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Seligsprechungen

Seligsprechungen
Gedanken zum Evangelium am 6. Sonntag i. J. (Lk 6, 17, 20-26)

Die Freude ist groß und der Jubel ist unüberhörbar, wenn auf dem Petersplatz Menschen selig gesprochen werden. Grund zur Freude, ja zu echtem Jubel ist auch das heutige Evangelium. Denn auch da werden Menschen selig gesprochen. Nicht vom Papst, seinem Stellvertreter, sondern vom Gottessohn selbst – und nicht erst nach ihrem Tod, sondern schon zu Lebzeiten.
Aber der Jubel – er hält sich spürbar in Grenzen. Nun weiß ich, dass es zumindest in unseren Breitengraden nicht gerade üblich ist, im Gottesdienst in lautstarken Jubel auszubrechen. Mal ehrlich: wer von uns hat sich über das heutige Evangelium so richtig freuen können?

Ein Entschädigungsprogramm Gottes
Die Seligpreisungen lösen bei mir nicht wirklich Jubelgefühle aus. Ich werde schon eher nachdenklich. Denn Jesus macht ja kein Geheimnis daraus, wer zur Seligsprechung ansteht: Es sind die Armen, die Hungernden dieser Welt, es sind die Weinenden, die Gehassten, die Ausgestoßenen, die Beschimpften und Verrufenen, die da schon zu Lebzeiten selig gesprochen werden. Sind das wir?
Der erfolgreiche Schauspieler Karl-Michael Vogler wurde einmal um seinen Kommentar gebeten zu eben dieser Bibelstelle. Und er hat die Antwort: „Was fragt ihr die Gewinner des Lebens! Jesus hat die Verlierer gemeint!“
Für sie, die Verlierer dieser Welt -und da gibt es viele- ist das heutige Evangelium allerdings ein Grund zur Freude. Und für uns hoffentlich ein Grund zur Mitfreude.
Denn die Seligpreisungen sind ein wahrhaft „himmlischer Lastenausgleich“ für die ‚Zukurzgekommenen’ dieser Welt. Das Entschädigungsprogramm Gottes für die Geschädigten dieser Welt.
Menschen, die wenig oder nichts von sich und der Welt zu erwarten haben, sie dürfen Erwartungen haben an Gott. Er wird ihre Erwartungen erfüllen. „Selig seid ihr!“ Und die Litanei der Seligen, sie ist lang. Wie lange – Gott allein weiß es.

und eine Strafaktion?
Für sie können wir uns freuen. Aber auch für uns selbst? Die Nachdenklichkeit weicht der Betroffenheit, wenn wir auch den zweiten Teil des Evangeliums hören. Denn es waren nicht nur Seligpreisungen zu hören, sondern auch Wehe-Rufe, die aufschrecken. „Weh euch!“ Und auch hier sagt Jesus deutlich, wer gemeint ist:
„Weh euch, die ihr reich seid, ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten!
Weh euch, die ihr jetzt satt seid, ihr werdet hungern!
Weh euch, die ihr jetzt lacht, ihr werden klagen und weinen!
Weh euch, wenn euch alle Menschen loben!“
Sind das wir?
Betroffenes Schweigen… Vielleicht sind wir jetzt in der Versuchung uns zu rechtfertigen und fangen an mit Jesus zu diskutieren:
„So kann das doch nicht gemeint sein! Natürlich erhoffe auch ich,  einmal von Dir selig gesprochen zu werden.
Aber Du kannst doch um Himmels willen nicht wollen, dass ich dafür jetzt Hunger leide, dass ich in Trauer versinke, dass ich von anderen gehasst und Verruf gebracht werde?!“
Deine Seligpreisungen sind eine Entschädigungsprogramm für die Geschädigten der Welt. Und dafür bin ich Dir auch dankbar.
Aber sind sie zugleich auch eine Strafandrohung für mich, dem es doch ´Gott sei Dank!´ recht gut geht? Nein, so kannst Du das doch nicht gemeint haben.“
So hat es Jesus auch nicht gemeint. Jesus wollte und er will das Heil des Menschen – auch schon in dieser Welt. Dafür hat er sich schließlich selbst eingesetzt. Er hat sich gegen die Not gewandt, die Trauernden versucht zu trösten, er hat die Außenseiter in den Arm genommen und  sie wieder in die Gesellschaft zurückgeführt. Er hat die Menschen nicht einfach vertröstet auf das Himmelreich. Und er konnte sich mit den Menschen freuen.

Die Angst Gottes, den Menschen zu verlieren
„Weh euch!“ So bedrohlich dieser Ruf klingt. Es sind keine Drohungen, er sind vielmehr ergreifende Klageschreie, wie sie Menschen damals im Schmerz tiefster Trauer ausgestoßen haben. Keine Rufe der Verdammung, sondern Klagerufe der Trauer hat Jesus ausgestoßen, die seine Hörer ins Mark getroffen haben müssen.
Sie sind Ausdruck seiner Angst und Trauer, Menschen zu verlieren. Und sie richten sich besonders an die Menschen, um die Gott besonders viel Angst hat, weil sie ihn anscheinend nicht mehr brauchen.
Das will Jesus den Menschen sagen: „Nein, ich will nicht der Armut und der Not das Wort reden. Aber Du weißt so gut wie ich, dass der Reichtum zu einer Hypothek für den Glauben werden kann. Wie leicht der Mensch seine Seele an Wohlstand und Reichtum verkaufen kann.
Ich habe nichts gegen menschlichen Erfolg. Aber Du weißt so gut wie ich, wie schnell der Erfolg zu einem Namen für Gott wird. Wie schnell Erfolg den Menschen selbstvermessen und gottvergessen werden lässt.
Ich habe nichts gegen ein sorgenfreies und frohes Leben. Ich freue mich, wenn´s Dir gut geht. Aber Du weißt ebenso gut wie ich, wie leicht sich der Mensch in Genuss und Konsum veroberflächlicht und an Tiefe verliert.
Und ist das nicht auch unsere Beobachtung: Es ist kein Zufall, dass in Zeiten der Not die Kirchen voller sind als in Zeiten des Überflusses. Und es ist auch kein Zufall, dass ich in Hochstimmung eher Gott zu vergessen drohe als in Zeiten der Trauer, der Not und Verzweiflung.
Gott nötig zu haben, ist eben nicht so sehr die Sache der Satten und Reichen. Es ist schon eher die Sache der ‚Zukurzgekommenen‘ und Verlierer.
Dort, wo der Mensch Gott nicht mehr nötig hat, ist die Gefahr groß, dass er Gott aus dem Auge verliert. Und wo der Mensch Gott aus dem Auge verliert, da verliert er sich selbst. Das ist ein Grund zu tiefer Trauer, für Jesus allemal.
„Weh euch!“ Das sind keine Drohungen, es sind herzergreifende Schreie der Trauer Jesu, die zu Herzen gehen und so im Tiefsten Worte der Liebe. Die uns einmal mehr sagen, wie sehr wir Menschen Gott doch am Herzen liegen. „Ich will euch um des Himmels willen nicht verlieren. Nicht an den Reichtum, nicht an den Erfolg und nicht an Genuss!  Ich will euch nicht verlieren an all diese Götzen! Ich will euch gewinnen für Gott. Damit ich auch Dich einmal seligsprechen kann!“
Haben wir Jesus verstanden?

 

Fürbitten

Herr Jesus Christus, Du hast Dich in die Unvollkommenheit unserer Welt hinein verloren, um uns Menschen für Gott zu gewinnen.

  • Wir bitten Dich für die Armen, die nicht das Nötigste zum Leben haben, aber auch für all jene, die sich vom Reichtum abhängig gemacht haben.
  • Wir bitten Dich für die Trauernden, die nicht wissen, wie sie weiterleben sollen, aber auch für all jene, die zu trauern verlernt haben.
  • Wir bitten Dich für die Erfolglosen, die immer wieder von Niederlagen getroffen werden und an sich selbst zweifeln, aber auch für all jene, für die „Erfolg“ zum Namen Gottes geworden ist.
  • Wir bitten für die Menschen in Venezuala, im Jemen, im Sudan, die von blinden Machtinteressen in Not und Elend gestürzt wurden, aber auch für all jene, die ihnen zu Hilfe kommen.
  • Wir bitten Dich für uns: lass uns nie vergessen, dass Du uns nicht verlieren, sondern selig sprechen willst.

Herr Jesus Christus,
Du bist der Grund unserer Hoffnung und das Ziel unseres Lebens.
Dafür danken wir Dir.
Amen.

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