Loslassen will gelernt sein
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Loslassen will gelernt sein
Gedanken in der Letzten Feierlichen Maiandacht an Christi Himmelfahrt
Festhalten wollen, das liegt in der Natur des Menschen. Wenn man etwas gefunden hat, dann will man es behalten. Was ich hab, das hab ich. Das gehört mir. Irgendwie gibt es ja auch ein gewisses Gefühl der Sicherheit, nicht mit leeren Händen da zu stehen.
Der Greifreflex
Der richtige Umgang mit irdischen Dingen, mit Hab und Gut, ist gar nicht so einfach. Einerseits darf man sich nicht alle Butter vom Brot nehmen lassen. Aber andererseits: zu viel Butter macht dick.
Festhalten, das muss man gar nicht lernen. Irgendwie haben wir Menschen einen angeborenen Greifreflex, mit dem wir kraftvoll zupacken und nicht mehr so schnell loslassen. Aber auch loslassen will gelernt sein!
Loslassen will gelernt sein
Das gilt übrigens gar nicht nur für materielle Dinge, Besitzgegenstände. Das gilt auch und gerade für Menschen, die wir lieben. Menschen, die wir lieben, dürfen wir nie an uns binden, festhalten, umklammern. Jede Umarmung in Liebe ist auch wieder bereit, sich zu lösen. Gerade bei Kindern liegt viel daran ob es gelingt loszulassen.
Maria legt uns gerade diese Haltung der Liebe ans Herz. Sie empfängt Jesus; trägt dieses Geheimnis unter ihrem Herzen; aber sie behält es nicht für sich. Sie trägt das Kind zu Elisabeth, trägt die gute Hoffnung weiter. Nach der Geburt vertraut sie das Kind Gott an: hält es ihm im Tempel hin. Wie schwer muss es ihr gefallen sein, als sich Jesus von seinem Elternhaus löst und sich auf den Weg macht, um seine Sendung zu den Menschen zu vollenden. Maria stellt ihm nichts in den Weg, sie lässt ihn gehen. Auf der Hochzeit zu Kanaa schreibt sie ihm nicht vor, was er tun soll, sondern überlässt es allein ihm: „Was er euch sagt, das tut!“ Auch auf seinem Weg der letzten Hingabe am Kreuzstellt sie sich nicht in den Weg, sondern begleitet in Liebe. Maria klammert nicht, sie hält nicht fest, behält nicht für sich. So kann Jesus seinen Weg zu uns allen finden.
Was bleibt für den Himmel
Und noch eins: Wer hergibt, der kann auch wieder von neuem empfangen. Auch die Himmelfahrt Christi setzt ein Hergeben voraus, ein Loslassen. Nur so kann von neuem empfangen werden: an Pfingsten, der Geist, den Jesus versprochen hat, der uns ja gerade mit ihm weiter leben lässt. Liegt darin nicht eine wunderbare Einladung des heutigen Festes! Dass wir im Blick auf den Himmel nicht festhalten müssen, sondern hergeben dürfen, loslassen. Und dabei dürfen wir sicher sein, dass alles, was wir in Liebe empfangen haben und in Liebe wieder loslassen, bei uns bleibt. Wie Maria, die Jesus in Liebe empfangen hat und aus Liebe losgelassen hat für uns alle. Und was wir im Leben losgelassen und hergeschenkt haben, begleitet uns schließlich auch in den Himmel.