gebete.
Haben wir bei allem Reden immer wieder auch Mut zum Hören. Das freilich setzt Mut zur Stille voraus. Aber es lohnt sich! Wir begegnen in der Messe ja auch einem, der uns wirklich was zu sagen hat. Stille schenkt Aufmerksamkeit und sie ist ein Zeichen der Liebe. Ja, die Stille ist die Sprache der Liebe – und schenkt dem Wort Gehör, damit es gut nachklingen kann….
Guter Gott, Du selbst bis Mensch geworden – und Dein Wort Fleisch.
Wir bitten Dich im Blick auf unsere Menschwerdung:
Hilf uns Menschen einen Wortschatz zu bilden, der ansprechend ist.
Schenke uns ein gutes Gehör für unser eigenes Reden.
Lass uns achten auf einen guten Ton in unseren Unterhaltungen.
Gibt und Mut zum Hören auf das, was du uns sagst.
Guter Gott, Worte wollen wirken.
Von Jesus Christus empfangen wir Worte ewigen Lebens.
Dafür danken wir Dir. Amen.