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Peter und Paul?

Peter und Paul?
Gedanken zum Hochfest am 29. Juni

Kaum etwas geht einem so selbstverständlich über Lippen wie „Peter und Paul“. Aber mit einiger Berechtigung könnte man auch „Peter oder Paul“ sagen. Denn kaum zwei Persönlichkeiten waren wohl so verschieden als eben diese beiden.
Versuchen wir, den Apostelfürsten näher auf die Spur zu kommen. Aus gegebenem Anlass. Schließlich haben wir beide am 29. Juni mit einem kirchlichen Hochfest gefeiert.

Simon Petrus
Beginnen wir mit Petrus, der ja eigentlich Simon heißt und einfacher Fischer ist. Vom Ufer des Sees Genezareth wird er in einem Augenblick von Jesus berufen. Und Simon und sein Bruder Andreas „verließen sogleich ihre Netze und folgten ihm nach“ (Mk 1, 18).
Im Jüngerkreis wird Jesus diesem Simon eine besondere Stellung zuweisen. Wenn die Evangelien die Jünger aufzählen, wird Simon stets zuerst genannt (vgl. Mk 10, 2). Ihn nimmt Jesus immer mit, wenn nicht alle Zwölf dabei sein sollten. Auf den Berg der Verklärung ebenso wie in den Garten Getsemani. Petrus ist so etwas wie der Sprecher der Apostel. Immer wieder ist er es, der als erster hinsteht und den Mund aufmacht. Sein „Messias-Bekenntnis“ ist legendär. „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“, will Jesus wissen. Petrus bleibt seine Antwort nicht schuldig: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16, 16). Daraufhin erklärt Jesus den Simon zum Petrus, das heißt „Fels“: „Du bist Petrus, auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16, 18).
Petrus, dieser Fels, kam auch ins Wanken. Aber er hat sich immer wieder gefangen. Nach der dreimaligen Verleugnung (vgl. Mt. 26, 69-75) bekennt er dem auferstandenen Jesus dreimal seine Liebe (vgl. Joh 21, 17): „Herr, Du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich lieb habe.“ Auf diese Liebeserklärung hin betraut Jesus den Felsen mit der Seelsorge an seiner Herde: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“
Unmittelbar nach der Geistsendung sehen wir den einfachen Fischer auf den Stufen des Jerusalemer Tempels, wo er eine flammende Pfingstpredigt hält. An Petrus kommt jetzt keiner mehr vorbei. Er ist der Fels in der Brandung einer jungen Kirche, die in Jerusalem und darüber hinaus schon bald der Verfolgung ausgesetzt sein wird.

Saulus-Paulus
Und Paulus? Der hieß eigentlich Saulus und war zunächst gar kein Jünger Jesu. Keiner, der aus dem frommen Jerusalem stammte, sondern aus Tarsus, jener pulsierende Hauptstadt Ziliziens mit ihren 300.000 Einwohnern. An der Schnittstelle von griechisch-römischer und orientalisch-semitischer Kultur herrscht ein reges geistiges Klima. Die Universitätsstadt ist auch Sitz der bedeutenden Philosophenschule der Stoiker. Ansonsten war „Multikulti“ angesagt. Die Leitkultur freilich war griechisch. Wie heute „the american way of life“ waren es damals das griechische Denken und die griechische Lebensart, die im römischen Reich noch weithin bestimmend waren. Eine starke jüdische Gemeinde fand sich in Tarsus mit einer eigenen Synagoge.
Fruchtbare Landwirtschaft findet sich im Hinterland der Hafenstadt. Flachs wächst auf den Feldern. Paulus erlernt das Handwerk des Zeltmachers. Saulus wird nach jüdischem Gesetz erzogen. In Jerusalem hat er sogar studiert bei dem bedeutenden Rabbi Gamaliel. Selbstbewusst gibt Saulus über sich Auskunft: „Ich bin ein Jude, aus Tarsus, Bürger einer nicht unbedeutenden Stadt Ziliziens“ (Apg 21, 39).
In der Apostelgeschichte begegnet uns Saulus zunächst als „ein Eiferer für das Gesetz“ (Apg 22, 3) und blutiger Verfolger der ersten Christen. Nach der Steinigung des Diakons Stephanus will er nach Damaskus, um dort weiter die Christen zu verfolgen. Und doch wird er als großer Völkerapostel in die Heilsgeschichte der Welt eingehen. Da muss was passiert sein!
Auf dem Weg nach Damaskus hat er sein Berufungserlebnis. Es ist ein unbeschreiblicher Augenblick-eine Vision, eine Audition- die Saulus vorübergehend erblinden lässt und doch die Augen öffnet. Auf diese Berufung vor den Toren Damaskus stützt Paulus forthin sein selbstbewusstes Auftreten. Auch er versteht sich –außer Frage- als Apostel Christi (vgl. 1 Kor 9,1).

Petrus und Paulus finden zusammen
So unterschiedlich Petrus und Paulus sind. Sie finden zusammen – sie stehen zusammen an dem Anfang der Kirche. Der eine nicht ohne den anderen. Zunächst sucht Paulus den Petrus. Denn so gewiss sich Paulus seiner Berufung auch ist, dem irdischen Jesus ist er zeitlebens nie begegnet. Und auch dem auferstandenen verklärten Herrn nicht. Aller Grund für Paulus, drei Jahre nach seiner Berufung zu Petrus zu gehen. Dort, in Jerusalem, trifft er auch Jakobus. 15 Tage nimmt sich Paulus Zeit. Worum es in diesen zwei Wochen ging, dürfte klar sein: Paulus wollte mehr erfahren über Jesus und was es mit seiner Auferstehung  auf sich hat. Paulus versichert sich seines Glaubens. Hier wird deutlich, wie sehr er sich auf das Zeugnis aus dem Jüngerkreis verlassen will.
14 Jahre später wird er wiederkommen. Und bringt seine eigenen Erfahrungen als Völkerapostel mit. Er will Mittel und Wege seiner Verkündigung mit den Autoritäten der Jerusalemer Urgemeinde besprechen (vgl. 2, 1 f). Eine Rückversicherung auch aus Gehorsam denen gegenüber, die der Herr zuerst berufen hat. Aber doch mit dem Selbstbewusstsein seiner eigenen Sendung.
Diese zweite Zusammenkunft hatte einen konkreten Grund: Welche Voraussetzungen braucht es, um Christ zu werden? Muss man sich erst beschneiden lassen und sich dem Gesetz des Mose unterwerfen? Oder ist das nicht mehr nötig, weil Jesus einen neuen Bund gestiftet hat? Petrus und die Apostel in Jerusalem sind zunächst für eine strikte Lösung. Paulus hält dagegen. Er weiß um die Einstellungen der Andersdenkenden, der Nichtjuden. Ihm ging es darum, allen einen niederschwelligen Zugang zum Evangelium zu ermöglichen. Auch den Heiden.
Petrus und Paulus ringen auf dem Apostelkonzil in Jerusalem und finden schließlich zu einem tragfähigen Kompromiss, den beide dann auch gemeinsam vertreten und umsetzen.

Miteinander klappt´s besser!
Und jeder macht weiter das, was er kann und wofür er von Jesus berufen wurde. Der eine ist und bleibt Petrus, der Fels in der Jerusalemer Urgemeinde. Der andere wird zum Völkerapostel,  unermüdlich unterwegs zu den Menschen – bis ans Ende der Welt. Eine sinnvolle Aufgabenteilung. Das eine hätte der andere nicht fertiggebracht – und umgekehrt. Petrus und Paulus haben sich gut ergänzt und persönlich ihren vollen Einsatz gebracht. Die junge Kirche brauchte für ihren Erfolg beide: Petrus und Paulus. Darum nennen wir beide oft im gleichen Atemzug und sie auch gemeinsam. Die beiden waren ein ideales „Gespann“. Sie hatten ein gemeinsames Ziel: Jesus Christus zu verkünden. Jeder mit seinen Fähigkeiten, jeder auf seiner „Position“. Und auf alle Fälle mit vollem Einsatz.
Auf das Miteinander, das Zusammenspiel kommt es an. Damals wie heute. Wir leben in der Zeit des „entweder…oder“ und der einfachen Lösungen. Viele Menschen haben die Sehnsucht nach starken Führern, die klar sagen, wo es lang geht. Das mag verständlich sein. Aber in einer komplizierteren Welt machen vermeintlich einfache Lösungen es nicht einfacher. Im Gegenteil. Internationale Krisen oder Welthandelsfragen lassen sich eben nicht per Twitter lösen. Alleingänge führen höchstwahrscheinlich in die Irre.
Worum geht es dann? Damals wie heute? Dass sich Menschen zusammensetzen, auseinandersetzen und offen und ehrlich nach gemeinsamen Wegen suchen. Nur wenn es gelingt, möglichst viele „mitzunehmen“, kann man am Ende auch viele und vieles erreichen und etwas wirklich voranbringen. Darum geht es bei allen Unterschieden, die es auch geben darf: um gemeinsame Lösungen, gemeinsame Wege. Es geht um unsere gemeinsame Zukunft.

Alle für einen
Petrus und Paulus hatten ein gemeinsames Ziel. Sie wollten allein das Evangelium voranbringen, nicht sich selbst. Darum haben sie sich auch geachtet und geschätzt. Das ist das Geheimnis ihres Erfolges: Gemeinsamer Einsatz für die gemeinsame Sache. Dass beide am Ende ihres Lebens ihr Leben geben für Jesus, zeigt, wie über-lebenswichtig für sie der Glaube an ihn war.
Petrus steht für die Einheit. Die wir brauchen. Er ist und bleibt der Fels, für den heute der Papst steht. Wieviel dieser Garant der Einheit wert ist, weiß jeder, der sieht, wie unsere Welt auch in Fragen des Glaubens auseinanderzudriften droht. Paulus macht nichts ohne die Einwilligung des Petrus. Und wenn er etwas anderes vorhat, lässt er es ausdrücklich in Jerusalem absegnen. Glaubensgehorsam gegenüber Christus und Loyalität gegenüber Petrus, dem der Herr seine Herde anvertraut hat, ist für Paulus Christenpflicht.
Aber dieser Gehorsam folgt einer offenen und ehrlichen Auseinandersetzung, die Paulus auch gesucht hat. Gut so! Wir dürfen in der Kirche nicht übereinander reden. Reden wir miteinander. Freilich nicht einfach so drauflos. Sondern nachdem wir gemeinsam gehört haben auf den Herrn. Petrus und Paulus war das wichtig. Sie wussten, wer sie berufen hatte. Das wissen auch wir. Berufungen machen wir ja nicht selbst. Berufung ist ein Geschenk für unser Leben aus dem Glauben. Folgen wir gemeinsam unserer Berufung. Wirken wir zusammen. Mit den verschiedenen Fähigkeit und Talenten, mit der Fülle an Charismen, auf die schon Paulus so viel Wert gelegt hat. Die es in der Kirche auch heute gibt. Und die die Kirche auch heute so notwendig braucht. Die Kirche ist in ihrem Wesen missionarisch, sagt das II. Vaticanum und sie ist charismatisch, fügt Paulus hinzu. Und alle zusammen gehören wir zu ihr, der einen Kirche, die seine Kirche ist. Dafür steht nach wie vor der Stuhl Petri.
So findet sich in Petrus und Paulus ein Miteinander von Kirche wieder, die gut tut. Und dem folgt was Jesus selbst wichtig war: Die Stabilität des Ecksteins, der alles zusammenhält und der missionarische Geist, der aufbricht und neue Wege geht. Was Petrus und Paulus zusammen auf den Weg gebracht haben, sollten wir entschlossen weiter verfolgen.
Dass es nur im Miteinander geht, sehen wir im großen Blick auf die Weltkirche. Im Blick in unsere Pfarrgemeinden. Und wir können es wohl auch sehen, wenn wir uns in unsere Kirche einmal umschauen. Wer alles da ist. Und warum. Es ist gut, dass wir alle hier sind.
Paulus hat ganz in diesem Sinne vom Leib und den vielen Glieder gesprochen. Es sind viele Glieder, aber es ist ein Leib – und der ist die Kirche. Das Haupt aber ist Christus. Er bestimmt wo´s lang geht. Darauf hat schon Maria hingewiesen: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5). Wenn wir das tun, dann kann es eigentlich nicht zu großen Auseinandersetzungen kommen. Und vor allem: dann gibt es auch keine Spaltung. Denn eines lag Jesus ganz besonders am Herzen, darum hat er inständig gebetet: dass wir eins sind, damit die Welt glaubt, dass der Vater und der Sohn eins sind und Jesus Christus aus dieser Einheit gesandt ist, um uns in Gott zu vereinen (vgl. Joh 17, 20-23).
Was uns als Christen verbindet ist er: Jesus Christus. Ich weiß nicht, ob Petrus und Paulus Freunde waren, ob sie sich sympathisch waren. Darum geht es in unserer Glaubensgemeinschaft auch nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass sie sich geachtet haben, sich ergänzt und zusammen-gewirkt haben, weil es ihnen um die gemeinsame Anliegen ging: Christus und sein Evangelium zu verkünden. Die eine katholische Kirche war immer stark, wenn sie beides war: missionarisch, offen für die Welt. Das macht unsere Kirche im Grunde ihres Herzens auch katholisch, weltumspannend. Zu einem „Global Player“, der weltweit zuhause ist. Und wenn unsere Kirche sich einig war; eins in dem Geist, den der Herr an Pfingsten vom Vater aus gesandt hat. Dieser Geist der Einheit verbindet – über alle Grenzen von Kultur, Rasse und Sprache hinweg. Vielfalt und Einheit schließen sich bei Gott nicht aus, im Gegenteil. Beides gehört zusammen. Gemeinsam sind wir stark.

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