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Weihnachten will Nähe

Weihnachten will Nähe

Wie gehen wir mit Nähe um? Eine nicht ganz einfache und zudem auch sehr persönliche Frage. Und dann gibt ja auch Distanz. Manche Menschen nehmen gern in den Arm, andere halten lieber Abstand und legen auf einen warmen Händedruck nicht allzu viel Wert. Das darf man ruhig so stehen lassen. Wir Menschen sind eben verschieden. Und das ist gottgewollt. Hätte Gott uns Menschen alle gleich gewollt, hätte er Adam und Eva in Serie produziert. Das aber hat er nicht getan! Wir alle sind einmalig, Unikate, „made by God“.

Nähe und Distanz sind freilich keine bloßen Gegensätze. Wir brauchen schließlich beides. Manchmal ist es durchaus sinnvoll, auf Distanz zu gehen. Etwa dann, wenn ein Problem zu groß ist und es einen gewissen Abstand braucht. Oder eine Beziehung sich erst nach einer Zeit der Trennung wieder annähern kann.

Und wie sieht’s bei Gott aus? An Weihnachten geht Gott nicht auf Distanz. Er sucht die Nähe. Das ist und bleibt auch das innerste Geheimnis von Weihnachten. Und doch wird sich Jesus später immer wieder auch distanzieren. Abstand nehmen und berechtigte Kritik üben. Gott wirft sich uns in Jesus nicht an den Hals, er will vielmehr hinein in unser Herz.  Das nenne ich wahrhaftig. Christentum ist darum alles andere als Gefühlsduselei…

Auch die Geburt Jesu in Bethlehem war eine schwere. Das ist Fakt. Auch deshalb, weil so viele Menschen auf Abstand gegangen sind. Mit dem Paar aus Nazareth wollten sie jedenfalls nichts zu tun haben. Sich waren besetzt.

Und warum ist die Geburt dann doch geglückt, so geglückt, sodass wir auch im Jahre 2021 nach Christi Geburt feiern und uns „Frohe Weihnachten!“ wünschen? Es ist ein Geschenk der Nähe, das wir Menschen verdanken, die zuvor auf Distanz gegangen waren: Maria und Josef und den Hirten. Maria hat nicht gleich eingewilligt, sondern zunächst einmal Abstand genommen und darüber nachgedacht, was denn diese himmlische Botschaft für sie bedeuten sollte. Josef wollte sich zunächst in aller Stille von Maria trennen; nur zu verständlich. Und die Hirten? Die hatten dieses junge Paar zuvor noch nie gesehen. Und doch: Weihnachten zeigt uns, dass man Distanz überwinden und sich näherkommen kann. Und wenn man sich nähergekommen ist, wird man sich auch besser verstehen können. Und aus diesem gemeinsamen Verständnis heraus dann das Notwendige tun. Damals ist das gut gelungen. Das Kind hat überlebt, weil sie alle miteinander zusammengehalten haben.

Ist das nicht eine hochaktuelle Ansage auch heuer wieder an Weihnachten unter Coronabedingungen! Natürlich gibt es gute Gründe, räumlich auf Distanz zu gehen und Abstand zu halten. Das sehen wir wohl alle ein. Auch in dieser Heiligen Nacht werden wir keinen Friedensgruß weiterreichen. Aber was wir schon im letzten Jahr spüren durften: An Weihnachten -versammelt um die Krippe von Bethlehem- spüren wir ein Mehr an Nähe, weil wir uns innerlich näherkommen. Weil ein jeder von uns da ist, um dem Geheimnis der Nähe, dem Kind in der Krippe, nahe zu kommen. Weil wir ganz persönlich dem Kind nahekommen, begegnen wir einander in nächster Nähe. Das tut uns doch gut! Gott hat gewiss seine weihnachtliche Freude daran. Gott hat keine Berührungsängste. Weihnachten berührt. Lassen wir es zu, ja bemühen wir uns darum, berührt zu werden.

Weihnachten war noch nie so wertvoll wie in Zeiten, in denen Menschen, warum auch immer, auf Distanz zueinander gegangen sind. Reden wir nicht von den notwenigen Maßnahmen… Die AHA-Regeln kennen wir, sie sind sinnvoll und haben gewirkt. Das ist gut. Was aber Sorge bereitet, ist, dass Menschen innerlich auf Distanz gegangen sind und sich zusehends entfremden. Freundeskreise brechen auseinander, Familien sind gespalten. Ein Virus ist offenbar nicht nur infektiologisch relevant. Es hat auch Hirn und noch schlimmer das Herz vieler Menschen infiziert. Das muss uns allen zu denken geben!

Dagegen will Weihnachten helfen! Uns wieder mehr zusammenbringen, weil wir zusammengehören. Bischof Bertram hat es als Wunsch formuliert: „dass niemand von den Feiern an Weihnachten ausgegrenzt wird. Die sogar in christlichen Familien schon spürbare Trennung in „Geimpfte“ und „Nicht-Geimpfte“ darf keinen Einzug in die Kirche halten. Jeder Mensch hat seine eigene Würde unabhängig von seinem Impfstatus. Die Gottesdienste in den Kirchen unserer Diözese sollen daher Raum, ja Heimat für alle bieten und ein weihnachtliches Zeichen gegen Ausgrenzung setzen.“

Und Weihnachten bringt uns auch zur Besinnung, dass es auch noch andere Themen gibt als Corona. Gerade im Advent waren wir in unserer Pfarreiengemeinschaft adventlich unterwegs und haben uns Gedanken gemacht über die großen Anliegen dieser heiligen Zeit: Erwartung, Vertrauen, gute Hoffnung und Freude. Wie gut das tut, haben wir hoffentlich alle verspürt.

Darum mag es auch gehen nach Weihnachten und jenseits besinnlicher Gottesdienste: Distanz abzubauen und uns wieder näher zu kommen. Je mehr wir räumlich Abstand halten müssen, desto mehr gilt es, innere Nähe zu suchen und zu pflegen. Damit wir Menschen uns nicht entfremden. Versuchen wir mit dem guten Willen, an den Weihnachten in uns Menschen appelliert, andere besser zu verstehen und sie nicht pauschal in die eine oder andere Ecke zu stellen. Warum das so wichtig ist? Weil wir immer dann besonders fest zusammenhalten müssen, wenn es Probleme gibt. Das gilt im Kleinen: Die heilige Familie war mit drei Personen eine kleine Familie. Es gilt aber auch im großen Ganzen. Als Christen denken wir immer auch global und inklusiv. Christ der Retter ist da – und er ist für alle gekommen die „Sünder“ wie die „Frommen“. Weihnachten verpflichtet auch…

Lassen wir uns von Weihnachten ermutigen, ja lassen wir uns von diesem Kind ertüchtigen, damit wir Menschen uns wieder näher zu kommen. Das geschieht nicht automatisch, es braucht den guten Willen von Menschen, an den sich die Botschaft von Weihnachten auch richtet. Und es braucht Gott, den wir wieder mehr zu Thema machen sollten, um an Vertrauen zu gewinnen und nicht kopflos und am Ende herzlos zu werden. Dann, ja dann weihnachtet es wirklich sehr!

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