Liturgie für´s Leben – „Lieder des Glaubens“
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Liturgie für´s Leben – „Lieder des Glaubens“
Gedanken zum 3. Begegnungsabend von Pfr. Ulrich Lindl
Ein kurzer kirchenmusikalischer Überblick
Kirchenmusik – ist „musica scra“: „Sakralmusik“.
Der Begriff macht schon den besonderen Unterschied deutlich: es handelt sich nicht um weltliche Lieder und Tanz.
Die Sakralmusik sind Vokal- oder Instrumentalmusik die zur Aufführung im Gottesdienst bestimmt ist.
Ebenso wie es nicht sinnvoll ist, Sakralmusik im Konzertsaal aufzuführen, hat weltliche Konzertmusik nichts in Kirchen verloren.
Typische Formen der Kirchenmusik sind Messkompositionen, Choräle, Kantaten und einstimmige Kirchengesänge sowie instrumentale Vorspiele.
Geistliche Musik ist davon zu unterscheiden. Es handelt sich um Vertonungen geistlichen Inhalts, die aber nicht für eine Aufführung im Gottesdienst bestimmt sind (z. B. Oratorien).
Kirchenmusiker sind Chorleiter und Organisten.
Im NT finden sich nur wenige Hinweise zur Kirchenmusik. Die Gottesdienste wurden oft in Hauskirchen gefeiert. Eph 5, 19 sagt: „Lasst in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn!“ Daraus lässt sich schließen: Die Urkirche bedient sich der Psalmen und Hymnen, die auch im synagogalen Gottesdienst gebräuchlich waren. Zudem wird frei gesungen. Unter der Eingabe des Heiligen Geistes.
Nachdem die Kirche anerkannte Staatsreligion wird, findet der Kult in kirchlichen Gebäuden statt. Schon im 4. Jahrhundert wird dabei besonderer Wert auf liturgische Gesänge gelegt. Im Osten ist es v. a. der Heilige Basilius und im Westen der Heilige Ambrosius von Mailand. Er fördert Antwortgesänge („Antiphonen“) und die Komposition von Hymnen.
Neben regionalen Besonderheiten und Traditionen ergeben sich auch Veränderungen im Laufe der Zeit.
Neben der Ambrosianischen Liturgie bilden sich in den folgenden zwei Jahrhunderten Riten heraus, wie der römische, der Gallikanische, der mozarabische. Auch die Psalmenvertonung im benediktinischen Orden hat sein musikalisches Sondergut.
Papst Gregor fördert die Sammlung und Vereinheitlichung der Melodien und Texte. Sie werden unter der Bezeichnung „Gregorianischer Choral“ für die kommenden Jahrhunderte maßgeblich in der römischen Liturgie. Und noch heute gilt er als eigentliche Kirchenmusik für die römische Kirche.
Erste Belege für einen mehrstimmigen Kirchengesang finden sich ab dem 9. Jhdt. Zunächst im Quarten- oder Quintenabstand. Gesänge werden notiert und instrumental begleitet.
Erst im 12. Jhdt. findet sich Mehrstimmigkeit. Zunächst an der Notre-Dame-Schule, etwa zeitgleich zum Bau der gleichnamigen Kathedrale. Auf die Notre Dame Schule folgt im 14. Jhdt. die „Ars Antiqua“. Der Begriff „Kirchenmusik“ findet sich erst um 1300 und bezeichnet den Gregorianischen Choral im Unterschied zu mehrstimmigen Vertonungen.
Im Anschluss an ein Dekret des Konzils von Vienne (1311-12) wurde auf Betreiben der Dominikaner die Motette zurückgedrängt. Dafür hielt die Orgel Einzug in die Liturgie. Sie begleitet noch nicht, sondern wechselt mit den Gesängen ab, die sie in einer mehrstimmigen Bearbeitung aufgreift.
In der Renaissance kommt es im Anschluss an das Konzil von Konstanz (1545) zur Gründung von Hofkapellen an Kathedralen und Stifts- und Stadtkirchen.
Nach der Reformation betraut das Konzil von Trient die Kirchenmusik auch mit der Ausschmückung von Gottesdiensten. Auf Textverständlichkeit wird von Karl Borromäus eigens Wert gelegt. Allein „anstößige Melodien“ werden untersagt.
Im 17. und 18. Jahrhundert werden zahlreiche Kirchen-sonaten und Messen komponiert.
Die II. Vatikanum bezeichnet in seiner Liturgiekonstitution (1963) die überlieferte Kirchenmusik als „wertvollen Schatz, den es zu pflegen und zu mehren gilt.“ Kirchenmusik wird selbst zu liturgischem Vollzug. Die Landessprache wird ermöglicht und 1975 das „Gotteslob“ aufgelegt.
Das Gotteslob des AT – die Psalmen (GL 30-80)
Der Begriff „Psalm“ leitet sich vom griechischen Saiteninstru-ment, dem Psalterion ab. Im hebräischen ist es von „Preislied“ abgleitet.
Das Buch der Psalmen umfasst 150 poetische Texte, die über einen langen Zeitraum z.T. schon vorexilisch (bis 6. Jhdt. v. Chr.) entstanden sind. Aber auch außerhalb dieses Buches finden sich Psalmen.
Das Buch war mehr als ein Gesangbuch. Erbauungsbuch mit auch prophetischen Inhalten. Im NT wird oft daraus zitiert.
Die Psalmen führen sich wohl nicht auf David zurück, sondern auf verschiedene Sängergilden des Jerusalemer Tempels. Oft finden sich einleitende Hinweise zum Vortrag und den Begleitinstrumenten.
Ps. 150 schließt die Sammlung der Psalmen feierlich ab:
Halleluja!
Lobt Gott in seinem Heiligtum
lobt ihn in seiner mächtigen Feste!
Lobt ihn wegen seiner machtvollen Taten,
lobt ihn nah der Fülle seiner Größe!
Lobt ihn mit dem Schall des Widderhorns,
lobt ihn mit Harfe und Leier!
Lobt ihn mit Trommel und Reigentanz,
lobt ihn mit Saiten und Flöten!
Lobt ihn mit tönenden Zimbeln,
lobt ihn mit schallenden Zimbeln!
Alles, was atmet, lobe den Herrn!
Halleluja
Psalmlieder
Psalmenlieder vertonen die Psalmentexte die z. T. textlich bearbeitet wurden. Es ist lohnend einmal den Pslamtext im Alten Testament (AT) zu lesen und dann nachzusehen, wie die Bearbeitung zu einem Kirchenlied gelungen ist.
Bekannte Psalmlieder im GL sind:
Ps 23 (GL 37) „Mein Hirt ist Gott der Herr“ (GL 421)
Ps 25 „Zu dir, o Gott, erheben wir“ (GL 142)
PS 36 „Herr, deine Güt ist unbegrenzt“ (427)
Ps 91 „Wer unterm Schutz des Höchsten wohnt“ (GL 423)
Ps 119 „Wohl denen, die da wandeln“ (GL 543)
Biblische Gesänge – „Cantica“
Als Beispiel eines alttestamentichen Canticums bietet das GL
Jes 55, 66 ff. „Suchet den Herrn, solange er sich finden lässt“ (GL 639, 6)
Als Beispiele neutestamentlicher Cantica finden sich
Mt 5, 3 ff „Selig, die arm sind vor Gott“ (GL 651, 8)
Magnificat – “Lobgesang Mariens” (GL 631, 4; 395/ L)
Benedictus – „Lobgesang des Zacharias“ (GL 617, 2; 384/ L)
Nunc dimittis – „Lobgesang des Simeon” (GL 665, 3; 500/ L)
Theologische und spirituelle Texte
Kirchliche Gesänge greifen aber auch theologische Gedanken und spirituelle Texte auf:
So verdanken wir Ambrosius Autpertus (8 Jhdt.) den TExt des Liedes “Ave maris stella” (GL 520)
Die tiefen Gedanken des großen Theologen Thomas von Aquins zum Allerheiligsten Altarsakrament aus seinem „Adoro te devote“ (1263/64) finden sich wieder im „Tantum ergo“ (GL 496) und der deutshen Fassung „Gottheit tief verborgen“ (GL 497).
Der bekannte Jesuit Friedrich Spee (1623) fasste die Gedanken zum österlichen Marienlied: „Lasst uns erfreuen herzlich sehr“ (GL 533)
Und der evangelische Theologe Paul Gerhardt gilt als einer der bedeutendsten Kirhenlieddichter im deutschsprachigen Raum. Besonders anrühren sind seine weihnachtlichen Gedanken in dem Lied von 1653: „Ich steh an deiner Krippe hier“ (GL 256).
Angelus Silesius, ein 1624 in Breslau geborener Arzt, Theologe und Lyriker hat 1657 in geradezu mystischen Gedanken seinen eigenen Berufungsweg dem Liedtext „Ich will dich lieben, meine Stärke“ anvertraut (GL 358).
Dietrich Bonhoeffer schrieb 19.12. 1944 in einem Brief an eine Bekannte aus dem Kellergefängnis des Berliner Reichssicherheitshauptamtes die Gedanken, die sich in dem trostreichen Lied „Von guten Mächten treu und still umgeben“ (GL 430) wiederfinden.
Die Zeiten besingen
Die Zeit vergeht und mit ihr der Mensch. Aber so einfach sollten wir die Zeit nicht vergehen lassen. Denn jeder Augenblick ist Zeit, geschenkt aus Gottes Ewigkeit. Auch darum wird die Zeit des Tagen und des Jahres vom Gebet geprägt und dies auch in Liedern.
Die Tageszeiten (GL 613-667)
Nicht nur Kleriker und Ordensleute, auch immer mehr Laien versuchen dem Tag eine geistliche Ordnung zu geben und beten eine oder mehrere „Tagzeiten“, die zusammen als „Stundengebet der Kirche“ bezeichnet werden:
Das Morgenlob, die „Laudes“
das Abendlob, die „Vesper“
das Nachtgebet, die „Komplet“.
Wesentliche Elemente sind: Hymnen, Psalmen, Canticum, Schriftlesung, Responsorium, Fürbitten und Schlussgebet mit Segensbitte.
Daneben finden sich im GL bekannte
Morgenlieder z. B. „Aus meines Herzens Grunde“ (GL 86)
und Abendlieder z. B. „In dieser Nacht“ (GL 91).
Dies Domini – Der erste Tag der Woche (GL 103- 216)
Das II. Vatikanische Konzil betont die sonntägliche Eucharistiefeier als Quelle und der Höhepunkt allen christlichen Lebens. Für die festgelegten Teile der Messe, das „Ordinarium“, finden sich im GL 103-216 sog. „Messreihen“. Darunter auch gregorianische Vertonungen.
Kyrie- Gloria (nicht: Advent und österliche Bußzeit)
Antwortgesang mit Halleluja (nicht österliche Bußzeit)
Credo – Offertorium
Sanctus – Benedictus
Agnus Dei – Communio
Das Kirchenjahr (GL 217-251)
Der Lauf des Kirchenjahres, das mit dem 1. Advent beginnt, kennt besonders geprägte Zeiten:
Advent
Weihnachtszeit
Osterfestkreis (Bußzeit, Heilige Woche, Osterzeit)
Christi Himmelfahrt
Pfingsten
Die geprägten Zeiten drücken sich hörbar in der Liedauswahl aus. Sowohl im sog. deutschsprachigen Stammteil als auch im diözesanen Eigenteil, im hinteren Teil des GL, finden sich geeignete Liedvorschläge nach geprägten Zeiten geordnet. Sie können als „Proprium“ gelten.
Der Himmel auf Erden
Liturgie verbindet immer mit dem Himmel. Das Gebet kennt keine Grenzen und schenkt Nähe. Und Musik ist eine besondere Sprache des Glaubens. Viele Lieder knüpfen musikalisch einen Kontakt zum Himmel.
Lieder zum Dreifaltigen Gott
zu Jesus Christus: „Schönster Herr Jesu“ (GL 364)
zum Heiligen Geist: „Atme in uns, heiliger Geist“ (GL 346)
Lieder zu Ehren Marias: „Maria, dich lieben“ GL 521)
der Engel: „Den Engel lasst uns preisen“ (GL 540)
und der Heiligen: „Ihr Freunde Gottes allzugleich“ (GL 542).
Und auch die Kirche wird in ihrer irdischen und himmlischen Sicht besungen:
„Gott ruft sein Volk zusammen“ (GL 477)
„Ein Haus voll Glorie schauet“ (GL 478)
In der Taufe sind wir in diese allumfassende Gemeinschaft des Glaubens hineingetaucht worden:
„O Seligkeit, getauft zu sein“ (GL 841)
Darum können auch im Angesicht des Todes Lebenslieder gesungen werden, die eine Botschaft haben auch für uns im Hier und Jetzt:
„Jesus lebt, mit ihm auch ich“ (GL 336)
Lieder für alle Lebenslagen
Lieder geben der Seele Raum. Viele Lieder verleihen in bestimmten Lebenssituationen der Seele Stimme und Ausdruck.
Im Gotteslob finden sich daher Lieder für:
Lob „Dein Lob ruft der Himmel aus“ (GL 381)
Dank „Nun danket all und bringet Ehr´“ (GL 403)
Anbetung „Das Heil der Welt, Herr Jesus Christ“ (GL 498
Vertrauen „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ (GL 416)
Trost „Von guten Mächten treu und still umgeben“ (GL 430)
Bitte „Hilf, Herr meines Lebens“ (GL 440)
Klage „Meine engen Grenzen“ (GL 437)
Zudem finden sich Lieder, die uns senden hinein in die Welt:
„Gott liebt diese Welt“ (GL 464)
und Segenslieder „Bewahre uns Gott…“ (GL 453)
Die Mischung macht´s!
Die Vielfalt der Kirchenmusik ist ihre Stärke. Gerade im Gotteslob findet sich eine breite Auswahl von Liedern beginnend im 11. Jahrhundert. Manche sind gänzlich in Lateinischer Sprache verfasst. Bei „In dulcio jubilo“ (GL 253) findet sich schon eine Übersetzung im Liedtext. Bis hin zu zeitgenössischen Lieder aus aller Welt, wie das 1986 komponierte Lied zur Gabenbereitung: „Wenn das Brot das wir teilen“ (GL 470).
Auch der musikalischen Gattungen ist sehr vielfältig. Vom einstimmigen („homophonen“) gregorianischen Choral über klassische Messen (von Leopold Mozart, Joseph Haydn, Franz Schubert) bis hin zu Gesängen aus Taizé „Bleibet hier und wachet mit mir“ (GL 286) oder Canones („Ubi caritas et amor“ gregorianisch: GL 285/ 445 Taizé).
Tipps zum Singen
Jeder kann singen – die Übung macht bekanntlich den Meister. Wann singen Menschen – die sich nicht unbedingt kennen- miteinander in einem Raum? In der Kirche tun wir genau das! Ein gemeinsames Singen setzt ein aufmerksames Hören voraus. Auf sich wie auf die anderen. So bildet sich auch in der Gemeinde ein chorisches Singen heraus.
Mit der Stimme verleihen wir der Seele Ausdruck. Dabei gilt es immer wieder die Liedtexte zu betrachten. Und auch die Texte haben eine Seele. Es lohnt darum, die Liedtexte selbst einmal durch zu beten, sie zu meditieren.
Lieblingslieder im GL
Sag mir, was du singst, und ich sag´ Dir, wie du glaubst.“
Was sind meine Liebling-Kirchenlieder. Welche kann ich vielleicht sogar auswendig? „Auswendig kennen“ heißt auf Französisch „conaitre par coeur“ – „etwas vom Herzen her können“. Da macht es dann keinen Unterschied, ob ein Lied wie „Segne Du, Maria“ lange Zeit nicht, oder „Der Engel des Herrn“ seit Neuestem nicht mehr im GL auffindbar ist. Diese Lieder sind uns längst ins Herz geschrieben.
„Die Aussage von Musik sollte keine andere sein
als die Herrlichkeit von Gott
und die Wiedergeburt der Seele.“
(Joh. Seb. Bach)