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Wen wundert´s?

Wen wundert´s?
Gedanken zum 17. Sonntag i. J. (Joh 6,1-15 )

Die Brotvermehrung. Wie oft haben wir das schon gehört. Zu oft? Dass man sich schon gar keine ernsthaften Gedanken darüber macht. Wieder mal ein Wunder halt… Aber wie ist das Wunder eigentlich richtig zu verstehen? Die Frage lohnt sich, denn zu zwei Missverständnissen kann es leicht kommen:

Dass wir das Wunder recht verstehen…
Missverständnis Nr. 1: Man kann diese Brotvermehrung so lange hin und her erklären, bis man am Ende ohne Wunder auskommt. Das klingt dann in etwa so: die Jünger haben sich von Jesus am Ende überreden lassen, das Wenige, das sie hatten, zu teilen. Menschen können teilen – was für ein Wunder! Wie aber am Ende so viele satt geworden sein sollen, bleibt völlig unklar.
Die anderen haben sich gleich auf das Wunder gestürzt. Ist ja auch wunderbar! „Fast Food“ – Brot so mir nichts, dir nichts, im Handumdrehen. Das ist das Missverständnis Nr. 2, dem viele schon damals aufgesessen sind. Sie sind Jesus anschließend nur deshalb nachgelaufen, weil sie immer diese „Schnellküche“ haben wollten. Umsonst. Jesus wird es nie mehr machen,  dieses „Brot-im-Handumdrehen“. Letztlich geht es ihm ja um viel mehr – um das Brot des Lebens, das er selbst ist…
Beide Deutungen haben einen Haken: sie nehmen nicht ernst, was im Evangelium ausdrücklich berichtet wird. Und damit verstehen sie auch nicht, worum es Jesus eigentlich geht.
Zunächst halten wir fest: Ohne Wunder geht´s nicht! Stellen wir uns die Situation doch ganz einfach vor. Die Zahl der Männer wird mit etwa 5000 angegeben, rechnen wir jetzt noch Frauen und Kinder dazu… Und sie alle haben Hunger. „Brote für 200 Denare reichen nicht für sie, dass jeder nur ein wenig bekommt.“ (Joh 6, 7) Mit seinem Einwand hat Philippus völlig Recht. Und auch die fünf Gerstenbrote und die zwei Fische helfen nicht wirklich weiter, die ein Bub noch dabei hatte. Denn am Ende wurden ja offensichtlich alle satt, und dazu sind noch 12 Körbe übrig geblieben. Da musste schon ein Wunder her. „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, hat der Staatsgründer Israels David Ben-Gurion einmal bemerkt. So sehe ich das auch!

Wunder nicht von oben herab
Aber was ist das für ein Wunder? Ist es Ihnen aufgefallen, dass Jesus nie einfach ein Wunder wirkt? Er hätte es bestimmt tun können: einfach Wunder wirken. Aber er wollte nicht. Immer setzt er auf Seiten des Menschen etwas voraus. Nämlich Glauben und Vertrauen. „Dein Glaube hat Dir geholfen!“ Das fügt Jesus immer wieder hinzu, wenn er etwa einen Menschen wunderbar geheilt hat. (Vgl. Lk 7,70; 8, 48; 17, 19)
Und auch vor dem Wunder der Brotvermehrung war etwas fällig, diesmal auf Seiten der Jünger: Denn sie mussten ja zunächst bereit sein, das Wenige, was sie hatten, bereitzustellen, um es dann zu teilen. Und sie haben es tatsächlich getan. Das allein schon ist in der Tat ein kleines Wunder. Hätten wir das getan? Sie haben es gemacht. Erst daraufhin spricht Jesus das Dankgebet über den Gaben. Die Voraussetzung für das Wunder der Brotvermehrung ist die Bereitschaft zu teilen. Im Teilen liegt viel Segen. Daran dürfen wir fest glauben.

Vom Wunder des Teilens
Im Kleinen. Daran erinnern wir uns alljährlich an St. Martin. Der ja so geteilt hat, dass weder er noch der Bettler am Ende gefroren haben. Und auch die Jünger sind ja am Ende noch satt geworden. Wenn Menschen richtig teilen, kommt keiner zu kurz. Nur so lassen sich Notlagen wirklich überwinden.
Auch das legendäre „deutsche Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit war nur deshalb möglich, weil die Menschen genau dazu bereit waren – zu teilen. Mit dem Vorschuss an Vertrauen: Ich gebe dir im Vertrauen darauf, du hilfst mir. Denn wir brauchen uns. Mit dieser Einstellung wurde ein ganzes Land wieder aufgebaut.
Um diese Teilungsbereitschaft geht es auch heute. Natürlich wird in unserem Land beklagt, dass wir mehr bezahlbaren Wohnraum brauchen. Dabei stand nie zuvor so viel Wohnraum zur Verfügung: fast 50 m² pro Person. Vielleicht hat die die Wohnungsknappheit ihren Grund darin, dass immer weniger Menschen ihr Zuhause mit anderen teilen. 40% Singlehaushalte gibt es bayernweit, in Großstädten leben weit mehr als die Hälfte der Menschen allein.
Auch die Flüchtlingskrise hat ihren eigentlichen Grund in dem Unvermögen,  die Güter der Welt gerechter zu verteilen. Oder ist es gerecht, dass die acht reichsten Männer mehr Kapital haben als die Hälfte der ärmeren Weltbevölkerung.
Und dass auch die Verteilung der Lebensmittel ungerecht ist, beweist ein Blick in die Mülltonnen: pro Jahr werden 1.3 Mrd. Tonnen Lebensmittel weltweit weggeworfen. Die einen haben also offenbar viel zu viel. Für andere bleibt viel zu wenig übrig. Von der Verschwendung kostbarer Ressourcen einmal ganz abgesehen…
Da hilft nur noch ein Wunder! Bei diesem Gedanken denken manche zuerst an Gott. Aber Gott denkt zuerst an uns. Tut Ihr zuerst das Menschenmögliche! Auf Wunder dürfen wir nur hoffen, wenn wir Gott versprechen, das Menschenmögliche zu tun. Hätten die Jünger nicht die Bereitschaft gezeigt, das Wenige mit so vielen zu teilen, hätte Jesus das Wunder nicht wirken können. Wie hat es doch Cyrus Curtis so schön auf den Punkt gebracht: „Wenn Du an Gott glaubst, wird er die Hälfte Deines Wirkens tun – die zweite Hälfte.“

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