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Palmsonntag

Palmsonntag
Gedanken zu Lk 19, 28-40

Vieles kann man sich nicht erklären… Vor allem die Macht des Bösen bleibt ein dunkles Geheimnis. Im Großen und Ganzen der Weltpolitik. Aber auch im Umgang von Mensch zu Mensch.

Wir begehen heute Palmsonntag. Wir treten ein in die Heilige Woche. Und die fordert uns alle Jahre wieder heraus. Vieles nimmt uns mit, was uns begegnen wird. Hoffentlich bleiben wir nicht stumme Beobachter! Wenn wir das Schicksal des Menschensohnes auf uns wirken lassen, verstehen wir, wie das Böse wirkt und wo es ansetzt. Damals wie heute.

Gleich zu Beginn der Fastenzeit hatte es der Versucher ja schon versucht. Allein mit Jesus in der Wüste. Er wollte ihn davon abbringen, das Reich Gottes auf die Welt zu bringen. Aber er hat eindeutig den Kürzeren gezogen. Den Kampf hat er verloren. Er lässt von Jesus ab. Aber, wie wir erfahren, nur zur bestimmten Zeit. Und diese bestimmte Zeit ist nun gekommen. Die Macht des Bösen versucht es immer wieder.

Der Versucher wagt sich freilich nicht mehr in einen direkten Zweikampf mit dem Gottessohn. Nun macht er sich an Menschen heran, die bereit sind, mit dem Bösen gemeinsame Sache zu machen. Und er findet sie auch…! Jesus hat er nicht herumbekommen. Viele der Pharisäer und Sadduzäer dagegen schon.

Mit welchem Mittel? Mit der Verlockung der Macht. „Alle Reiche will ich dir geben, wenn du vor mich niederfällst und mich anbetest“ (Mt 4, 9). Mit diesem Angebot ist er beim Gottessohn kläglich gescheitert. Diesmal dagegen hat er Erfolg. Denn die Machthaber haben die große Angst, ihre Macht zu verlieren. Die Pharisäer ihren uneingeschränkten religiösen Einfluss und die Sadduzäer, die nicht so „fromm“ waren, hatten eher machtpolitische und finanzielle Interessen. Darum machten die auch mit den Römern gemeinsam Sache.

Jesus dagegen wollte keine irische Macht haben, sondern Menschen befreien, die unterdrückt waren: die Armen und Entrechteten, die Sünder, die “Nobodys“ und „Outlaws“. Jesus hatte viel Zulauf. Das zeigt sich zuletzt bei seinem gefeierten Einzug in Jerusalem. Die Menge empfängt ihn gleich einem Messias. Der sollte gemäß der Schrift aus dem Hause Davids kommen. Und stammte Jesus nicht aus diesem Haus! Auf einem jungen Esel reitet er nun ein auf dem Jerusalemer Tempelberg. Das Reittier ist kein Zeichen von Bescheidenheit. Es ist ein messianischer Anspruch! Vor Pilatus bringt er diesen Anspruch zum Ausdruck und präzisiert ihn zugleich: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18, 36).

Es geht Jesus nicht um irdische Macht, sondern um das Reich Gottes. Wollten wir Jesus nur irdisch verstehen, wir würden ihn ebenso wenig verstehen wie die Menschen damals.

Immer wieder hat Jesus das Gespräch mit den religiösen Führern gesucht … Aber die haben ihn nie wirklich verstanden, sie wollten ihn auch nicht verstehen. Viele von ihnen aus Angst, ihre Vormachtstellung zu verlieren und damit auch ihre Privilegien. Am Ende geht es ihnen nur noch um eines: die bestehenden Verhältnisse zu verteidigen, koste es was es wolle. Dazu sind die Pharisäer sogar bereit, mit den verhassten römischen Besatzern gemeinsame Sache zu machen.

Am Karfreitag werden wir erleben, wie schnell die Meinung kippt, weil sich Menschenmassen rasch aufwiegeln lassen. Desinformation gab es damals wie heute. Die Wahrheit war schon immer das erste Opfer im Krieg. Und Menschen Opfer der Propaganda und der Lüge. Und beim Autokorso in Berlin haben sich auch 900 Personen beteiligt und laut hupend den Krieg in der Ukraine befeuert. Damals am Karfreitag sind auch viele auf den Beinen. Statt „Hosianna!“ zu rufen, skandieren sie „Kreuzige ihn!“ Pilatus beugt sich dem Druck. So wichtig ist ihm die Sache ohnehin nicht und er winkt Jesus durch.

Die Brutalität auf dem Kreuzweg, der nun folgt, wir sehen sie gerade in unerträglichen Kriegsbildern aus der Ukraine. Wir fragen uns, wozu Menschen fähig sind. Damals wie heute. Leid überfällt unschuldige Menschen. Folter, Spott und Hohn miteingeschlossen.

Aber damals wie heute begegnen uns bewegende Zeichen des Mitgefühls. Die weinenden Frauen; sie hatten noch Tränen. Seine Mutter, Maria. Sie steht für den Zusammenhalt von Familien, gerade in schwersten Zeiten. Eine Veronika, die sich mutig nach vorne durchkämpft, um wenigstens mit einem Schweißtuch nicht tatenlos zusehen zu müssen. Es kommen Menschen zur Einsicht. Ein Simon von Zyrene, dieser Bauer vom Feld geholt, der plötzlich zum Beteiligten wird und mitträgt an dem Kreuz eines anderen. Der Hauptmann unterm Kreuz und sein Bekenntnis: „Wahrlich, dieser war Gottes Sohn!“ Oder Josef von Arimathäa, dieser einflussreiche Ratsherr. Er wagt sich aus der Deckung und sorgt für ein würdiges Begräbnis, das gerade so vielen Menschen in der Ukraine verwehrt ist.

Nein, „es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde.“ Dieses Wort im Abendmahlsaal hat Jesus auf sich bezogen. Und er hat es vollbracht. Und zugleich ein Beispiel für viele gegeben, gegen allen Hass und alle Gewalt, der Macht der Liebe die Treue zu halten.

So sehen wir gerade in den schlimmsten Zeiten die beeindruckendsten Zeichen von Solidarität und Nächstenliebe. Damals in Jerusalem. Heute in der Ukraine und überall dort, wo es Menschen gibt, die guten Willens sind. An sie appelliert die Botschaft der Menschwerdung Gottes an Weihnachten: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen, die guten Willens sind.“

Am Kreuz hat die Menschwerdung ihren Höhepunkt erreicht – und das Herz Jesu blutet. Fühlen wir uns ihm aufs Innerste verpflichtet. Bleiben wir seiner Liebe treu. Wir leben gerade in einer Bewährungsprobe zum Guten. Mit Gottes Hilfe ist sie zu bestehen! Amen.

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