Nachhaltig christlich
Nachhaltig christlich
Gedanken zum Evangelium am 5. Sonntag i. J. (Joh 15, 1-8)
Wie viel geht noch? Den Konsum steigern, die Produktion ankurbeln, das Wirtschaftswachstum erhöhen… Immer mehr, immer höher, immer weiter. Was ganz sportlich klingt, ist auch sonst für so manche ein Ansporn. Die Corona-Pandemie war da eine erzwungene „Verschnaufpause“, die vielleicht so manche zum Nachdenken gebracht hat.
Ja, es gibt Grenzen, an die wir stoßen. Grenzen auch des Wachstums. Zum einen, weil viele Rohstoffe begrenzt sind. Zum anderen, weil jeder Verbrauch auch seine Folgen hat. Stichwort „Klimaschutz“. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ passt bestens in diesen Zusammenhang.
Nachhaltigkeit war schon immer notwendig. Früher, weil man nicht alles hatte und man sparsam umgehen musste. Socken wurden noch gestopft und die Kleidung aufgetragen. Sowas wie „Wegwerfgesellschaft“ kannte man noch nicht. Und man hatte auch noch mehr Ehrfurcht vor den Dingen, weil man wusste, wo sie herkamen und wie aufwendig sie verarbeitet werden mussten.
Früher sprach man noch häufiger von Schöpfung, die es zu bewahren gilt, aus Ehrfurcht vor Gott. Ihm, dem Schöpfer verdanken wir seine Schöpfung, die Gott für gut befunden und dann uns Menschen anvertraut hat. Nicht, damit wir sie verbrauchen, sondern damit wir sie hegen und pflegen. Und sie so bewahren für kommende Generationen. Die Bibel denkt ohnehin seit jeher in Generationen. Das sollten wir auch tun.
Aus alledem erwächst ein christlicher Lebensstil, der dem Maßhalten verpflichtet ist. Überfluss und Verschwendungssucht sind keine christlichen Tugenden. Christlicher Lebensstil war und ist schon immer „ökologisch-nachhaltig“. Darum brauchen wir „Gott sei Dank!“ keine Ökologie als Religionsersatz, weil christlicher Glaube von sich aus „ökologisch tickt“.
So gesehen ist das Evangelium vom Weinstock aus der Johannneischen Bilderwelt vielsagend. Die Rebe muss am Weinstock bleiben. Naturnah würde der Biowinzer sagen. Freilich geht Jesus mit seinem Bild noch einen entscheidenden Schritt weiter. Es geht ihm um die Nachhaltigkeit unseres Lebens, unserer wichtigsten „Ressource“. Darüber dürfen wir uns Gedanken machen im Blick auf ein Bild vom Weinstock und den Reben, das Jesus verbindet dem einen Wort: „bleiben“.
Mit dem Bleiben hat es der moderne Mensch nicht gerade leicht. Wir haben es in diesen Monaten erlebt, da wir schön zu Hause bleiben sollten. Denn normalerweise ist der moderne Mensch gerne unterwegs. Nicht nur im Urlaub, auch in seinen Bekanntschaften, mit seinen Vorlieben und Interessen. Und auch in seiner Kommunikation. Wer nimmt sich noch Zeit für einen wohl erwogenen Brief, wenn man doch auch schnell mal hin und her twittern kann. Hat man sich früher vor der Hochzeit erstmal verlobt und erst dann geheiratet – das dann für immer, stürzen sich heute nicht wenige in viele Beziehungen. Und Berufe fürs Leben gibt es kaum noch. Dafür jede Menge Umschulungen und Jobwechsel…
Jesus redet vom Bleiben und sieht darin eine Chance: Wer bleibt, wächst. Und nur was Zeit bekommt zu wachsen, bringt am Ende auch Frucht. Dranbleiben, Drinbleiben. So paradox es klingt: Nur das Bleiben vermag unser Leben nachhaltig zu verändern. Und kommt es im Leben nicht darauf an, was am Ende bleibt. Wo bleiben wir dran? Wo bleiben wir drin? Denken wir hier an Menschen und Freundschaften, Fähigkeiten und Begabungen, Aufgaben und Pflichten. „Nachhaltigkeit“ ist mehr als ein politisches Schlagwort. Nachhaltigkeit ist zunächst einmal eine Lebenseinstellung. Eine Lebenshaltung.
Dazu braucht es Menschen, die sich binden lassen, die verbindlich sind. „Ich will mich auf Dauer nicht binden…“. „Ich will flexibel bleiben.“ Aber was kommt am Ende dabei heraus? Bindungslosigkeit. Unverbindlichkeit. Menschen, die sich nicht binden, brauchen viel Kraft. „Burn out“ ist auch eine Folge, dass es an tragfähigen Beziehungen fehlt. Das geht oft auf Kosten der Substanz. Menschen hingegen, die fähig sind, sich zu binden, bekommen viel Kraft und geben viel Kraft.
Ich glaube, im Leben kommt es auf beides an: Auf Veränderung, wenn es ein wahrer Fortschritt ist für den Menschen und die Welt. Aber noch wichtiger ist das Bleiben. Es ist keine Kunst, sich immer etwas Neues einfallen zulassen. Eine Kunst ist es dagegen zu bleiben. An der Seite eines Menschen, bei einer wichtigen Aufgabe, die ich mir gestellt habe, bei Gott…
Immer wieder ruft Jesus auf zu bleiben. Keiner hat die Geschichte dieser Welt so radikal verändert wie er. Und doch war Jesus kein ständiger Veränderer. Er hat die nachhaltigste Veränderung gebracht: Er hat es durch seine Auferstehung fertiggebracht, dass wir am Ende am Leben bleiben. Genau deshalb ruft er auf, dranzubleiben an ihm und damit an Gott. Damit unser Leben wachsen kann, und Frucht bringt, die am Ende für immer bleibt.
Das Bild vom Weinstock zeigt, dass es dazu keine Alterbnative gibt. Die Rebe kann schließlich nur wachsen, wenn sie am Weinstock bleibt. So können auch wir nur lebendig bleiben, wenn wir bei dem bleiben, durch den wir leben. „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“ (Jes 7, 9) Auch das ist wahr!
Nur wenn der ganze Weinstock gedeiht, reifen auch die Trauben. Man kann dies gerne auf die gemeinsame Verantwortung im Blick auf Schöpfung beziehen. Aber eben auch auf unser gemeinsames Miteinander im Glauben. Wachsen ist immer beides: ein „Zusammen Wachsen“ und ein „Zusammenwachsen“. Und eines dürfte uns allen klar sein: wer bei Jesus bleibt, bekommt Kraft. Das gilt für jeden von uns und für uns alle miteinander, die wir Reben sein dürfen am Weinstock des Herrn. Amen.