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Mensch, Maria!

Mensch, Maria!
Gedanken zum IV. Adventsonntag (Lk 1, 39-45)

Wie stelle ich mir eigentlich Maria vor? Wir dürfen uns Maria ruhig vorstellen, und das ganz menschlich. Unser Glaube ist geerdet und jede Spiritualität braucht auch Fleisch und Blut. Wie begegnen wir also diesem vielleicht 13, 14-jährigen Mädchen, dieser jungen Frau, dieser Jungfrau? Wie mag sie in Nazareth gelebt haben…? in diesem völlig unbekannten Ort mit seinen rund 200 Einwohnern? Maria war verlobt, das wissen wir  – und damit so gut wie verheiratet – mit einem Mann namens Josef aus dem Stamme Davids…

Und plötzlich –wie aus heiterem Himmel- tritt der Engel Gabriel bei ihr ein. „Gabriel“ heißt: „Gott ist meine Kraft“. Und grüßt sie: „als Begnadete“ (vgl. Lk 1, 28). Was für eine schöne Anrede! Maria wird ein Kind empfangen – und so zu einer Frau, die „guter Hoffnung“ ist.

Schon bald darauf macht sich Maria dann auf den Weg in das Bergland von Judäa. Das Haus des Zacharias, der Geburtsort Johannes des Täufers. Noch heute ist En Kerem beschaulich eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft. Hier dürfen wir mit Maria ankommen und uns einfinden – freilich nach einer weiten und anstrengenden Reise. Über 140 Kilometer sind es von Nazareth aus. Damals war der Weg beschwerlich und nicht ungefährlich. Ungewöhnlich überhaupt, dass sie sich in ihrem Alter dorthin auf den Weg macht. Vorsichtshalber wird sie sich wohl einer Pilgergruppe angeschlossen haben.

Maria „eilt“ an ihr Ziel. Gewiss, um unverzüglich und wohlbehalten dort anzukommen. Gewiss aber auch aus erleichterter Freude. Elisabeth, ihre Verwandte, erwartet in ihrem hohen Alter noch ein Kind. Kinderlosigkeit galt in jenen Tagen als wohl größtes Unglück für eine Frau. Maria will Elisabeth helfen. Die eine eigentlich noch zu jung, die andere eigentlich schon zu alt, begegnen sich zwei Frauen guter Hoffnung.

Beide Frauen haben empfangen – weil sie empfänglich waren. Empfänglich für eine Verheißung, der sie ihren Glauben geschenkt haben. Verheißungen Gottes erwarten von Seiten des Menschen immer einen Vorschuss an Vertrauen, um in Erfüllung gehen zu können. Bei Maria und Elisabeth ist aus Glauben Vertrauen erwachsen Beide sind sie Hoffnungsträgerinnen. Und ihre Hoffnung hat einen Namen: Johannes: „Gott ist gnädig“ und Jesus: „Gott rettet“.

Ihr hoffnungsfroher Glaube bringt sie beide in Bewegung. Und Bewegung führt zur Begegnung. Nicht aufgeregt und hektisch, sondern freudig bewegt.

Die Begegnung der beiden Frauen guter Hoffnung ereignet sich nicht in aller Öffentlichkeit, sondern in einem geschützten, ja innigen Rahmen, der ermöglicht, was wir dann vernehmen: den Lobgesang Marias – das „Magnifikat“.

 

Das Magnifikat – ein Lobpreis dankbaren Vertrauens
Das Magnifikat ist keine wortgetreue Wiedergabe. Niemand hat mitstenographiert. Es kommt auch gar nicht auf den Buchstaben an, sondern auf das Wort und den Geist, der da spürbar wird. Der Geist ist es schließlich, der lebendig macht. Und Heiliger Geist war es auch, der Maria mit göttlichem Leben erfüllt hat (vgl. Lk 1, 35).

Das Magnifikat ist keine „Neudichtung“, es ist vielmehr ein Danklied aus dem reichen Glaubens- und Gebetsschatz des Alten Testaments. Das Magnifikat lässt erkennen, wie tief Maria im Glauben ihres Volkes und in den Gedanken der Heiligen Schrift verwurzelt war. Es ist ein Danklied über das Geschenk der Erwählung. Vielfach musikalisch vertont, klingt das Magnifikat auch im gesprochenen Vortrag wie Musik.

Es offenbart die innere Haltung eines Menschen, der damals ganz selbstverständlich religiös ist. Alles kommt von Gott. Darin gründet letztlich die Demut des Menschen. In ihrer „Niedrigkeit“, wie Maria sagt, liegt zugleich aber ihre wahre Größe. Gott sucht das Kleine! „Die Mächtigen stürzt er vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1, 52).

In Maria dürfen wir diese „Niedrigkeit“ wohl als offen und einfach beschreiben. Sie weiß, wie sehr wir Menschen Gottes bedürfen und sich darum von ihm alles erhoffen. Maria wird in ihrer Armut vor Gott zum Glaubensschatz für die ganze Welt „Siehe von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1, 48). Das wird Jesus später unterstreichen. In seinen Seligpreisungen: „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich!“ (Mt 5,3) Wir brauchen Gott! Und „Wer Gott hat, hat alles“, wird die Hl. Teresa von Avila später einmal sagen und: „Gott allein genügt!“

Marien-Verehrung
Wenn wir schließlich noch auf Elisabeth schauen, erfahren wir, wie wir Maria begegnen dürfen: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“ (Lk 1,42 ) Zugleich weiß Elisabeth auch um den Grund der Begnadung Marias: „Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.“ (Lk 1, 45) In diesen Worten drückt sich eine Verehrung aus, die Maria gilt, weil sie geglaubt hat und darum der Welt den Erlöser geboren hat. Wir verehren Maria und beten mit ihr und allen Christen Gott an, der in Jesus Mensch geworden ist.

Wegen ihres Vertrauens ist Maria dann auch für immer gültiges Vorbild. Vorbild im Glauben und ein Urbild von Kirche. Die Erfüllung seiner Verheißungen hat Gott schon immer vom Vertrauen des Menschen abhängig gemacht. Vom Vorschuss unseres Vertrauens. Diese Haltung sucht Gott auch heute bei uns. Und dann machen wir uns wie Maria auf den Weg. Glaube will schließlich bewegen. Teilen wir die Freude am Glauben. Machen wir uns auf den Weg, eilenden Schritts, voll Freude und mit aller guten Hoffnung, die auch uns erfüllt. Wie einst Maria zu Elisabeth, bringen wir heute Jesus mit zu den Menschen. Auch wir sind Hoffnungsträger, Menschen voll der Gnade. Und dann… dann blieb Maria drei Monate bei Elisabeth. Wohl bis zu deren Niederkunft. Nach dem Lobpreis des Magnifikat tritt wieder der tagtägliche Alltag ein. Auch das ist wichtig. Denn Hochzeiten des Glaubens müssen sich im Alltag des Lebens wiederfinden. In der Treue zum Tagtäglichen will der Glaube sich bewähren.

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