l

Ostern für Zweifler

Ostern für Zweifler
Gedanken um Sonntagsevangelium
von Pfarrer Ulrich Lindl

Von wegen Überredungskunst…
Werden Sie gerne überredet? Manchmal sind es Vertreter, die einen Vertrag abschließen wollen. Und manchmal gelingt es ihnen auch. Überredet. Und dann wartet man bis zur nächstbesten Möglichkeit, den Vertrag möglichst schmerzfrei kündigen zu können.
Und da gibt es Menschen, die einem partout ihre Meinung aufdrängen wollen. Solche Menschen werden nicht selten aufdringlich und dann auch schnell als Belästigung empfunden. Am Ende bleiben sie draußen vor der Tür.
Genauso hätte es mit Ostern laufen können. Man hätte die Menschen von Ostern überreden können, ihnen so etwas wie „Auferstehung“ so lange einreden können, bis sie endlich „Ja und Amen“ dazu sagen. Aber was hätte es am Ende gebracht? Nichts! Irgendwann wären Zweifel gekommen. Denn so etwas wie die Auferstehung eines Toten ist an sich doch unglaublich, oder? Und dann muss der Oster-Glaube am Ende ja auch halten, was er verspricht. Der Glaube an die Auferstehung bewährt sich ja erst wirklich im Angesicht des Todes. Wenn wir am Grab eines geliebten Menschen stehen oder selbst spüren, dass wir nicht mehr lang zu leben haben. Der Tod ist die Nagelprobe von Ostern – damals wie heute.
Darum fängt Ostern auch so ganz anders an. Ostern sucht sich seinen Zugang ganz behutsam. Ostern überrumpelt nicht. Ostern will für die Botschaft der Auferstehung gewinnen. Dafür braucht es Zeit. Und Ostern lässt uns Zeit: 50 Tage Osterzeit – bis Pfingsten. Zehn Tage mehr wird damit der Nachbereitung Zeit gegeben. Aber Ostern braucht wohl unsere ganze Lebens-Zeit. Der Glaube an die Auferstehung muss schließlich tief einwirken, um nachhaltig zu wirken.
Machen wir also mit Ostern keinen kurzen Prozess und gehen wir nach den Ferien nicht gleich wieder zur Tagesordnung über, als wäre nichts gewesen. Geben wir Ostern Zeit und dem Glaube an die Auferstehung damit eine echte Chance.

Zeit brauchten schließlich auch die Menschen damals am ersten Ostermorgen, der noch eher einem Morgengrauen entsprochen haben dürfte. Gejubelt hat jedenfalls anfangs niemand. Vielmehr war es eine ganz eigene Gemengelage an Gefühlen, wie  sie uns auch heute im Angesicht des Todes oftmals begegnet. Da sind die trauernden Frauen, die das leere Grab in eine noch tiefere Ratlosigkeit stürzt; da ist Maria von Magdala, die  mit ihren verweinten Augen Jesus aufs erste für den Gärtner hält. Die Jünger haben sich aus Furcht sicherheitshalber im Abendmahlsaal verbarrikadiert. Und zwei andere Jünger haben wir am Ostermontag auf ihrem Trauermarsch nach Emmaus begleitet. Und heute mischt sich noch der ganze Zweifel des Thomas dazu. Und das acht Tage danach.

Das alles sind menschliche Reaktionen. Und sie sind nur zu verständlich. Ich bin jedenfalls den Evangelisten dankbar, dass sie uns so offen die Anfangsschwierigkeiten der Menschen mit Ostern überliefert haben. Da wird nichts beschönigt. Schon zuvor hatten sie ja auch die Verleugnung durch Petrus und den Verrat des Judas -immerhin zwei berufene Jünger- nicht vertuscht. Das macht die Evangelien so aufrichtig und glaubwürdig.

Thomas – ein glaubwürdiger Zeuge
Heute, eine Woche nach Ostern, begegnen wir in Thomas einem Jünger, der immer noch nicht Ostern gefeiert hat. Vielmehr steckt er voller Zweifel. Und hat er nicht Recht? Zweifel ist nur zu menschlich – im Angesicht einer so unglaublichen Botschaft. Hätten wir an seiner Stelle den Jüngern geglaubt? Geglaubt, dass ein Toter wieder lebt, weil Gott ihn von den Toten auferweckt haben soll?! Zweifel sind menschlich angebracht und christlich erlaubt. Der Evangelist Johannes gibt ihm viel Raum, dem Thomas in all seinen Zweifeln. Und das ist gut so. Denn Ostern ist ja nicht über alle Zweifel erhaben.
Worauf es freilich ankommt: wie der Mensch mit seinen Zweifeln umgeht. All zu leicht kann Zweifel mit einem schnellen Achselzucken abgetan werden. „Glaube heißt, nichts wissen…“, damit ist die Frage nach Ostern für viele schnell erledigt und man geht wieder zur Tagesordnung über.

Der Zweifel des Thomas ist von anderer Qualität. Ostern beschäftigt ihn, lässt ihn nicht mehr in Ruhe. Seine Zweifel treiben ihn um und am Ende Ihm in die Arme. Der Zweifel ist für Thomas zu einem wahren Motor des Glaubens geworden. Und nach der Verheißung Jesu: „Wer suchet, der findet!“ musste es doch zur Begegnung mit dem Auferstandenen kommen. Einmal mehr gibt Jesus „Nachhilfe-Unterricht“ im Glauben und lässt sich begreifen. Er lädt Thomas ein, in seine offenen Wunden zu greifen. Was für eine Offenheit Jesu für den Zweifel des Menschen, der ihn sucht wie Thomas! Ob Thomas wirklich seinen Finger in die Wunden gelegt hat? Thomas war berührt und Jesus hat sich berühren lassen. Und das Herzensbekenntnis des Thomas kennt dann keinen Zweifel mehr: „Mein Herr und mein Gott!“

Gewiss, auch nach dieser Begegnung erklingt noch kein österliches Halleluja. Vielmehr ist es einmal mehr ein Verweis auf die Grenzen des Menschen und das Leiden des Menschensohns. Doch ein Leiden aus Liebe. Und darum ein ganz neuer Anfang von Leben.

Thomas ist heute unser glaubwürdigster Zeuge! In einer Zeit, die alles begreifen und in den Griff bekommen will. Spüren wir, wie wichtig Thomas für uns ist?! Thomas zeigt uns heute, wie ein Menschen trotz -oder gerade auf Grund- seiner Zweifel zum Glauben gelangen kann.
Glaube, der beschäftigt, Gaube, der umtreibt, wird zu Ihm führen. Denn der Auferstandene kommt denen entgegen, die ihn suchen. „Wer suchet, der findet!“ Nicht aus theoretischen Diskussionen, sondern allein aus der lebendigen Begegnung mit dem Herrn erwächst der Glaube, dass der Herr lebt. Aber war nicht gerade das die Botschaft vom leeren Grab? „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?!“ Jesus finden wir mitten im Leben- wenn wir Ihn suchen.

Zweifelnden raten – ein Werk der Barmherzigkeit
Wir feiern heute den Sonntag der Barmherzigkeit. Eines der sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit ruft uns dazu auf, Zweifelnden zu raten. Wie das gut gehen kann, können wir im heutigen Evangelium ablesen. Nicht, indem wir sie überreden, sondern indem wir auf sie warten wie Jesus auf Thomas gewartet hat. Thomas ist wieder gekommen – und der Herr auch. Glaube braucht bei manchen eben mehr Zeit. Und er erwächst aus lebendigen Begegnungen. Damals kam ein Thomas zum Glauben in der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, dem österlich verklärten Christus. Heute kommen Menschen hoffentlich zum Glauben in der Begegnung mit österlich verklärten Christen.

Beten wir dafür, dass es uns gelingt, Menschen in der Begegnung mit uns auf Ihn, Jesus Christus, aufmerksam zu machen, empfänglich für Ostern. Empfangsbereit für den Auferstandenen.

Share