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Gedanken zu „Tauet, Himmel, den Gerechten“ (Gl 741)

Gedanken zu „Tauet, Himmel, den Gerechten“ (Gl 741)

Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja

So spricht der Herr zu seinem Gesalbten, zu Kyrus: Ich habe ihn an seiner rechten Hand gefasst, um ihm Nationen zu unterwerfen; Könige entwaffne ich, um ihm Türen zu öffnen und kein Tor verschlossen zu halten: Ich selbst gehe vor dir her und ebne Ringmauern ein. Ich zertrümmere bronzene Tore und zerschlage eiserne Riegel. Ich gebe dir verborgene Schätze und Reichtümer, die im Dunkel versteckt sind. So sollst du erkennen, dass ich der Herr bin, der dich bei deinem Namen ruft, ich, Israels Gott. Um meines Knechtes Jakob willen, um Israels, meines Erwählten, willen habe ich dich bei deinem Namen gerufen; ich habe dir einen Ehrennamen gegeben, ohne dass du mich kanntest. Ich bin der Herr und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott. Ich habe dir den Gürtel angelegt, ohne dass du mich kanntest, damit man vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang erkennt, dass es außer mir keinen Gott gibt. Ich bin der Herr und sonst niemand. Der das Licht formt und das Dunkel erschafft, der das Heil macht und das Unheil erschafft, ich bin der Herr, der all dies macht. Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor, sie lasse Gerechtigkeit sprießen. Ich, der Herr, erschaffe es.

An diesen Sonntagen betrachten, meditieren und singen wir dann auch vertraute Adventslieder. Fällt es uns auf? So verschieden die Melodien auch klingen, das Anliegen der Lieder spricht eine einzige Sprache: die Sprache der Hoffnung. Der Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit, der Sehnsucht nach Erlösung.

Die Texte entspringen oft genug der gleichen Erfahrung: Die Welt kann sich selbst den Frieden nicht geben. Und erlösen können wir uns Menschen am Ende auch nicht. Darum flehen die Lieder zum Himmel, dass der kommt, den die Welt braucht. Der für eine höhere Gerechtigkeit sorgt, der ewigen Frieden gibt. Dass der Heiland kommt, der Erlöser der Welt. Ja: „Tauet Himmel den Gerechten!“

Es verwundert nicht, dass auch unser heutiges Adventslied seinen Anfang bei dem großen Propheten Jesaja nimmt. Diesmal gilt seine Verheißung dem Gottesvolk in der Gefangenschaft des babylonischen Exils. In „bangen Nächten“ klammert es sich mit seiner Hoffnung auf Freiheit an Gott.

Das bleibt bei Gott nicht ungehört. Durch den Propheten Jesaja kündigt er an: „Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor, sie lasse Gerechtigkeit sprießen. Ich, der Herr, erschaffe es“ (Jes 45, 8).

Freilich, Jesaja steht mit dem Volk Gottes noch mitten im Alten Testament. Heute wissen wir auch, wer die Israeliten damals aus der Gefangenschaft befreien wird: es war der Perserkönig Kyrus. Er konnte das Babylonische Reich bezwingen und entließ das Volk Gottes dann aus seinem Exil in die Freiheit.

Kyrus, gewiss ein fremder Herrscher. Und doch ein Mensch, der das Herz am rechten Fleck hat. Es gibt überall auf der Welt Menschen guten Willens. Mit ihnen hat Gott schon immer gemeinsame Sache gemacht. Jenseits aller Grenzen von Nationalität und Religion. Und richtet sich die Botschaft der Menschwerdung an Weihnachten nicht an sie alle; an alle Menschen, die guten Willens sind!

Die erste Fassung von „Tauet, Himmel, den Gerechten“ stammt vom Jesuitenpater Michael Denis. Er hat den Text 1774 in Wien verfasst. Nicht von Gerechtigkeit kündet seine Botschaft, sondern vom „Gerechten“.

Er greift die Gedanken des alttestamentlichen Propheten auf, aber er denkt sie dann auch weiter. Recht so! Im Licht von Weihnachten, das auf unseren Advent fällt, wissen wir: die Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit, nach Erlösung und Heil ist nicht ins Leere gelaufen. Er ist schon gekommen. Unser Erlöser und Heiland, Jesus Christ.

Halten wir dennoch kurz einmal inne. Und versetzen wir uns in die Situation der Menschen, die vor der Geburt Jesu Christi gelebt und geglaubt hatten. Könnten wir es uns vorstellen, auf den Messias noch warten zu müssen, nicht wissend, wann und wer da kommt? Was würde sich für uns ändern? In unserem Leben, unserem Glauben, in unserem Hoffen und Bangen?

Aber dann atmen wir auf und auch tief durch! Denn die alte Verheißung hat sich erfüllt! Das Tor ist nicht mehr verschlossen. Denn Maria war ganz offen für die Botschaft des Himmels. Unser Lied findet dafür die richtigen dankbaren, ja glücklichen Worte.

Wir begehen unseren Advent im Jahre 2022 nach Christi Geburt. Es ist damit ein Advent nach Weihnachten. Jeder Advent nach Weihnachten will uns einmal mehr für die Menschwerdung gewinnen, unsere Menschwerdung. Und genau dabei hilft uns seine Menschwerdung, die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Im Blick auf ihn, Jesus Christus, können wir erkennen, wie Gott sich den Menschen vorstellt.

Darum geht es in unserem Advent vor allem: wach und aufmerksam zu sein, bereit, sich Jesus zu eigen zu machen, ihn –wie der Apostel Paulus sagt: „anzuziehen“, oder wie wir in der 4. Strophe singen: „Lasst uns wandeln auf des Lichtes Bahn, ziehen Jesus Christus an!“

Die Welt ist nicht mehr hilflos ausgeliefert in dunklen, „bangen Nächten“. Wiewohl es sie gibt: im Krieg, auf der Flucht, in Verlassenheit, im Krankenbett, in der Todesstunde.

Aber da ist auch Licht gekommen ins Dunkel: das Lebenslicht von Betlehem. Jesus Christus, der versprochen hat: „Ich bin das Licht der Welt“. Und er vertraut dieses Licht auch uns an, er traut uns zu: „Ihr seid das Licht der Welt!“  Wir werden es sein, wenn er uns einleuchtet und wir ihn ausstrahlen…

Nicht mehr die Dunkelheit der Nacht am Ende unseres Liedes. Es ist Tag geworden! Und wir sind eingeladen, Licht ins Dunkel zu bringen: „Lasst uns wie am Tage wandeln, allzeit für den Herrn bereit; suchet, um gerecht zu handeln, Wahrheit, Fried und Einigkeit.“

Und wir spüren weihnachtlich im Advent: Christ, der Retter, ist schon da! Seiner Wiederkunft dürfen wir erwartungsvoll entgegengehen, hoffnungsfroh!

 

Fürbitten

Herr Jesus Christus, dankbar für Dein Kommen, erwarten wir Deine Wiederkunft und bitten Dich:

Für alle, die Dir noch nicht begegnet sind, aber auch für alle, die Dir aus dem Weg gehen.

Für alle, die in bangen Nächten nach einem Hoffnungsschimmer Ausschau halten.

Für alle Menschen guten Willens, die sich einsetzen für eine bessere Welt.

Für uns, dass wir uns im Advent bereithalten für Deine Wiederkunft.

Herr Jesus Christus, Du bist und bleibst im Kommen. Dir dürfen wir entgegengehen. Das schenkt unserem Leben viel Halt und Ziel und eine ganze Menge Zuversicht. Dafür danken wir Dir. Amen.

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