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Zurück zur Normalität?

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Zurück zur Normalität?
Gedanken zu Fronleichnam 2021

Dass man sich einmal wieder nach der Normalität zurücksehnen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Aber genau das trifft gerade die Stimmung im Land. Ende des Monats wird die „Corona–Notbremse“ aufgehoben.
Vor Corona gab es doch in der Regel keine Sehnsucht nach der „Normalität“. Das hat sich inzwischen bei vielen geändert. Es gibt eine neue Wertschätzung für so vieles, was zuvor allzu selbstverständlich „normal“ war. Zum Beispiel: In die Schule gehen, Freunde besuchen, zum Geburtstag einladen oder ganz einfach am Abend in den Biergarten gehen…
Nicht Wenige wurden allein schon dadurch verunsichert, dass die Normalität nicht mehr normal war und das Selbstverständliche nicht mehr selbstverständlich ging. Das sollten wir uns gut einprägen. Wir alle sollten uns merken, dass es die normale Normalität nicht gibt. Und noch nie gegeben hat. Was wäre schon selbstverständlich… Daraus ergibt sich ein wichtiger Lerneffekt, der zu einer geläuterten Lebensform führen kann. In einer Mischung aus bewusster Aufmerksamkeit für das Leben und Dankbarkeit für all das, was es uns ermöglicht und zugleich die Verpflichtung, damit sinnvoll umzugehen.
Das gilt auch für uns als Pfarrgemeinde. Vieles ging auf einmal nicht mehr. Und auch an eine Fronleichnamsprozession war im vergangenen Jahr nicht zu denken. Umso mehr freuen wir uns, dass wir uns heuer wieder auf den Weg machen dürfen. Erst vor zwei Wochen haben wir erfahren, dass sie überhaupt möglich sein kann. Und ich danke allen, die spontan mitgeholfen haben, zu ermöglichen, was möglich ist. Gewiss noch in einem kleineren Rahmen und auch mit Abstand. Zwei Bläser statt ein ganzes Blasorchester. Also noch nicht in der alten Pracht. Dafür aber doch sehr bewusst, froh und dankbar.

Und jedes Jahr wieder stellt sich an Fronleichnam, die Frage, warum wir dieses Fest eigentlich begehen? Es handelt sich ja im besten Sinn um eine Demonstration des Glaubens – in aller Öffentlichkeit. Also, wofür stehen wir? Wofür gehen wir? McKinsey, die internationale Unternehmens- und Strategieberatung, kennen wohl die meisten. McKinsey hat der Kirche hierzulande einen klaren Rat gegeben: „Ihr müsst mit dem kommen, was ihr könnt: Den Menschen Sinn und Hoffnung geben. Alles andere können alle anderen auch.“

Sinn und Hoffnung geben. Darauf kommt es also an? Ich glaube, da ist viel Wahres dran. Im zurückliegenden Jahr sind viele Menschen wohl mehr als sonst innerlich zum Nachdenken gekommen; haben sich die Sinnfrage gestellt und nach Hoffnungszeichen Ausschau gehalten. Weil vieles selbstverständlich nicht mehr ging, haben sich so manche gefragt, wie geht´s eigentlich weiter? Und worum geht es mir eigentlich wirklich? Was gibt mit Hoffnung und was macht eigentlich Sinn? Gerade die Sinnfrage hat uns dabei wohl alle immer wieder auf unsere Beziehungen verwiesen. Beziehungen machen das Leben sinnvoll. Miteinander lässt es sich besser lernen, im Team bringt man m ehr auf den Weg. Freunde bereichern das Leben und vor allem war auch Familien angesagt. Nicht immer einfach, gewiss. Aber der Zusammenhalt in der Familie macht unglaublich viel Sinn. Gerade in Krisenzeiten.
Dafür steht auch unser Glaube. Dafür gehen wir heute auch miteinander. Als Christen leben wir in einer Familienreligion, als Brüder und Schwestern. Wir bilden geistlich betrachtet einen Hausstand mit Jesus Christus unter dem gemeinsamen Dach der Kirche. Wir stehen miteinander in Beziehung, weil wir alle Christen sind. Glieder am Leib Christ. Und den Leib Christi, wir alle verleiben ihn uns ein. Wir alle sind ein Leib. Der Hl. Augustinus sagt es ganz einfach: „Ihr seid, was ihr empfangt!“ Dafür stehen wir und dafür gehen wir auch.

„Ihr müsst mit dem kommen, was ihr könnt: Den Menschen Sinn und Hoffnung geben.“ Glaube macht nicht nur Sinn, er schenkt auch Hoffnung. Sinn ist immer auch hoffnungsvoll. Denn ohne Glauben stirbt die Hoffnung zuletzt immer, wird am Ende doch alles sinnlos. Ohne Gott haben wir am Ende kein Auskommen. Und vor allem ausweglos. Am Ende unseres Lebens und am Ende der Welt – „Dead End“.
Auch dafür gehen wir. Mit ihm, unserem Hoffnungsträger: Jesus Christus. Er hat sich die Hinfälligkeit von Welt und Mensch hineingekniet. In ihm hat sich Gott infizieren lassen mit dem Virus des Todes. Um daraus einen Impfschutz gegen den sicheren Tod zu gewinnen. „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (vgl. Joh 11, 25). Das Brot des Lebens ist dafür ein sicheres Zeichen. Das wir innerlich empfangen und für das wir heute öffentlich demonstrieren. „Ich bin das Brot des Lebens. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben“ (Joh 6, 48.51).
Glaube macht Sinn und schenkt Hoffnung auf ewiges Leben. Mit dieser Botschaft machen wir uns heute in aller Öffentlichkeit auf den Weg. Dieser Weg hat noch nie zurückgeführt zur alten Normalität, sondern immer aufbrechen lassen in eine neue Zukunft.

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