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Wen wundert‘s?

Wen wundert‘s?
Gedanken zum 30. Sonntag i. J. (Mk 10, 46-52)

 Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig gewundert? Lange her? Das Evangelium hat uns allen Grund dazu gegeben. Aber ehrlich zugegeben, über die Wunder Jesu wundern wir uns nicht (mehr) wirklich. Schon so oft gehört, wer hört noch zu? Und warum soll man sich eigentlich noch wundern, wenn man am Anfang schon weiß, was am Ende herauskommt.
„Der blinde Bartimäus“ und seine Geschichte sind uns schließlich schon aus der Kinderbibel bestens bekannt. Umso notwendiger ist es, sich einmal wirklich in seine buchstäblich aussichtslose Lage hineinzuversetzen. Nichts sehen können! Kennen Sie einen blinden Menschen? Wie angewiesen man auf einmal ist, man kann es für sich einmal ausprobieren und sich blind bewegen. Aber seien Sie vorsichtig, man wird gleich unglaublich unsicher! Gott sei Dank gibt es viele Hilfen. Von Sehhilfen bis hin zur Blindenschrift. Und Ampelübergänge mit akustischem Signal. Auf Menschen mit Behinderung wird in unserer Gesellschaft mehr und mehr Rücksicht genommen. Stichwort: Inklusion.

Ein Blinder – Sünder!
Das mag heute so sein. Damals war es anders. Seine Blindheit hat Bartimäus zum Bettler gemacht! Er steht nicht, Bartimäus sitzt (!) auf der Straße. Das ist definitiv noch eine Stufe weiter unten! Aber er  hat sich noch nicht aufgegeben! Als Bartimäus hört, dass Jesus kommt -Blinde hören gut!- schreit es aus ihm heraus. Mit dem Mut der Verzweiflung und der Kraft seiner letzten Hoffnung. Die anderen wollen ihn zum Schweigen bringen. Und das aus gutem Grund. Als Jesus an anderer Stelle einmal einen Blindgeborenen sah, fragten ihn seine Jünger nicht: „Wie können wir helfen?!“ Ihr Frage war einzig und allein: „Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“ (Joh 9,2). Das machte die Situation des Bartimäus eigentlich erst so unerträglich. Nicht nur, dass er blind war. Man hielt ihn auch für einen Sünder. Er oder seine Eltern mussten gesündigt haben, sonst hätte Gott ihn nicht so gestraft. Krankheit als Strafe Gottes! Das spukt noch heute in manchen Köpfen herum. Jesus aber hat im Angesicht des Blindgeborenen solchen Überlegungen eine klare Absage erteilt: „Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern. sondern die Werke Gottes sollen offenbar werden an ihm!“ (Joh 9, 3).

Wunder wirken nicht einfach so – und sie wirken weiter
Darum ruft Jesus auch diesen Blinden, Bartimäus, in seine Nähe. Endlich lässt man ihn gehen. Bartimäus -blind wie er war!-  rennt auf Jesus zu. Blind steht er vor dem Angesicht Jesu.
„Was soll ich dir tun?“ Als ob es nicht alle wüssten, was Bartimäus einzig und allein will. Die Frage Jesu verwundert, und doch wird dadurch eines klar: Jesus will es wissen! Sprich es aus, Bartimäus! – „Rabbuni, mein Meister, ich will wieder sehen können!“, bricht es aus Bartimäus hervor.
Eines ist hier nicht zu übersehen: Wunder wirkt Jesus nie einfach so. Er wirkt sie immer zusammen mit Menschen. Initiative ist also gefragt! Wäre Bartimäus sitzen geblieben, er wäre blind geblieben. Was ihm die Kraft gegeben hat? Sein Glaube und der nötige Vorschuss an Vertrauen, der aus diesem Glauben erwächst. Und genau das hat ihm auch geholfen. Jesus sagt es ihm – und uns: „Dein Glaube hat dir geholfen.“  „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“ Eine gewisse Wahrheit steckt in diesem Ausspruch also schon drin! Um unseren Glauben müssen wir uns schon selbst bemühen. Aus dem Glauben wächst dann aber –irgendwie von selbst- Vertrauen. Auf diesen Vorschuss an Vertrauen kommt es Jesus an. Die Erfahrung hat Bartimäus die Augen geöffnet. Und sie offenbart sich uns auch in den unzähligen Bitten und Danksagungen, die Menschen in unserer Wallfahrtskirche niedergeschrieben haben.

Wunder sind nicht bloß zum Wundern da. Und Jesus war auch kein Zauberkünstler. Wunder setzen Glauben voraus. Und sie können im Glauben auch weiterbringen. Bartimäus jedenfalls ist anschließend, sehenden Auges, Jesus nachgefolgt! Was muss das auch für ein Augenblick gewesen sein, als Bartimäus Jesus auf einmal in die Augen schauen durfte!

Wunder gibt es immer wieder?
Szenenwechsel… „Wunder gibt es immer wieder“, hat Katja Ebstein in einem Schlager der 70er gesungen. Sie erinnern sich? Ob das heute wirklich noch wahr sein kann? Viel wird, nach allem, was wir gehört haben, von uns abhängen und von unserem Glauben. Manch „modernem“ Menschen fällt der Glaube heute schwer. Dürfen wir noch an Wunder glauben oder müssen wir nicht alles selbst im Griff haben? Und können wir andererseits nicht immer mehr? Aber anders gefragt: Was bleibt da für Gott noch übrig? Richtig! Wenn alle Stricke reißen, muss Gott herhalten. Aber Gott ist weder Notnagel noch Lückenbüßer. Im Kleinen wie im Großen will er mir uns zusammenwirken und gemeinsame Sache machen. Der Glaube will uns dazu bringen. Gehen uns mit Bartimäus die Augen auf?
„Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht“, hat Lothar Zenetti einmal festgestellt. Wie wahr! Danken wir, die wir sehen können, für das Augenlicht und das Licht des Glaubens. Und schauen wir mit beiden Augen genau hin. Damit wir keine Fern-Seher werden. Denn wir begehen zugleich den Sonntag der Weltmission. Fremde Not muss uns nahe gehen. Jesus war immer nah dran. Bartimäus hat er die Augen geöffnet.

 

Lieber Bartimäus,
hättest du gedacht, dass dich nach 2000 Jahren fast jedes Kind kennt. Und dass wohl jeder in einem Atemzug hinzufügt, dass du blind warst.
Auf einmal aber konntest du wieder sehen. Das Wunder hat damals viele außer sich vor Staunen gebracht. Am nächsten Sonntag werden wir sie wieder feierlich verkünden, „Die Heilung des blinden Bartimäus.“ Aber ob sich danach noch jemand wundert…? Ich glaube, die Leute haben deine Geschichte schon zu oft gehört. Alle wissen von vornherein, was am Ende herauskommt. Klar, der Bartimäus wird wieder sehen können. Aber so klar war das für dich nicht. Wie wir wissen, warst du ein Bettler. Du standest nicht auf der Straße, du warst dort gesessen, das ist eine Stufe drunter.
Ich weiß nicht, was du damals über Jesus wusstest, aber bestimmt viel weniger als wir heute. Und doch. Als du die Rufe der Massen gehört hast -sehen konntest du ja nicht-, hast du nur noch gerufen, so laut du nur konntest. Die anderen wollten dich zurückhalten. Aber das gelingt nicht bei Menschen, die verzweifelt sind und dennoch voller Hoffnung stecken. Du hattest dich eben nicht aufgegeben. Und Jesus dich nicht überhört.
Er hat dich gefragt, was du willst. Das hätte er doch sehen können und das hat er auch. Aber er wollte es von noch einmal on dir wissen: „Ich will wieder sehen können!“ Und auf einmal konntest du sehen! Diesen Augenblick hast du uns voraus. Den du hast nicht nur das Licht der Welt wieder erblickt, sondern dem in die Augen geschaut, der das Licht der Welt ist: Jesus! Ihn hast du nicht mehr aus deinen Augen verloren. Du bist ihm nachgefolgt.
Wer dir geholfen hat? Jeder wird spontan sagen: natürlich Jesus. Jesus aber hat etwas anderes gesagt. Dein Glaube hat dir geholfen. Du Dir!

 Viele Menschen von heute sehen so viel, haben vielleicht schon alles gesehen. Aber sie sind dabei irgendwie so kurzsichtig geworden. Du warst blind und hast doch weiter gesehen und tiefer geblickt, das hat dir am Ende die Augen geöffnet. „Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.“ Dieser Gedanke von Lothar Zenetti wird dir bestimmt gefallen! An Wunder glauben viele heute nicht mehr, warum wohl, weil es ihnen genau: an Glauben fehlt. Den hast du mitgebracht und damit den Vorschuss an Vertrauen, den Jesus voraussetzt, damit er wirken kann. „Alles ist möglich dem, der glaubt“ (Mk 9,23), Das hat Jesus bei der Heilung eines anderen Kranken einmal gesagt. Ein heilsames Wort!

Bartimäus, du hast dir bestimmt nicht gedacht, dass Christen an diesem Sonntag weltweit an dich denken. Aber glaube mir, nie warst du wichtiger als heute mit deinem Glauben voller Hoffnung, der uns die Augen tiefer öffnen will. Danke!

 

O-TON Jesus

Die Wunder

„O-Ton Jesus“. Unter diesem Motto stand eine sechsteilige Veranstaltungsreihe des Arbeitskreises „Glaubensverkündigung“ in unserer Pfarreiengemeinschaft Biberbach-Affaltern. Nach allem, was wir von Jesus wissen und uns über sein Wirken damals wie heute vorstellen, es bleibt die Frage: Was hat er eigentlich gesagt? Welche Worte hat er gesprochen? Was haben seine Worte dann bewirkt.

Bei näherem Nachdenken wird wohl so manchem bewusst, wie wenige Worte aus seinem Mund uns im Original präsent sind. Welches Wort, welcher Satz Jesu ist mir „O-Ton“ geläufig? Das ist eine erste Feststellung vorab. Und ein Zweites lässt sich auch schnell erkennen: Jesus war kein Vielredner. Er hat nicht (zu) viele Worte gemacht. Umso mehr haben seine Worte offenkundig gewirkt.

In dieser Ausgabe von „LeSensWert“ werden wir jene Worte Jesu auf uns wirken lassen, die er im Zusammenhang mit Wundern getan hat. Nach einigen Gedanken zum Thema „Wunder“ soll Jesus selbst zu Wort kommen. Und zwar im O-Ton.

„Wunder gibt es immer wieder…“
Kennen Sie noch diesen Schlager von Katja Ebstein? Lang ist´s her… Aber die Frage bleibt: Gibt´s denn so was wie Wunder wirklich? Oder anders gefragt: wann habe ich mich zuletzt so richtig gewundert – und worüber? Wir sehen unschwer, wie mehrdeutig der Begriff „Wunder“ ist.
Was also ist eigentlich ein Wunder?
Was macht ein Wunder aus?

Wunder verwundern
Ein Wunder ist wirklich eine Erfahrung der anderen Art. Wunder lassen sich nicht naturwissenschaftlich erklären. Und genau das macht sie von vornherein für so manchen „modernen Zeitgenossen“ auch  schon suspekt. Zumindest für all jene, die sich alles erklären wollen.
Wir sind schließlich gewohnt, vernünftig zu denken. Unsere Vorstellungen bewegen sich in den sicheren Grenzen von Raum und Zeit. Wir suchen nach Ursachen und erwarten die Folgen. Das nennen wir dann „logische Zusammenhänge“. Unter diesen Maßgaben und in diesem Rahmen wird es für so etwas wie „Wunder“ natürlich eng. Wunder zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie die Vorstellungen des Menschen sprengen. Darum wundern wir uns schlussendlich ja auch.

Wunder einer anderen Wirklichkeit
Wunder sind Ereignisse, die in einer anderen Wirklichkeit ihren Ausgangspunkt haben, aber in unsere Wirklichkeit hinein wirken. Sie ereignen sich im Hier und Jetzt. Und sprengen damit den Rahmen von Raum und Zeit auf. Wer nur an die sichtbare Welt glaubt, wird sich mit Wundern von vornherein schwer tun. Wer hingegen offen ist für eine unsichtbare Welt, wird mit Wundern rechnen.
Was Raum und Zeit übersteigt nennen wir „Unendlichkeit“ und „Ewigkeit“. Eben diese beiden Begriffe haben Menschen schon immer mit Gott (und den Göttern) in Verbindung gebracht. Und damit ihre Offenheit für eine unsichtbare Wirklichkeit zum Ausdruck gebracht. Ganz nebenbei bemerkt: Alles Sichtbare ist vergänglich. Nur das Unsichtbare hat den Keim des Ewigen in sich. Wunder sind somit eine „Zu-Mutung“ aus der Ewigkeit, die unseren Erwartungshorizont unendlich weiten können.

Was für Wunder!
Die Wunder Jesu lassen sich unterteilen im näheren Blick auf das Geschehen in Heilungswunder, Dämonenaustreibungen und Naturwunder.
Im Weiteren wenden wir uns vor allem den Naturwundern zu. Sie umfassen

  • das Speisungswunder (Mk 8,1-9; Mt 14, 13-21)
  • das Weinwunder von Kanaa (Joh 2,1-11)
  • den verdorrten Feigenbaum (Mt 21, 18-22)
  • die Stillung des Seesturms (Mk 4, 37-41)
  • den Gang über den See (Mt 14,22-33)
  • den wunderbaren Fischzug (Joh 21,1-14)
  • und die Erweckung des Jünglings von Nain (Lk 7,11-25), des Lazarus (Joh 11, 1-44), der Tochter des Jairus (Mk 5,22-42).

Naturwunder ereignen sich in einem sichtbaren und scheinbaren Widerspruch zu den Gesetzmäßigkeiten unserer empirisch erfassbaren Wirklichkeit. Diese Wunder wirken kann kein Mensch. Darum stellen sie die Frage nach Gott.

Wunder setzen einiges voraus
Die Evangelien und die Apostelgeschichte stecken voller Wunder. Und doch unterscheiden sie sich von anderen wundersamen Büchern wie etwa Münchhausens Abenteuern. Geht es hier um die Lust an unglaublichen Sensationen, geht es den Evangelien allein um den Glauben. Wunder setzen Glauben voraus. Wer nicht an Wunder glaubt, wird sich schwerlich wundern… Und vor allem, es braucht ja einen, der Wunder tut.
Die Wunder Jesu setzen einen gewissen Beitrag, eine Bereitschaft auf Seiten des Menschen voraus. Offenbar gibt es nicht nur den Glauben des Menschen an Gott, sondern auch den Glauben Gottes an den Menschen. Und daran, dass der Mensch an Wundern mitwirkt:
Petrus muss bei heftigem Wellengang erstmal aus dem Boot klettern und die Angehörigen des toten Lazarus mussten zunächst Jesus verständigen. Die Jünger mussten zunächst einmal ihre Bereitschaft signalisieren, das Wenige an Brot und Fisch zu teilen. Erst so konnte Jesus seinen Segen geben. Auch heute muss einer erst einmal nach Lourdes pilgern, wenn er sich von dem Gnadenort Heilung erhofft.

Wunder wirken
Die Wunder Jesu erheben selbstverständlich den Anspruch, dass es sich dabei um tatsächliche Begebenheiten handelt. Sehr genau wird die Ausgangslage beschrieben, die näheren Umstände und die Notwendigkeit eines Eingreifens Jesu. Und schließlich wird der Aufweis erbracht: Jesus hat ein Wunder gewirkt. Sein Wort und seine Tat waren offenkundig wirkmächtig. Und auch dies noch: jedes seiner Wunder macht Sinn. Auch das gehört wesentlich zu den Wundern Jesu.
Die Götter der Antike haben in der griechischen und römischen Mythologie  oft genug nur ihr Spiel mit den Menschen getrieben und hatten ihren Spaß daran. Natürlich haben sich die Menschen auch über derartige Wunder gewundert. Aber sich zugleich die Frage gestellt: Was soll das alles? Welchen Sinn macht das?

Bei den Wundern Jesu darf man sich diese Frage auch stellen und unschwer erkennen, dass alle seine Wunder sogar doppelt Sinn machen. Die Brotvermehrung etwa hat Tausende wirklich satt gemacht. Und Petrus ist über den See auf Jesus zugegangen und nicht untergegangen. Und die Toten waren nach ihrer Erweckung tatsächlich wieder ins Leben zurückgekehrt. Aber das ist nur die eine Seite der „wunderbaren Medaille“.

Wunder machen einen tieferen Sinn
Jesus war kein Zauberkünstler und weit mehr als ein Wundertäter. Als solcher hätte er wahrscheinlich bessere Geschäfte machen können und wäre wohl nie gekreuzigt worden. Jesus ging es um Gott und den Menschen. Er wollte Menschen Gott nahe bringen. In diesem Dienst stehen seine Wunder. Sie sollen spürbar werden lassen, dass Gott den Menschen nahe ist. Gerade im Wirken seines eigenen Sohnes. Wunder sind also kein Selbstzweck, sondern vielmehr ein „Zeichen“, wie sie im Johannesevangelium auch bezeichnet werden. Sie weisen hin, dass es mehr gibt. Und um dieses Mehr geht es Jesus für uns Menschen. Heilungswunder brachten gewiss die Wiederherstellung körperlicher und geistiger Gesundheit; und doch: alle, die Jesus geheilt hat, sind später wieder krank geworden. Und auch die wunderbar Gespeisten bekamen später wieder Hunger.

Darum sind Wunder oft der Anlass, aufmerksam zu werden, um dann tiefer zu blicken, worum es Jesus wirklich geht. Und Jesus hilft dabei. Bei den Broten ging es ihm eben nicht um „Fast Food“, sondern um die Speise, die nicht verdirbt, das Brot des ewigen Lebens, das Jesus selbst ist. Bei der Errettung des Petrus geht es um den Vorschuss an Gott-Vertrauen, den es braucht, wenn wir in stürmischen Zeiten nicht untergehen wollen. Und die von den Toten Erweckten, auch sie sind nach mehr oder weniger vielen Jahren wieder gestorben. Wartet am Ende doch nur der Tod? Die Totenerweckungen machen sensibel dafür, dass es uns am Ende wirklich um ein anderes Leben gehen muss. Um unser Über-Leben bei Gott. Das sich in der Erweckung Jesu von den Toten ereignet. Diesem Wunder aller Wunder- der Auferstehung.

 Wunder haben es oft schwer
Natürlich haben es Wunder schwer. Schon damals. Aber heute wohl noch mehr. Weil man sich mehr und mehr erklären kann. Und noch mehr klären will. Wunder sind damit für viele nur noch ungeklärte Tatsachen oder eben bloße Einbildung…
Der zweifelnde Thomas steckt wohl noch heute in vielen Menschen. Thomas wollte sehen und begreifen, bevor er glaubt. Das ist menschlich und verständlich. Aber bei Thomas kommt etwas Entscheidendes dazu: Er bleibt bei seinem Zweifel nicht stehen. Der Zweifel treibt ihn um. Und er kommt wieder. Und Jesus kommt ihm entgegen. Lässt sich von ihm berühren. Und am Ende kann Thomas nur noch staunen: und bekennen: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28)
Die Antwort Jesu darauf gilt vor allem uns:  „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“  (Joh 20, 29) Auf den Glauben kommt es an, nicht auf unser Wissen und unseren Verstand. Und Glaube ist schließlich mehr als Wissen. Glauben will dem Wissen auf die Sprünge helfen, der Glaube übersteigt alles Wissen wunderbar. Weil wir nicht dort enden, wo die Möglichkeiten des Menschen Grenzen setzen, sondern wo Gottes Wirken sichtbar wird und Unmögliches möglich.

 Mich wundert nichts mehr!
Wer so was sagt, ist irgendwie mit der Welt schon fertig. Nichts Neues unter der Sonne.  Oder er sträubt sich mit allem was er hat, einer übernatürlichen Wirklichkeit auch nur den Hauch einer Chance zu geben. So wie der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau. Mit ganzer Wucht bäumt er sich gegen die Möglichkeit von Wundern auf: „Selbst wenn ich dem Schauspiel einer Totenerweckung zuschauen könnte, so würde ich doch viel eher wahnsinnig als gläubig werden.“ Vielleicht liegt das Problem darin, dass Rousseau am Vordergründigen der Auferstehung hängen geblieben ist. Aber wie gesehen, Wunder haben einen tieferen Sinn. Sprechen von einer größeren Wirklichkeit. Tod und Auferstehung Jesu waren eben kein Schauspiel, sondern eine dramatische Rettungsaktion. Wer das begriffen hat, war bereit, für diesen wunderbaren Glauben als Märtyrer selbst in den Tod gehen.

Wunder darf man nicht zerreden
Jesus selbst hat wenig Worte gemacht. Umso mehr konnten seine Worte offenbar wirken. Nicht so die Menschen. Im Laufe der Glaubensgeschichte hat es nicht an Versuchen gefehlt, Wunder „verständlich“ zu machen. Die Wunder Jesu wurden so lange „bearbeitet“, bis sie endlich klein genug waren und im menschlichen Verstand Platz hatten. Die Brotvermehrung muss man sich dann in etwa so vorstellen: Die Jünger haben das Wenige so lange geteilt, bis letztlich die 4000 oder 5000 Männer samt ihren Familien wenigstens einen Krümel Brot und eine Faser Fisch bekamen. Problem dabei: Auf diese Weise ist am Ende niemand wirklich satt geworden. Und wohl keiner wäre Jesus nachgelaufen mit der Bitte: „Herr, gib uns immer dieses Brot!“
Jesus geht über den See und Petrus auch. Man kann da viel mit dem Thema Vertrauen psychologisieren. Aber ist Petrus nicht nicht untergegangen?!
Und die Totenerweckung? Vielleicht waren die drei Betroffenen ja nur scheintot! Klingt einleuchtend. Aber hat Lazarus nicht bereits gerochen?! Nicht von ungefähr hält jeder Wunderbericht das Ereignis faktisch genau fest. Gut so. Das hilft uns, den Wundern im Nachhinein Glauben zu schenken.
Und auch dies soll nicht unerwähnt bleiben. Neben den vier Evangelien des Neuen Testamentes gibt es auch noch weitere sog. apokryphe Evangelien. In ihnen finden sich Wunder, die bei den biblischen Evangelien nicht überliefert sind. Der Grund liegt auf der Hand. Diese Wunder waren offenbar eben nicht glaubwürdig.

Wen wundert´s?
Wunder sind eine Art Herzklopfen der Ewigkeit in unserer Zeit. Unsere sichtbare Welt besteht nicht aus sich. Und sie ist auch nicht alles. Es gibt noch mehr und es gibt andere Gründe. Und der Urgrund aller Wirklichkeit und allen Seins ist für den gläubigen Menschen Gott. Dieses Denken steht nicht im Widerspruch zur Naturwissenschaft. Ganz im Gegenteil! Max Planck, Begründer der Quantentheorie und Nobelpreisträger stellte einmal ausdrücklich fest: „Religion und Naturwissenschaften ergänzen und bedingen einander. Gott steht für den Gläubigen am Anfang, für den Physiker am Ende alles Denkens.“ Der Gläubige ist einer, der eben nicht bei Gott aufhört, sondern mit ihm (immer wieder) anfängt. Ganz in diesem Sinn verstehen wir auch die Überzeugung von Israels Gründungspräsidenten David Ben-Gurion: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“

Am Ende geht es Jesus bei seinen Wundern um das, was sie zugleich voraussetzen: um den Glauben. Und darum darf es nicht beim Wunder bleiben. Wunder wollen etwas bewirken. Wer nur das Wunder sieht, wird schnell wundersüchtig. Immer wieder braucht es immer neue, immer mehr Wunder. Aber eigentlich geht es doch um mehr Glauben. Nicht umsonst verbietet Jesus immer wieder, seine Wundertaten marktschreierisch weiter zu erzählen. Andererseits: Wer vor Wundern davonläuft, ist wunderflüchtig. Es kommt darauf an, Wunder als das zuzulassen, was sie sind und auch heute sein wollen: eine echte Glaubenshilfe, für die wir dankbar sein sollten. J. W. v. Goethe hat einen guten Rat zum rechten Umgang mit Wundern: „Der Mensch soll das Erforschliche erforschen und das Unerforschliche ehrfurchtsvoll anbeten.“

Aber es darf auch nicht bei dem Wunder bleiben!
Es muss weitergehen und zwar anders als zuvor. Ein wunderbarer Augenblick kann eine ganze Welt verändern… Darum lohnt es, sich in die Wunder Jesu einzuleben. Sie sich wirklich vorzustellen und sie so nachzuerleben. Die Welt des Glaubens kennt Wunder – und ist nicht die ganze Welt ein einziges Wunder!
Zum Schluss darum noch zu einem Natur-Wunder der besonderen Art: einer unliebsamen Fliege auf dem Computer eines Ingenieurs. Der war gerade mit der Konstruktion eines Autoteils beschäftigt, Mitarbeiter in einem großen Team, unterstützt von modernsten Computerprogrammen. „Das dauert drei Jahre, bis so ein Abgasteil in Serie gehen kann“, hat er mir erklärt… Und da sitzt plötzlich diese kleine Fliege auf seinem Bildschirm. So was verführt nicht eben zu frommen Gedanken. Und doch: Als er das kleine Insekt so betrachtet, gehen ihm auf einmal die Augen auf: Was für eine geniale Konstruktion- so klein, hochsensible Sensoren, eine ausgeklügelte Flugtechnik, was für perfektionierte Werkstoffe! Einfach genial! Und das soll Zufall sein? „Unser Team mit aller Technik  der Welt würde so was nie und nimmer hinkriegen…“, staunt er noch heute über diesen „Himmelsboten“. Seither, sagte er mir, gibt es für ihn keinen Zweifel, dass es Gott gibt, der diese wunderbare Welt erschaffen haben muss. Und in dieser wunderbaren Welt gibt es immer wieder Wunder.

„Wunder gibt es immer wieder,
heute oder morgen können sie geschehen.
Wunder gibt es immer wieder,
wenn sie dir begegnen, musst du sie nur sehn.“

Jesus im O-Ton seiner Wunder

 Das Weinwunder zu Kana (Joh 2,1-11)
Was willst du von mir, Frau?
Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
Füllt die Krüge mit Wasser!
Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist.

 Die Speisung der 4000 (Mk 8,1-9)
Ich habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir
und haben nichts mehr zu essen.
Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke, werden sie unterwegs zusammenbrechen; denn einige von ihnen sind von weither gekommen.
Wie viele Brote habt ihr?

Die Speisung der 5000 (Mt 14,13-21)
Sie brauchen nicht wegzugehen.
Gebt ihr ihnen zu essen!
Bringt sie (die Brote und Fische) her!

Jesus geht auf dem Wasser (Mt 14,22-33)
Habt Vertrauen, ich bin es;
Fürchtet euch nicht!
Komm!
Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 

 Der Fischfang der 153 Fische (Joh 21,1-14)
Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen?
Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas fangen.
Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt.
Kommt her und esst!

 Der Fischfang des Petrus (Lk 5,1-11)
Fahr hinaus auf den See!
Dort werft eure Netze zum Fang aus!
Fürchte dich nicht!
Von jetzt an wirst du Menschen fangen. 

 Die Stillung des Seesturms (Mk 4,37-41)
Schweig, sei still!
Warum habt ihr solche Angst?
Habt ihr noch keinen Glauben? 

Der verdorrte Feigenbaum (Mt 21,18-22)
In Ewigkeit soll keine Frucht mehr an dir wachsen.
Amen, das sage ich euch:
Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt,
dann werdet ihr nicht nur das vollbringen,
was ich mit dem Feigenbaum getan habe.

Die Totenerweckung des Jüngling von Nain (Lk 7,11-15)
Weine nicht!
Ich befehle dir, junger Mann: Steh auf! 

Die Totenerweckung des Lazarus (Joh 11,1-44)
Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, sondern dient der Verherrlichung Gottes:
Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.
Lazarus, komm heraus!
Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!

Die Totenerweckung der Tochter des Jairus (Mk 5,22-24.38-42)
Sei ohne Furcht; glaube nur!
Warum schreit und weint ihr?
Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.
Talita kum!

 

 

Exodus 3, 1-11

Gott mitten im Alltag
Wie hat heute unser Alltag ausgesehen? Was haben wir umgetrieben und was uns? Zugegeben, unser Alltag ist oft ganz alltäglich. Das ist auch ganz gut so. Wo kämen wir hin, wenn wir tagtäglich Außerordentliches erleben würden. Wir wären am Ende ganz außer uns.
Freilich darf uns der Alltag nicht blind machen. Es gibt ja den Begriff der „Berufsblindheit“ und die Klage über den „Alltagstrott“ kennen wir auch. Alles geht seinen gewohnten Gang und wird damit so gewöhnlich.

Wir begegnen Mose zu Beginn des 3. Kapitels mitten im seinem Alltag. Gott sei Dank, endlich wieder Alltag, nach der überstürzten Flucht aus Ägypten. Es ist ein anderes Leben als am ägyptischen Hof. Mittlerweile ist Mose auch verheiratet mit der ältesten Tochter des Priesters Reguel. (In Ex 3,1 wird Moses Schwiegervater mit einem anderen Namen „Jitro“ genannt.) Wir wissen von einem gemeinsamen Sohn. Familienleben ist angesagt. Seinen Sohn hatte er „Gerschom“ genannt: „Gast bin ich im fremden Land“. Vielleicht ist Mose inzwischen ja schon etwas heimisch geworden in Midian…

-Wir lesen Ex 3, 1-11 –
Es gibt die „Niederungen des Alltags“, alles läuft alltäglich ab. Nicht unbedingt schlecht. Aber in diesen Niederungen des Alltags gibt es immer wieder auch Höhepunkte. Der Berg Horeb, an dessen Fuß Mose die Herde weiden lässt, steht nicht nur als geographische Erhebung da. Er ist der Berg der Begegnung mit Gott. Der Gottesberg inmitten des Landes der Midianiter. Und mitten im Alltag kann sich tatsächlich Außerordentliches ereignen.

Hand auf´s Herz! Wer von uns hat schon mal einen brennenden Dornbusch gesehen? Wohl jeder würde sich da wohl herantasten, vorsichtig und mit einer gewissen Neugier, was denn da vor sich geht. Menschen der Wüste sind da etwas gelassener. Dass da ein strohtrockener Dornbusch in der Mittagsglut in Feuer aufgeht, soll gelegentlich vorkommen. Was aber nicht vorkommen soll, ist, dass der Dornbusch da nicht verbrennt. Mose will hingehen, um sich diese „außerordentliche Erscheinung“ anzusehen… (vgl. Ex 3, 3). Verständlich. Aber die außerordentliche Erscheinung verwandelt sich unmittelbar in eine noch außerordentlichere Begegnung. Denn aus dem Feuer ruft ihm Gott gleich zweimal zu: „Mose, Mose!“ Der Name so ausgerufen meint immer den ganzen Menschen. Da wird was existentiell! Mose spürt, dass er gemeint ist. Und er meldet sich unmittelbar zur Stelle: „Hier bin ich!“ (Ex 3, 3).
Nein, nicht Mose hat Gott gesucht, der nicht verbrennende Dornbusch hat ihn angezogen. Aber aus diesem nicht verzehrenden Feuer heraus ruft und sucht Gott ihn! Und das mitten heraus aus seinem Alltag!

„Hier bin ich!“ oder: bereit sein ist alles
Es gehört offenbar zu den Berufungskriterien Gottes, dass er Menschen mitten im Alltag anspricht. Keiner Berufung Gottes ist je ein mehrjähriges Studium vorausgegangen. Auch keine förmliche Einladung zum Vorstellungsgespräch. Es ist dieser überraschende Augenblick. Und dieser spontane Zuruf der nach Berufung klingt. Und Mose reagiert genau richtig: „Hier bin ich!“ Ein ausgesprochener Ausdruck seiner aufmerksamen Gegenwart. Die braucht es jetzt auch. Denn wenige Augenblicke später – wir müssen gerade einmal 5 Verse weiterlesen- erhält Mose von Gott schon seinen Auftrag, seine Sendung: „Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten aus Ägypten heraus!“ (Ex 3,10). Das ist packend!

Aber warum hat es Gott gerade auf diesen Mose abgesehen? Wodurch ist gerade er für diese Berufung qualifiziert? Nach allem, was wir über ihn wissen… All das wusste auch Gott! Aber Gott setzt nicht auf Macher. Er braucht Menschen, die bereit sind und verfügbar. Menschen auch, die einen Vorschuss an Vertrauen mitbringen, sich auf Gottes Wort und Weisung einzulassen, auch darum, weil sie um ihre eigenen Schwächen wissen. In den Augen Gottes bringt Mose offenbar viel von alledem mit.
Bereitschaft und Vertrauen. Das sind wohl auch noch heute die entscheidenden Voraussetzungen, dass Gott mit einem Menschen wirklich was anfangen kann…

Nun aber muss noch der Boden bereitet werden für diese Begegnung mit Gott. In der Wüste draußen ist Mose. Gut so. Die Wüste war und ist seit jeher ein Ort der Gottesbegegnung – und dann auch der Berufung. Wer schon einmal in der Wüste Sinai war, kennt ihre Stille, ihre Konzentration. Und des Nachts ihren sternenklaren Himmel… Wer da nicht an Gott denkt…!
Dann aber soll Mose noch seine Schuhe ablegen. „Denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ (Ex 3,5) Heiliger Boden am Fuße des Heiligen Berges. Ja, es gibt heilige Orte – die bestimmt sind für die Begegnung mit dem Heiligen Gott. Es sind Orte, die im Hier und Jetzt eine Wirklichkeit erahnen lassen, die Gottes ist. Der Ort, auf dem Mose da gerade steht – spüren wir ihn unter unseren Füßen!

Ehrfurcht vor Gott schenkt Gottes Nähe
Die Erfahrung des Heiligen ist ein „Mysterium tremendum et fascinans“. Orte, an denen die Transzendenz Gottes erfahrbar wird. Wir alle kennen Heilige Orte, die „göttlich“ wirken. Und wir alle kennen das Gefühl, das sich dort einstellt. Dieses Gefühl der Erhabenheit und der Ehrfurcht. Es gibt schon so was wie himmlische Augenblicke. Göttliches inmitten dieser irdischen Wirklichkeit. Aber wir dürfen das Himmlische nicht für das Irdische nehmen. Gott ist und bleibt Gott. Darum bleibt auch ein gottgewollter Abstand in der Begegnung mit Mose. „Komm nicht näher heran!“ (Ex 3,5) Dieser Abstand -in aller Ehrfurcht- ist wichtig. Die Ehrfurcht des Menschen vor Gott ist eine wichtige Grundeinstellung Gott gegenüber. Ehrfurcht hält nicht von Gott ab, sondern führt gerade näher hin zu ihm. Mose hat anscheinend das richtige Gespür für diesen Ort und diese Begegnung.

Gott werden wir nur dann begegnen, wenn Gott für uns auch Gott bleibt. Hoch und erhaben und doch ganz da. Das gibt Gott dem Mose auch gleich zu verstehen, als er sich ihm näher vorstellt. Er nennt ihm keinen Namen, noch nicht. Er offenbart sich vielmehr durch seine Beziehungen. Diese Beziehungen stellen eine wichtige Grundlage für alles Weitere her: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ (Ex 3,6) Die Ehrfurcht bleibt – aber ohne Angst, sondern mit wachsendem Vertrauen. Ehrfurcht und Vertrauen, Nähe und Distanz. Es sind keine Widersprüche, sondern gemeinsame Voraussetzungen für jedwede angemessene Gottesbegegnung.
Und Mose? Mose fürchtete sich. Es wird wohl diese innere Ehrfurcht gemeint sein, mit der er sein Gesicht vor Gott verhüllt. Gott kann der Mensch nicht schauen. Aber mit ehrfurchtsvoll verhülltem Gesicht wird Mose umso besser hören können…!
Und Mose wird zugleich wohl auch ein Gefühl von hautnaher Unmittelbarkeit gespürt haben. Mit nackten Füßen, barfuß, steht er da auf heiligem Boden. Und der Dornbusch brennt. Lassen wir das für einen Moment auf uns einwirken! —

Es brennt, damit es brennt!
Feuer! Der brennende Dornbusch ist kein bloßes Naturschauspiel. Da geschieht Offenbarung Gottes. Gott offenbart sich im Feuer. Was für ein Zeichen göttlicher Gegenwart! Schon in der Erzählung vom Bundesschluss Gottes mit Abraham begegnet eine Feuerfackel. Und wieder brennt es, diesmal kommt das göttliche Feuer aus dem brennenden Dornbusch. Nicht von ungefähr wird dieser Gott sein Volk in den Nächten der Wüstenwanderung in einer Feuersäule schützend begleiten. Gott brennt für sein Volk. Und er brennt für uns. Wenn das so ist, dann kann es doch nur um eines gehen, dass der Funke auch überspringt, dass auch wir Mensch Feuer fangen – für Gott!

Dann erklärt sich Gott dem Mose. Und das tut er in aller Ausführlichkeit: Das Leid seines Volkes geht ihm nahe, wie nahe, das ist seinen Worten zu entnehmen. Er hat die Klage gehört und das Leid gesehen. Gott weiß alles! Und er kann und will nicht weiter zusehen. Er muss herabsteigen. Ja, er ist es schon! Die Begegnung mit Mose macht es deutlich.

Gott steigt herab. Dieses Herabsteigen Gottes klingt in unseren Ohren vielleicht allzu menschlich, anthropomorph. Aber worum es Gott geht, wird offenkundig. Es gibt die Wirklichkeit Gottes, den Himmel, die Lebenswelt Gottes und es gibt die Erde, die Lebenswelt alles Irdischen, auch des Menschen. Aber Gott ist nicht über allem hoch erhaben. Er kann die Brücke schlagen, um dem Menschen zu begegnen, ihm zu Hilfe zu kommen. Im weiteren Verlauf von Exodus wird Gott immer wieder „herabsteigen“. Besonders eindrücklich auf den Berg Sinai (vgl. Ex 19, 11.18.20), um sich dem Mose und seinem Volk, wiederum zu offenbaren.
Und auch jetzt ist er herabgestiegen. Sein Entschluss steht damit bereits fest. Er will und er wird sein Volk aus der der Gefangenschaft herausführen. Aber nicht allein. Nicht Gott ohne Mose und nicht Mose ohne Gott werden die Befreiung in die Tat umsetzen. In der Begegnung am brennenden Dornbusch bahnt sich ein Miteinander an. Es wird die gemeinsame Sache von Gott und Mensch werden müssen. Alles andere führt zu nichts. Freilich, Gott überwältigt Mose nicht, er will ihn für sich gewinnen. Das kostet noch viel Überzeugungsarbeit. Wir werden sehen…

Und wir? Wie nähern wir uns dieser Begegnung am brennenden Dornbusch? Mit innerer Neugier? Mit ergriffener Ehrfurcht? Haben wir die Schuhe abgelegt, um diesen heiligen Boden wirklich hautnah zu spüren? Oder haben wir diese Bibelstelle schon zu oft gehört? So dass wir von vorneherein bereits wissen, was am Ende dabei herauskommt? Wir können uns gar nicht oft genug auf diese Begegnung einlassen, denn sie bringt uns Gott nahe.
Einem Gott, der uns sucht. Der es mit dem Menschen zu tun bekommen will. Und das mitten im Alltag. Die heiligen Zeiten und die heiligen Orte unseres Lebens sucht sich Gott heraus. Oft ganz überraschend. An uns ist es, wie Mose dafür offen zu sein. Gott wahrhaben zu wollen. Voll Ehrfurcht und doch so empfänglich, dass der Funke des brennenden Gottes überspringen kann. Bitte kein Brandschutz!

Der Philosoph Blaise Pascal trug in seinem Mantel eingenäht sein berühmtes „Mémorial“. Ein kleiner Pergamentzettel, den Pascal bis zu seinem Tod immer wieder in das Futter seines Rockes eingenäht hatte. Dieses Vermächtnis seines gottsuchenden Lebens wurde nach seinem Tod von einem Diener zufällig gefunden. Auf dem Zettel stand in atemloser Schrift geschrieben: „Feuer. Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs – nicht der Philosophen und Gelehrten!“ Da hat einer gebrannt!

Und wofür brennen…? Darüber spricht Gott gleich am Anfang ganz offen: Er hat das Leid gesehen, das da seinem Volk angetan wird. Gott hat Mitleid. Das kann uns gar nicht tief genug zu Herzen gehen. Denn, dass ein Gott von Herzen mit den Menschen mitfühlt, war bis dahin kaum zu glauben, schon eher an das Gegenteil. An Götter des Zorns, der Rache, der Willkür. In der Antike war es den Göttern auch egal oder sie haben mit den Menschen ihr Spiel gespielt.

Dieser Gott aber ist anders, ganz anders. Es ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Und er ist unser Gott, unser Vater. Das Wort von einem Gott, der zu uns herabsteigt, der brennt für uns Menschen, wird in Jesus Christus Fleisch annehmen. Ganz und gar, leibhaftig hat ER unter uns gewohnt. Und an Pfingsten das Feuer seiner Liebe ausgegossen, damit wir brennen!

Der Anruf Gottes ist immer ein ganz persönlicher. Mose hat sich angesprochen gewusst. Und seine unmittelbare Antwort ist ganz nach dem Herzen Gottes. Und damit vielleicht auch unser „Wort des Lebens“ für die kommende Woche:

 „Hier bin ich!“ (Ex 3,4)
Zwei Fragen für einen möglichen Austausch:

  • Gotteserfahrungen mitten im Alltag. Gibt´s die wirklich? Können wir uns davon mitteilen?
  • Lassen wir einmal den Brandschutz bewusst außen vor. Was macht uns im Glauben entflammbar. Wie könnte unsere Kirche wieder mehr „göttliches Feuer“ fangen?
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