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Worum es Jesus am Ende geht

Worum es Jesus am Ende geht
Gedanken zum Evangelium am 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17, 6a.-11b-19)

Die letzten Worte, der letzte Wille… Oft sind es nur kurze Sätze, Schlussbemer-kungen am Ende des Lebens, die aber tief blicken lassen. Und erkennbar machen, worum es zeitlebens ging. Einem Ludwig XIV. etwa, der sich nach 46 Regierungsjahren im Alter von 76 Lebensjahren mit den Worten verabschiedete: „Ich gehe fort, aber der Staat bleibt zurück.“ Bemerkenswerte Worte. Hatte der „Sonnenkönig“ doch zu Lebzeiten selbstbewusst behauptet: „L´état, c´est moi!“ („Der Staat bin ich“). Und von seinem anspruchsvollen Staatsgebilde blieb am Ende auch nicht viel übrig…
Wie anders klingt da das geistliche Vermächtnis, das wir soeben vernommen haben! Wir verdanken es dem Johannesevangelium, das uns die Abschiedsreden Jesu überliefert hat. Am Ende fasst Jesus noch einmal alles zusammen, was ihm besonders wichtig ist. Das tut er nicht schriftlich und auch nicht beim Notar… In einem ergreifenden Zwiegespräch mit seinem Vater nimmt Jesus all das noch einmal intensiv ins Gebet. Es gilt aufmerksam hineinzuhorchen… Worum es ihm geht? Um uns. Das ist wohl bei vielen Menschen so, denen es zeitlebens um andere gegangen ist. Und deren letzte Sorge all jenen gilt, die sie zurücklassen müssen.

Zwischen Weltflucht und Weltsucht…
Wie sollen die Seinen in dieser Welt weiterleben, wenn es nach seinem Willen geht? Am besten verstehen wir Jesus, wenn wir uns klarmachen, was er nicht will: Jesus will keine Weltflucht. Soviel Jesus auch immer wieder vom Himmel erzählt hat, er wollte nie, dass seine Jünger der Welt den Rücken kehren. Mit „Aussteigern“ konnte Jesus noch nie was anfangen. Also bitte keine Weltflucht“!
Aber es gibt ja auch eine andere Gefahr: die Weltsucht. Ja, die Welt kann auf die verschiedenste Weise regelrecht süchtig machen. Vergnügungssüchtig etwa: „Hauptsache, ich hab´ Spaß!“ Da gibt es die Arbeitssucht, die Menschen in Workaholics verwandelt. Wie ein Hamster im Rad laufen sie dabei Gefahr auszubrennen: Burnout. Oder sind besessen vom Besitz oder von der Macht: machtbesessen. Am Ende kommt immer das Gleiche heraus: Man wird abhängig, abhängig von dieser Welt. Und wird am Ende hektisch und nervös, weil die Zeit vergeht. Und irgendwann bemerkt man, dass die Welt vergeht, weil ich gehen muss.
Wenn Jesus uns also bewahren will, weltflüchtig oder weltsüchtig zu werden, worum geht es ihm dann? Was ist der goldene Mittelweg zwischen Weltsucht und Weltflucht?

Worum es Jesus geht
Schauen wir in das geistliche Testament Jesu und wir sehen den richtigen Weg.
Erstens: Die Jünger -und damit auch wir-, liegen Jesus am Herzen. „Ich habe sie behütet“ sagt er in geradezu liebevoll fürsorglichen Worten, „damit keiner von ihnen verloren geht.“ Diese Fürsorge haben sie auch nötig. Nicht nur einmal spricht Jesus davon, dass seine Jünger verfolgt und um seines Namens willen gehasst werden. Es ist eben keine heile Welt, in der wir leben. Das hat Jesus selbst am eigenen Leib zu spüren bekommen. Und doch steht er zu dieser Welt und setzt sich für sie ein. Ist er selbst doch in diese Welt gekommen, um zu heilen, was verwundet ist (vgl. Lk 5, 32).
Das ist das zweite: Jesus sieht die Lage der Welt, in der wir leben, realistisch, aber keineswegs hoffnungslos. Jesus glaubt an das Gute im Menschen, das diese Welt zum Besseren wenden kann. Darum betet er auch ganz bewusst darum, dass seine Jünger nicht aus dieser Welt genommen werden sollen. Im Gegenteil: wie ihn der Vater in diese Welt gesandt hat, so sendet er am Ende seine Jünger aus. Mitten in dieser Welt liegt ihre – und damit auch unsere- Sendung.
Das ist das Dritte: Wir sind gesandt in diese Welt, an Christi statt: mit unserem Glauben, mit seinen Ideen, mit aller Kraft der Nächstenliebe. Schon in der Urkirche war das soziale Engagement der Christen aufgefallen. Und unser Abendland verdankt Gedanken wie „Personalität“, „Individualität“ und „Demokratie“ ebenso dem christlichen Glauben, wie seine soziales Engagement für Alte, Kranke und Hilfsbedürftige, die Caritas. Sein Schul- und Universitätswesen und auch sein Rechtssystem, das sich eben nicht der Macht des Stärkeren beugt. All das -und vieles mehr- sind Auswirkungen christliches Sendung. Darum gehört auch die Mission zum Wesen von Kirche. „Missio“ heißt Sendung! Die Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch. Wir sind gesandt, die Welt im Geiste Jesus Christi zum Besseren zu bewegen. Nicht zuletzt auch durch unser Gebet.

In der Welt – aber nicht von der Welt
So sehr wir in dieser Welt leben und für diese Welt uns einsetzen: Wir sind nicht von dieser Welt. Es wäre in der Tat traurig, wenn wir die Jahre unseres irdischen Lebens für „voll“ nehmen müssten. Es wäre auch frustrierend, wenn wir nur auf unsere eigenen Kräfte bauen müssten. Es wäre hoffnungslos, wenn wir uns am Ende selbst erlösen und vollenden müssten. Nein, all das können wir nicht, all das müssen wir auch nicht. All das wollen wir nicht!
Als Christen sind wir keine „Weltlichen“, wir geistliche Menschen. Das Wort „Geistliche“ gilt ja keineswegs nur für Priester und Ordensleute. Wir alle haben in der Taufe den Geist empfangen, der uns zu Kinder Gottes macht. Wir sind Brüder und Schwestern Jesu Christi. Bestärkt durch die Firmung dürfen wir die Gedanken Jesu aufgreifen, mit ihm weiterdenken und versuchen sie in die Tat umzusetzen. Wir dürfen uns vom Geist Gottes inspirieren lassen. Und wie dieser Geist wirkt, hat Jesus selbst gesagt: Es ist ein Beistand, der uns stärkt. Und ein Geist der Wahrheit der uns heiligt. Als Christen sind wir somit berufen zur Heiligkeit, nicht zur Machbarkeit. Wir sind befähig, die Wahrheit zu erkennen und müssen uns nicht bloß an der Mehrheit orientieren. Dafür hat Jesus sich selbst geheiligt: „Ich heilige mich für sie“, sagt Jesus, „damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind.“ Das schreibt Jesus in sein Testament und den Seinen ins Stammbuch.
Das also scheint die goldene Mitte: Als Christen stehen mit beiden Beinen auf dem Boden dieser Welt. Aber wir haben zugleich einen Blick frei für den Himmel. Wir haben alle Hände voll zu tun, aber sind doch immer wieder frei genug, uns von Gott beschenken zu lassen. Wir leben in dieser Welt. Aber „unsere Heimat ist Himmel“ (Phil 3,20). Amen.

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