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Ostern stellt die Gretchenfrage!

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Ostern stellt die Gretchenfrage!
Gedanken zum zweiten Sonntag der Osterzeit (Evangelium: Joh 20, 19-31)

Stellen wir heute nach diesem Evangelium einmal die berühmte „Gretchenfrage“. Wir kennen sie, die Gretchenfrage. Sie legt den Finger in die Wunde und fordert heraus, Farbe zu bekennen. Woran glaubst du eigentlich? Die Gretchenfrage ist oftmals unbequem, denn sie verlangt nach einem Bekenntnis, das noch nicht klar und deutlich genug abgegeben wurde. Margarete, genannt Gretchen, eine Hauptfigur in Fausts I. Teil, stellt folgende Gretchenfrage:
„Nun sag, wie hast dus mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.

Goethe lässt im I. Teil seines Dramas zwei ganz unterschiedliche Charaktere aufeinandertreffen: zum einen Gretchen, das religiöse Mädchen aus gut-gläubigem Hause. Ihr gegenüber den Gelehrten Faust. Der behauptet, er könne genauso gut leben wie Margarete, auch ohne ihren Glauben an Gott. Dadurch stellt Goethe die zwei Gegensätze seiner Zeit gegenüber, die fromm Gläubigen und die aufklärerischen Wissenschaftler.

Die Frage, wie man es denn hält mit der Religion, wurde immer wieder aufgeworfen. Und so manche waren mutig genug, auch klar Position zu beziehen. Der französische Philosoph Rousseau etwa kommentierte im Blick auf Ostern: „Selbst, wenn ich dem Schauspiel einer Totenerweckung zuschauen könnte, so würde ich doch viel eher wahnsinnig als gläubig werden.“ Da will einer offenbar beim besten Willen nicht an sowas wie „Auferstehung“ glauben! Was Rousseau, diesen großen französischen Philosophen der Aufklärung, zu dieser Stellungnahme bewegt, ist seine Überzeugung von sich selbst und der menschlichen Vernunft an sich. Was nicht der menschlichen Vernunft entspricht, ist schlichtweg unvernünftig!

Dieses Denken hat natürlich auch die Theologie nicht unberührt gelassen. Rudolf Bultmann, ein einflussreicher evangelischer Bibelwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, meinte einmal ganz ähnlich: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“

Aber mal ehrlich: können wir uns eigentlich alles vernünftig erklären, müssen wir es überhaupt und wollen wir es denn wirklich? Es gibt doch auch Menschen, die sich gerne wundern. Die sind nicht naiv, sondern eher selbstbescheiden. Sie geben sich bewusst etwas kleinlauter, weil sie davon überzeugt sind: es gibt viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die für uns unerklärlich sind und auch bleiben. Im Blick auf die immer wieder zu beobachtenden Spontanheilungen, nicht nur in Lourdes, hat Walter Gallmeier einmal festgestellt: „Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist.“ Gallmeier muss es wissen, gilt er doch als Pionier der internistischen Onkologie in Deutschland. Mit seinem Statement hat er sich ein Zitat von Ben Gurion zu eigen gemacht. Und der war immerhin der erste Ministerpräsident von Israel. An Wunder zu glauben, ist also nicht nur was für gutgläubig-naive Seelen…!

Aber was braucht es dann, um an Wunder glauben zu können? Ganz einfach: Man muss offen dafür sein. Offen für eine größere Wirklichkeit, die uns öffnet für Gott und sein Wirken in unserer Welt, die ja eigentlich die seine ist. Wer nur in den engen Grenzen des eigenen Hirnkästchens bleibt, wird schnell an enge Grenzen stoßen und sich den Kopf anstoßen. Mit einem Wort von Werner Sprenger: „Wunder erleben nur die, die an Wunder glauben“.

Aber reden wir nicht über andere. Wie würde ich mich denn selbst positionieren, heute am ersten Sonntag nach Ostern? Glaube ich schon fest an die Auferstehung, die von Jesus Christus und auch an meine eigene? Oder habe ich noch Zweifel? Vielleicht glauben wir ganz einfach an die Wunder der Bibel, weil wir sie gewissermaßen mit der Muttermilch eingeflößt bekommen haben. Aber glaube ich auch daran, dass es Wunder immer wieder gibt? Goethe hat es in seinen Gesprächen mit Eckermann auf den Punkt gebracht. Dass wir uns ganz gerne über Wunder in der Bibel wundern. Aber mit dem Glauben an ein Wunder hier und heute, sieht es anders aus. Hoffen wir wirklich darauf? Oder schieben wir nicht oftmals selbst einen gewaltigen Riegel vor? Frei nach dem Motto: „Wunder geht nicht, Wunder gibt`s nicht.“

Thomas ist ein Bewährungshelfer für Menschen, die sich mit dem Wunderglauben schwertun. Es ist gut, dass man den Zweifler drin gelassen hat in den Ostererzählungen. Man hätte ihn ja auch kurzerhand rausstreichen können. Thomas ist wichtig für uns moderne, aufgeklärte Christen, weil er eben nicht gleich glauben konnte. Aber dann mit seinem Zweifel zielführend umgegangen ist. Thomas hat die Auferstehung nicht einfach abgehakt. Und auch nicht wie Rousseau dagegen rebelliert. Thomas bleibt dran. Sein Zweifel wird für ihn zum Motor, der ihn umtreibt und antreibt, wieder zu kommen.

Und Jesus kommt dann auch. Es ist geradezu berührend, mit wieviel Entgegenkommen Thomas rechnen darf. Jesus hätte ihn sogar in seine Wunden greifen lassen. Dazu musste es gar nicht mehr kommen. Thomas kommt schon zuvor zum Glauben. Und sein Glaubensbekenntnis geht zu Herzen: „Mein Herr und mein Gott!“

Auf das Entgegenkommen des Auferstandenen dürfen auch hoffen, wenn, ja wenn uns der Glaube umtreibt. Dann treibt er uns auch in seine Arme. Das ist so sicher wie das „Amen“ in der Kirche. Seien wir heute dankbar, dass wir unseren Osterglauben festmachen können in Zeugen wie Thomas. Und bleiben wir offen für die Wunder, die Gott auch heute tut. Wenn wir denn bereit sind, uns zu wundern…! Amen.

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