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Menschen im Advent – heute und damals

Menschen im Advent
Gedanken aus dem Weihnachtsverkauf von Brigitte Bayer

Wir feiern heute den 2. Advent. Die Adventszeit ist eine Zeit der Besinnung und Erwartung. Sie sollte es jedenfalls sein. Doch für viele ist sie eine Zeit voll Hektik und Stress geworden, die einen nicht mehr zur Besinnung kommen lässt. In den Geschäften wird permanent „Jingle Bells“ und „Süßer die Glocken nie klingen“ gespielt. Alles dreht sich um die Besorgung der Geschenke und die Planung für das Weihnachtsfest bzw. das Festessen. Keiner hat mehr Zeit um zu warten, jeder schaut an der Kasse, wann bin ich an der Reihe. Da fällt mir ein Mann auf, der sagt: „Ich habe Zeit, gehen sie vor“. Vielleicht lebt er schon in der Erwartung auf Weihnachten.

Die zweite Kerze wurde heute entzündet. Ein Licht, das am Adventskranz leuchtet. Wir können es alle sehen. Aber dieses Licht will unser Herz erleuchten, damit wir ein inneres Gefühl für Weihnachten bekommen. Ein Gefühl, dass Gott uns einlädt, in dem Kind in der Krippe das Angesicht Gottes zu sehen.

Zur Adventszeit gehört für mich einfach Stille, auch wenn es manchmal am Abend nur ein paar Minuten sind. Ich zünde die Kerzen an unserem Adventskranz an und überlege, wie ich jemandem eine Freude machen kann. Jedes Geschenk sollte von Herzen kommen und dem Beschenkten zeigen, dass es mit Liebe ausgewählt wurde. Oder mache ich vielleicht einen Besuch bei einem einsamen Menschen um ihm damit eine Freude zu bereiten?

Eine sehr wertvolle Zeit ist für mich der Besuch des “Gute Nacht Gottesdienstes“. Jeder muss für sich entscheiden, wie er den Weg durch die Adventszeit gehen will.

Friedrich Walz schrieb einmal darüber:

„Seht, die gute Zeit ist nah,
Gott kommt auf die Erde,
kommt und ist für alle da,
kommt, dass Friede werde.

Hirt und König, Groß und Klein,
Kranke und Gesunde,
Arme, Reiche lädt er ein,
freut euch auf die Stunde.“


Menschen im Advent – heute
Oma und Enkel am 1. Advent, heute eine Verkäuferin an der Ladentheke – im Advent.
Wie geht’s uns heute im Advent – wie geht es dem Advent mit uns? Wie begehen wir den Advent überhaupt?
Über was man nicht alles jammern und klagen kann, mitten im Advent! Über den alljährlichen Stress zum Beispiel. Oder darüber, dass doch alles nur noch ein Geschäft ist. Klagen über die vielen Adventsfeiern, in denen doch nur wieder viel zu viel gegessen und noch mehr getrunken wird, ansonsten aber nur wenig adventliche Stimmung aufkommt. Von all den Weihnachtsmännern und Lichterketten ganz zu schweigen…
Wenn es wirklich so schlimm ist, muss es denn so schlimm bleiben? Sind wir all dem völlig hilflos ausgeliefert? Schauen wir auf die Menschen, die uns in der heiligen Schrift im Advent begegnen, und wir kommen ein wenig zur Besinnung.
Aber fangen wir zuerst bei Gott an. Denn der Advent ist keine Geschäftsidee des Menschen, sondern ein Geschenk Gottes. Die Menschwerdung Jesu, für die wir an Weihnachten danken, war allein seine Idee! Für die allerdings hat Gott von jeher Menschen gesucht, die sich darauf einlassen. Und die hat er noch immer gefunden:

… und damals
Da ist zuerst einmal Josef. Ein gestandener Zimmermann, der Häuser plant und baut hat. Und dabei noch träumen kann. Jedenfalls lässt er seine Planungen fallen und folgt einem Traum, der Vision Gottes. Er schafft die äußeren Bedingungen, dass Jesus groß werden kann. Ein Mann, ein Traum schafft Raum – für die Menschwerdung Gottes. Das hätte sich Josef zuvor wohl selbst nicht träumen lassen!
Und wir begegnen Maria und Elisabeth. Die eine noch viel zu jung, die andere schon viel zu alt. Und doch werden beide zu Menschen guter Hoffnung. Warum? Ganz einfach! Weil sie empfänglich sind für Gott. Menschen, die für Gott empfänglich sind, kann dann auch Gott begnaden. Und auf einmal kommt so viel in Bewegung. Als Maria Elisabeth begegnet, spüren wir es im Jubel des Magnifikat:
„Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt übe Gott meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1, 46-48).
Und da sind der greise Simeon und die betagte Hannah. Zwei alte Menschen, denen anscheinend nicht die Zeit davonläuft. Die beiden können noch warten – Gott erwarten. Und am Ende können sie gut gehen. „Nun lässt du deinen Knecht in Frieden scheiden, denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du der Welt bereitet hast“ (Lk 2, 29 f). Da haben zwei alte Menschen nicht resigniert. Da ist die Hoffnung bis zuletzt nicht gestorben.
Längst schon auf den Weg sind die Weisen, diese Magoi. Ob es am Ende 1800 km waren, wenn sie von Persien aufgebrochen sind. Oder gar 4000 km, wenn sie, was auch nicht unwahrscheinlich ist, aus Indien stammen. In jedem Fall haben sie den längsten Weg zur Krippe. Nicht der Stern, sondern das Ereignis, das dahinter steht, hat sie aufbrechen lassen. Sie stehen für alle Wissenschaftler, die versuchen, ihr Wissen mit dem Glauben zu verbinden. Glaube ist eben doch mehr als Wissen. Albert Einstein hat ganz in diesem Sinne einmal bekannt:
„Jedem tiefen Naturwissenschaftler muss eine Art religiösen Gefühls nahe liegen, weil er sich nicht vorzustellen vermag, dass die ungemein feinen Zusammenhänge, die er erschaut, von ihm zum ersten Mal erdacht werden. Im unbegreiflichen Weltall offenbart sich eine grenzenlos überlegene Vernunft. Die gängige Vorstellung, ich sei ein Atheist, beruht auf einem großen Irrtum. Wer sie aus meinen wissenschaftlichen Theorien heraus liest, hat sie kaum begriffen.“
Und die einfachen Hirten, die noch nicht ahnen, was sich auf ihren Feldern bald ereignen wird? Auch sie stehen für den Advent. Und für die Menschen, die Gott ganz einfach deshalb brauchen, weil sie bei den Menschen zu kurz kommen.
Menschen im Advent. Unterschiedlicher wie sie nicht sein können. Eines aber haben sie alle gemeinsam: sie alle haben etwas anfangen können mit dem Advent – und Gott mit ihnen.
Träume, die wahr werden. Menschen guter Hoffnung und voll der Gnade.
Warten voll Erwartung, Suchende voll Sehnsucht.
Und der Glaube an eine höhere Gerechtigkeit, die allein aus Liebe geschenkt wird.
Nur davon ist nirgendwo die Rede: Vom Shoppen, von Hektik, von all dem Drumherum. Ist da inzwischen vielleicht was schief gelaufen? Weil nicht mehr verstanden wird, worum es eigentlich geht?

Johannes der Täufer
Ach, fast hätten wir ihn vergessen: Johannes. Der gehört natürlich auch zum Advent. Er selbst ist nur ein halbes Jahr älter als Jesus, mit dem er ja verwandt war. Es ist der Wegbereiter im Advent: Die erste Strophe unseres Wegliedes gehört ihm:
„Wir sagen euch an eine heilige Zeit,
machet dem Herrn die Wege bereit.“
Ja, das ist seine Botschaft, seine message! Nicht weiter so. Umkehr ist angesagt, um dem Herrn den Weg zu bereiten. Damit er auch mit uns etwas anfangen kann im Advent. So manches kann dabei helfen:
Nicht noch mehr elektrische Birnen. Umgekehrt! Zum lebendigen Kerzenlicht, das die kalte Dunkelheit wirklich erleuchtet.
Nicht noch mehr Glühwein und Plätzchen, Bratwurst und Punsch. Umgekehrt! Lasst uns die Adventzeit wieder entdecken als eine Zeit der Nüchternheit, des Ausschauhaltens, des Erwartens.
Nicht noch mehr Geschenke und noch mehr Geschäft. Umgekehrt! Weniger ist viel mehr, wenn es denn von Herzen kommt.
Nicht noch mehr mir. Umgekehrt! Was ist mit Dir?
Fast 1000 Tafeln versorgen immer mehr Bedürftige in unserem Land. 1,6 Millionen Menschen, die meisten schon alt oder noch ganz jung. Auch wenn die einzelnen mehr spenden, die Zahl der Spender geht seit Jahren zurück.
Advent hat auch etwas mit Teilen zu tun. Diese Botschaft der Nächstenliebe ist die Ansage in der Liedstrophe heute, am 2. Advent:
 „So nehmet euch eins um das andere an,
wie auch der Herr an uns getan.“
Johannes ist eine Gestalt mitten im christlichen Advent, die eine Botschaft hat. Und die Botschaft, die tut schon gut! Überhaupt: der Advent soll uns gut tun. Wenn es uns dann ein wenig wärmer wird ums Herz, wird Jesus auch spüren, dass er wirklich willkommen ist, wenn er kommt. Amen.

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