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Wer ist glücklich zu preisen?

Wer ist glücklich zu preisen?
Gedanken zum Evangelium am 6. Sonntag i. J. (Lk 6, 17-18a. 20-26)

Das nenne ich eine Ansprache! Noch dazu vor dieser großen und bunt gemischten Zuhörerschaft: „Selig, ihr Armen, selig, die ihr jetzt hungert, selig, die ihr jetzt weint, selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen“ (Lk 6, 20-22). Gesetzt den Fall, wir hätten ein Mikrophon in der Hand und viele Leute, die uns zuhören. Wer würde sich heutzutage schon trauen, solche Töne anzuschlagen! Selbst in den Kirchen wird heute in der Regel anders, oder sagen wir „ansprechender“ gepredigt.

Noch krasser wird´s im zweiten Teil der Ansprache: „Aber weh euch, ihr Reichen; weh euch, die ihr jetzt satt seid; weh, die ihr jetzt lacht; weh euch, wenn euch alle Menschen loben“ (Lk 6, 24-26). All das klingt aufs Erste nicht gerade nach „Frohbotschaft“, schon eher nach „Drohbotschaft“! Frage: Welcher Teil der Predigt uns mehr getroffen hat…, weil wir mehr betroffen sind?

Im Blick auf die Seligpreisungen am Anfang kann man sich zunächst ja durchaus freuen. Mit all jenen, die in diesem Leben zu kurz kommen. Und es gibt viele Menschen weltweit, die arm sind, Hunger leiden, weinen müssen, geringgeachtet werden oder gar verfolgt. Wir können wohl auch dankbar sein, wenn wir, und das hoffe ich, nicht betroffen sind. Was Jesus da für die Zukurzgekommenen ankündigt, ist nicht weniger als ein „Entschädigungsprogramm“, ein „himmlischer Lastenausgleich“.

Dass wir Jesus nicht missverstehen: er wünscht den Menschen nicht zunächst Unglück, damit sie danach für immer glücklich sein können. Jesus hat Menschen nie nur vertröstet, sondern Trost gespendet. Er hat sie nicht hungern lassen, sondern Brot vermehrt… Aber auf eines weist er schon hin: Diese Welt wird nicht allen gerecht. Und auch darauf: diese Welt ist am Ende noch lange nicht alles. Im Gegenteil! Das Eigentliche kommt noch, steht noch zu erwarten.

Wir spüren, wie Jesus die Zukurzgekommenen am Herzen liegen. Am Herzen liegen ihm aber auch all die anderen, denen es gut, vielleicht zu gut geht. Die Weherufe sind recht verstanden ja keine Drohungen, sondern Klageworte. Sie bringen die große Sorge Jesu zum Ausdruck, dass sich die Menschen verlieren könnten im Diesseits, weil sie glauben, hier alles finden zu können. Oder gar finden zu müssen, weil danach nichts mehr zu erwarten steht. An anderer Stelle warnt Jesus ausdrücklich: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber an seiner Seele Schaden nimmt“ (Mk 8, 36)?

Das kann passieren Fall sein, wenn man vom Besitz besessen wird. Wenn Übersättigung den Hunger der Seele erstickt. Wenn nicht mehr geweint wird, weil es allein darum geht, „happy“ zu sein. Oder sich Menschen nur noch danach richten, was andere Menschen über sie denken. Und sie das Urteil Gottes nicht mehr interessiert. Klarer hätte Jesus gewiss nicht predigen können. Auf der einen Seite werden Menschen glücklich gepriesen; auf der anderen Seite vernehmen Menschen Wehrufe.

Noch einmal zurück zur Frage: „Was hat mich mehr getroffen – weil ich mehr betroffen bin?“ Wir können uns nicht einfach wegducken. Das konnten die Menschen damals auch nicht, denen Jesus diese Feldpredigt gehalten hat. Bevor er zu reden begann, hatte er „seine Augen auf die Jünger gerichtet“ (Lk 6, 20).

Wir haben wohl alle schon beide Seiten kennen gelernt. Gute Zeiten eben und auch schlechte Zeiten. Das Evangelium von heute will uns nicht auf die schlechten Zeiten einschwören. Jesus geht es einzig und allein darum, dass wir glückselig werden.

Er zeigt uns die schlechten Seiten der guten Zeiten. Und die guten Seiten der schlechten Zeiten. So gibt er uns einen verlässlichen Kompass an die Hand: Armut ist nicht immer schlecht, vor allem dann nicht, wenn sie uns die Augen öffnet, wo der wahre Reichtum im Leben zu finden ist. Zuletzt nicht auf unserem Bankkonto. Hunger kann uns nähren, weil wir nicht so vollgestopft sind, und so spüren, dass auch die Seele ihre Bedürfnisse hat. Tränen auf den Wangen sind oft wertvoller als ein Lachen auf den Lippen, weil sie Ausdruck tiefer Liebe sind. Und nach dem Lob und der Anerkennung der Menschen zu liebäugeln, kann leicht Gott aus dem Blick verlieren. Die Mehrheit hat eben nicht immer Recht. Jesus dagegen sagt uns immer die Wahrheit. Er ist der Weg, der in Wahrheit zum Leben führt (vgl. Joh 14, 6).

Ein gutes, vielleicht zu gutes Leben birgt Gefahrenpotential in sich, das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren. Ein schlechtes, vielleicht zu schlechtes Leben birgt die große Chance, sich in die irdische Welt nicht so zu verlieben, dass man sie nicht mehr lassen mag. Im Grunde genommen gilt es bei allem, was wir haben und wie immer es uns geht, den in den Blick zu nehmen, der auf uns schaut. Gott. In Jesus Christus hat er heute deutliche aber zugleich auch heilsame Worte gefunden. Und das aus dem einen guten Grund: er will niemanden verlieren, weil alle retten will.

 

Fürbitten
Herr Jesus Christus, Du hast Dich in die Unvollkommenheit unserer Welt hinein verloren, um uns Menschen für Gott zu gewinnen.

  • Wir bitten Dich für die Armen, die nicht das Nötigste zum Leben haben, aber auch für all jene, die sich vom Reichtum abhängig gemacht haben.
  • Wir bitten Dich für die Trauernden, die nicht wissen, wie sie weiterleben sollen, aber auch für all jene, die zu trauern verlernt haben.
  • Wir bitten Dich für die Erfolglosen, die immer wieder von Niederlagen getroffen werden und an sich selbst zweifeln, aber auch für all jene, für die „Erfolg“ zum Namen Gottes geworden ist.
  • Wir bitten für die Menschen in der Ukraine und alle, die sich um Frieden für ihr Land einsetzen.
  • Wir bitten Dich für uns: lass uns nie vergessen, dass Du uns nicht verlieren, sondern einst glückselig machen willst.

Herr Jesus Christus,
Du bist der Grund unserer Hoffnung und das Ziel unseres Lebens. Dafür danken wir Dir.
Amen.

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