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Was für ein Augenblick!

Was für ein Augenblick!
Gedanken zum 30. Sonntag i. J. (Mk 10, 46-52)

„Der blinde Bartimäus“ ist uns wohl allen aus der Kinderbibel bestens bekannt. Umso wichtiger ist es, sich einmal wirklich in seine buchstäblich aussichtslose Lage hineinzuversetzen. Gar nichts sehen können! Kennen Sie einen blinden Menschen? Wie angewiesen man auf einmal ist! Man kann es für sich einmal ausprobieren und sich blind bewegen. Aber seien Sie vorsichtig, man wird schnell völlig unsicher! Gott sei Dank gibt es viele Hilfen. Von Sehhilfen bis hin zu Blindenschrift und Signalampel. Auf Menschen mit Behinderung wird in unserer Gesellschaft mehr und mehr Rücksicht genommen. Stichwort: „Inklusion“.

Ein Blinder – Sünder!
Das ist heute so sein. Damals war es anders. Seine Blindheit hat Bartimäus zum Bettler gemacht! Er steht nicht, Bartimäus sitzt (!) auf der Straße. Das ist definitiv noch eine Stufe weiter unten! Aber er hat sich noch nicht aufgegeben! Als Bartimäus hört, dass Jesus kommt -Blinde hören ja gut!- schreit es aus ihm heraus. Mit dem Mut der Verzweiflung und der Kraft seiner letzten Hoffnung. Die anderen wollen ihn zum Schweigen bringen. Und das aus gutem Grund. Als Jesus an anderer Stelle einmal einen Blindgeborenen sah, fragten ihn seine Jünger nicht: „Wie können wir helfen?“ Ihre Frage war einzig und allein: „Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“ (Joh 9, 2). Das machte die Situation des Bartimäus eigentlich erst so unerträglich. Nicht nur, dass er blind war. Man hielt ihn auch für einen Sünder. Er oder seine Eltern mussten gesündigt haben, sonst hätte Gott ihn nicht so gestraft. Krankheit als Strafe Gottes! Das spukt noch heute in manchen Köpfen herum. Jesus aber hat im Angesicht des Blindgeborenen solchen Überlegungen eine klare Absage erteilt: „Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern. Sondern die Werke Gottes sollen offenbar werden an ihm!“ (Joh 9, 3).

Wunder wirken nicht einfach so – aber sie wirken weiter!
Darum ruft Jesus auch diesen Blinden, Bartimäus, in seine Nähe. Endlich lässt man ihn los. Und Bartimäus rennt auf Jesus zu. Blind steht er vor dem Angesicht Jesu. „Was soll ich dir tun?“ Als ob es da nicht allein den einen Herzwunsch gäbe: „Rabbuni, mein Meister, ich will sehen können!“ Eines dürfen wir also nie übersehen: Wunder wirkt Jesus nie einfach so. Er wirkt sie immer zusammen mit Menschen. Initiative ist also gefragt! Wäre Bartimäus sitzen geblieben, er wäre blind geblieben. Aber er wusste, was er wollte. Und was hat ihm die Kraft gegeben? Sein Glaube und der nötige Vorschuss an Vertrauen, der aus diesem Glauben erwächst. Genau das hat ihm geholfen. Jesus sagt es ihm – und uns: „Dein Glaube hat dir geholfen.“  Wir alle kennen wohl die Volksweisheit: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“ Viel Wahrheit steckt in diesem Ausspruch drin! Um unseren Glauben müssen wir uns schon selbst bemühen. Aus dem Glauben erwächst dann aber Vertrauen. Und auf diesen Vorschuss an Vertrauen kommt es Jesus auch an. Die Erfahrung hat Bartimäus die Augen geöffnet. Und sie spricht auch aus unzähligen Danksagungen, die Menschen in unserer Wallfahrtskirche niedergeschrieben haben.

Wunder sind nicht bloß zum Wundern da. Und Jesus war auch kein Zauberkünstler. Wunder setzen Glauben voraus. Und sie können im Glauben auch weiterbringen. Bartimäus jedenfalls ist anschließend, sehenden Auges, Jesus nachgefolgt! Was muss das auch für ein Augenblick gewesen sein, als Bartimäus Jesus auf einmal in die Augen schauen durfte!

Augenpflege
Wir können wie selbstverständlich sehen. Und doch ist es wichtig, dass wir unser Sehvermögen behalten. Damit sich unser Blick nicht mit der Zeit trübt. Oder unser Auge sich an so Vieles gewöhnt, das wir lieber so nicht anschauen sollten. Reden wir nicht vom grauen Star, der Linsentrübung, die sich durch einen kleinen Eingriff leicht beheben lässt. Reden wir lieber von der Macht der Gewohnheit, die vieles mit der Zeit so selbstverständlich erscheinen lässt. Vielleicht lohnt sich am heutigen Sonntag einmal bewusst neu zu blicken, auf Altbekanntes und längst Vertrautes. Es so anzuschauen, als würden wir es zum ersten Mal im Leben sehen. Und wir werden uns wundern! Über die Farbenpracht des Herbstlaubes. Über die filigrane Faszination einer kleinen Stubenfliege oder noch viel besser: über Menschen, mit denen wir tagtäglich zusammenleben, weil wir mit ihnen verheiratet sind, weil sie unsere Kinder sind oder der Kirchgänger, den ich jeden Sonntag in seiner Bank sitzen sehe… Versuchen wir immer auch ein waches Auge zu haben, für das, was Menschen fehlt. In unserer Umgebung aber auch in der weiten Welt. Wir begehen heute ja auch den Weltmissionssonntag. Schauen wir nicht weg, wenn im Fernsehen wieder einmal die Ungerechtigkeit gezeigt wird, die in unserer Welt nah wie weithin vor herrscht.

Und versuchen wir immer wieder auch Jesus in den Blick zu nehmen. Schauen wir ihn an, der uns anschaut, und versuchen wir bewusst, seine Augen zu meinen Augen zu machen. Und auch da werden wir uns wundern. Wie Jesus die Dinge sieht und alle Möglichkeiten, die in ihnen stecken. Jesus kann auch uns immer wieder die Augen öffnen. Wie hat es Lothar Zenetti so wahr ausgedrückt: „Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht“!

 

Herr Jesus Christus,
Du hast gesagt: „Ich bin das Licht der Welt.“
Du willst auch uns die Augen öffnen.

  • Wir denken an die Menschen, die mit einer Sehbehinderung leben müssen.
  • Wir denken an Angehörige, Pflegekräfte und Therapeuten, die behinderten Menschen echte Lebenshilfe geben.
  • Wir denken an uns, die wir sehen, dass wir aufmerksam hinschauen, um zu erkennen, worauf es ankommt.
  • Wir beten für alle, die sich weltweit einsetzen für einen gerechten Ausgleich.
  • Wir denken an später und bitten schon jetzt um das Ewige Licht in Deiner Vollendung.

Herr Jesus Christus,
Du setzt auf unser Vertrauen. Und wir setzen unser Vertrauen auf Dich.
So kann viel gut werden.
Amen.

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