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Zeit plus Ewigkeit

Zeit plus Ewigkeit
Gedanken zum 32. Sonntag i. J. (Lesg.: 1 Thess. 4, 13 f; Ev.: Mt 25, 1-13)

Wir sind im November, wir begehen den Totenmonat. Wir gehen an die Gräber und machen uns so unsere Gedanken. Das kann beileibe nicht schaden. Schließlich müssen alle Menschen sterben. Manche wollen sterben und können nicht. Manche müssen sterben und wollen nicht. Die einen sterben viel zu jung. Andere fragen sich, warum muss gerade ich so alt werden? Damit wird klar: den Tod kann man sich nicht raussuchen. Deshalb gilt es, sich gut auf ihn vorzubereiten.

Genau darum geht es auch im heutigen Evangelium. Vom ist Tod war zwar nicht die Rede, dafür vom Leben, der Hochzeit des Lebens. Das sollte uns nicht verwundern. Christen glauben nicht an den Tod am Ende des Lebens. Der Tod wurde von den ersten Christen nicht als Lebensende verstanden, sondern vielmehr als Vollendung des Lebens. Sie haben geradezu erwartungsfroh darauf hingefiebert: auf die Wiederkunft des Herrn! Und in ihrer Naherwartung haben sie fest damit gerechnet, dass der Herr noch zu ihren Lebzeiten wiederkommen wird.

Aber diese Erwartung rückte mit den Jahren in immer weitere Entfernung. Das musste man erklären. Der Petrusbrief versucht es mit dem Hinweis auf das besondere Zeitmaß Gottes: „dass ein Tag für den Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag (2 Petr 3, 8). Und hatte nicht Jesus selbst gesagt, dass den Tag und die Stunde niemand kennt, nicht einmal er, der Sohn, sondern nur der Vater (vgl. Mt 24, 36)! Mehr und mehr wurde klar, dass nicht der Herr wiederkommt am Ende der Welt, sondern vielmehr wir aufbrechen zum Herrn am Ende unseres Lebens.

Die Wartezeit hat sich verlängert. Damit veränderte sich auch die Lebenseinstellung. Die einen blieben dran an der Erwartung der Vollendung. Hielten sich bereit. Andere richten sich mit der Zeit wieder mehr und mehr ein in dieser Welt und verloren die kommende Welt zusehends aus den Augen. Ihre Lebensenergie, das Öl in ihren Lampen, haben sie für anderes verbraucht.

Die Frage stellt sich: Welche Lebenserwartung haben wir? Und wie bemessen wir sie? Rein statistisch gesehen liegt sie bei Frauen hierzulande deutlich über 80 Jahren… Etwa doppelt so viele wie zur Zeit Jesu. Und doch eine endliche Zeit. Man kann es sich ausrechnen, wann das Leben irgendwann endet. Oder glauben wir an ein Leben nach dem Tod? Wenn ja, dann sieht alles gleich ganz anders aus.

Früher rechneten die Menschen 50 Lebensjahre + Ewigkeit. Heute sind es 80 und dann… nichts mehr. Damit hatten die Menschen früher mit mehr Zeit fürs Leben.

Ob ich an ein Leben nach dem Tod glaube, macht einen entscheidenden Unterschied. Und zwar schon jetzt. Und vor allem: Am Ende läuft uns die Zeit nicht davon. Es erwartet uns ja eine ganze Ewigkeit. Das macht was mit uns und unserem Leben:

Zunächst schenkt diese Über-Lebenserwartung Gelassenheit im Umgang mit unserer Lebenszeit. Wir müssen aus diesem Leben nicht alles herausholen. Ja noch mehr, wir dürfen uns freuen auf das, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2, 9).

Ich kann mich damit mehr konzentrieren auf das, was bleibt für die Ewigkeit. Was nehmen wir am Ende schon mit? Kein Geld. Darum muss nicht alles ein Geschäft sein. Am Ende ist in Todesanzeigen, Beileidskarten und auf Sterbebildern ohnehin meist nur noch von der Liebe die Rede. Von den Spuren im Herzen, die bleiben. Von der Liebe, die wir verdanken – und von der Liebe, die wir schuldig geblieben sind.

Und wenn´s dann ans Sterben geht…. Loslassen können die besser, die im Leben nicht alles im Griff haben mussten. Wir brauchen keinen Kontrollzwang, wenn wir glauben, dass Gott unser Leben in der Hand hat. Das haben wir ja im Eingangsgebet zur heutigen Messe bekannt: „Herr, wir sind dein Eigentum, du hast uns in deine Hand geschrieben.“ Das lässt schon jetzt entspannter leben. Und am Ende auch leichter sterben. „Was einer ist, was einer war, beim Sterben wird es offenbar.“ Da hat der bayrische Arzt und Dichter Hans Carossa schon Recht…!

Die Kunst des Sterbens ist eine Kunst des Lebens. Vielleicht die größte. Und die gilt es, ein Leben lang einzuüben. Im Tod geht es ums Leben. Im Blick zurück auf das, was war. Und im Blick nach vorn, auf das Leben, das ja noch kommt! Am nächsten Donnerstag werden wir letzte Worte auf uns wirken lassen. Letzte Worte von bekannten Persönlichkeiten, die Bände sprechen.

Lassen wir den Gründer von Apple, Steve Jobs, heute noch einmal zu Wort kommen: Sie erinnern sich…: Ein Jahr nach seiner Krebsdiagnose, erklärte er vor Studenten der renommierten Stanford University, was der beste Einfall des Lebens ist: „Der beste Einfall des Lebens ist der Tod.“ Und er gab seinen Studenten den Rat: „Eure Zeit ist begrenzt, vergeudet sie nicht!“ Und weiter: „Am wichtigsten ist, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen. Alles andere ist nebensächlich.“ Die letzten fünf Jahre seines Lebens waren dann auch noch überaus kreativ.

Unmittelbar vor seinem Tod schaute Steve Jobs noch einmal zurück und hat folgendes offen und ehrlich der Nachwelt hinterlassen: Gewissermaßen als sein persönliches Testament:

„Ich habe den Gipfel des Erfolgs in der Geschäftswelt erreicht. In den Augen der Menschen gilt mein gesamtes Leben als eine Verkörperung des Erfolgs. In diesem Augenblick, wo ich in einem Krankenbett liege und auf mein ganzes Leben zurückblicke, verstehe ich, dass all die Anerkennung und all der Reichtum, worauf ich so stolz war, an Wert verloren haben im Angesicht des nahen Todes. Jetzt weiß ich, dass wir uns komplett andere Fragen im Leben stellen müssen, die mit Reichtum nichts zu tun haben.

Gott hat uns solche Eigenschaften wie Gefühle für das Leben mitgegeben. Den Reichtum, den ich im Verlauf meines Lebens angehäuft habe, kann ich jetzt nicht mitnehmen. Was ich jetzt noch mitnehmen kann, sind Erinnerungen, die auf der Liebe beruhen und aus Liebe getan worden sind. Denn genau wie das Leben, kennt auch die Liebe keine Grenzen.

Dein Reichtum – das ist die Liebe zu deiner Familie, das ist die Liebe zu deiner Frau und deinem Mann, das ist die Liebe zu deinen Nächsten. Passt auf euch auf und sorgt euch um die anderen.“

 Schauen wir auf das Öl in unseren Lampen. Wenn´s zu Ende geht, darf nicht alles zu spät sein. Erkennen wir, was wir wirklich brauchen: im Leben und dann erst recht beim Sterben. Und Paulus sagt uns auch, was bleibt: „Am Ende bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei. Aber die Liebe unter ihnen ist die Größte.“ Das ist zugleich auch Öl für unsere Krüge.

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