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Erwartungen braucht der Mensch!

Erwartungen braucht der Mensch!
Worauf warten wir?
Auf den Zug, der wieder Verspätung hat.
Am Ende der Stunde, dass es endlich klingelt.
Auf das Ende der Halbzeitpause, dass der Ball wieder rollt.
Das sind „Allerweltserwartungen“. Sie bestimmen im Normalfall das Leben vieler Menschen.

Aber es gibt auch größere Erwartungen!
Die Erwartung der Geburt unseres Kindes.
Das Warten des Kindes auf den ersten Schultag.
Das erste Mal am Hinterm Lenkrad sitzen und selbst losfahren dürfen…

Und das Warten auf das Christkind?
Wie sieht es eigentlich mit dieser Erwartung aus?
Fragen wir Kinder, und es genügt ein Blick in ihre Augen. „Ja darauf warte ich ganz fest!“ Alles andere ist in diesen Tagen des Advents zweitrangig. Zumindest für die Kleinen… Und die Großen?
Blicken wir in die Augen der Kassiererin in diesen Tagen des Advents, der Ärztin mit vollgeschnupftem Wartezimmer, des Paketboten mit seinen …zig Überstunden… Dann schaut die Erwartung auf das Christkind gleich ganz anders aus.

Es ist schon so eine Sache mit den Erwartungen des Menschen. Und doch steht fest: Erwartungen braucht der Mensch! Menschen, die nichts mehr vom Leben erwarten, sind irgendwie am Ende. Und Menschen, die nichts mehr erwarten können, ganz außer Atem.
Eines dürfen wir uns gut merken: In der Größe der Erwartungen liegt die Größe unseres Lebens. Es gibt ja den Begriff der „Lebenserwartung“. Und da ist offenbar nur von einer Lebenserwartung die Rede. Man versteht darunter für gewöhnlich die Zahl der Jahre. Und wenn die Jahre vergehen, bleibt von der Lebenserwartung immer weniger übrig. Und was bleibt am Ende…? Nicht selten große Enttäuschung, dass es nun zu Ende geht.
Wir sehen also: es muss uns um mehr gehen. Und darum begehen wir auch den Advent. Advent heißt „Ankunft“. Und Ankunft ist Grund für Erwartung.

Ein  Evangelium voller Erwartung
Die Erwartungshaltung eines ganzen Volkes begegnet uns im heutigen Evangelium: „Das Volk war voll Erwartung“ (Lk 3,15). Kann man das von unserem Volk auch sagen? Worauf wartet unser Volk eigentlich? Und ich selbst? Die Frage ist wichtig. Denn Erwartungen haben es in sich. Auch das bekommen wir im Evangelium zu spüren. Die Menschen sind ja nicht sitzen geblieben und haben auf die Uhr geschaut. Bis die zweite Halbzeit beginnt oder die Gans endlich durch ist.

Nein, sie sind aufgebrochen. Ausgebrochen aus ihrer täglichen Warterei. Echte Erwartungen bringen tatsächlich in Bewegung. Und die Menschen sind hinausgeströmt zum Jordan. „Sie kamen, um sich taufen zu lassen“ (Lk 3, 12). Noch dazu von diesem Johannes. Ein provokanter Bußprediger, der sie natürlich nicht alle gleich getauft hat, wie das heute so üblich ist. Er hat sie zunächst einmal konfrontiert. Mit ihrem Leben und damit, dass es so nicht weitergehen kann. Aber das haben die meisten wohl ohnehin selbst gespürt. Sonst wären sie ja daheim geblieben. Umkehr war angesagt. Damit sie ankommen können.

Was ist also zu tun? Das haben die Menschen draußen bei Johannes offenbar gleich verstanden, dass man für seine Erwartungen einsetzen muss. Abwarten allein genügt nicht. Erwartungen fordern vollen Einsatz. Sie haben aber auch unglaublich viel Potenzial!  „Was sollen wir also tun?“ (Lk 3,10)
Johannes antwortet der Reihe nach, passgenau, praktisch und einfach gut: „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat und wer zu essen hat, handle ebenso.“ (Lk 3, 11) „Verlangt nicht mehr als festgesetzt ist“, sagt er den Zöllner (Lk 3, 13). „Misshandelt und erpresst niemand“, den Soldaten (Lk 3, 14).

Worauf warten wir (noch)?
Klingt nicht gerade nach Gemütlichkeit. Auch nicht nach Shoppen. Aber genau das ist Advent! Und damit die Frage an uns: Was sollen wir eigentlich tun im Advent? Was ist eigentlich meine Erwartung im Leben? Was bin ich bereit zu tun für meine Erwartungen? Meine Lebenserwartung? Die Jahre allein sind am Ende zu wenig. Die kann man getrost abwarten…

Ein Wort hat mich aufhorchen lassen vor wenigen Tagen – mitten im Advent: Gesagt hat es der Ukrainer Oleg Senzow. Der sitzt gerade in einem russischen Gefängnis, weil er sich gegen die Annexion der Krim eingesetzt hat. Dafür hat man ihm den diesjährigen Sacharow-Preis für Menschenrechte verliehen. In seiner Dankesbotschaft schreibt der von einem Hungerstreik gezeichnete Filmemacher: „Es ist nicht wichtig, wann man stirbt, sondern wofür.“ Das kann nur einer sagen, der weiß,  wofür er lebt, und der dafür etwas getan hat.

Menschen brauchen Erwartungen. Und es braucht Menschen mit Erwartungen. Erwartungsvolle Menschen. Denen es eben um mehr geht. Vielleicht sogar um alles! Johannes war so einer. Darum ist und bleibt der Vorläufer so wichtig.
Nein, er selbst war es nicht. Das hat er den Leuten klar bekannt und hinzugefügt: „Es kommt aber einer, der stärker ist als ich“ (Lk 3,16).
Und ja, er ist gekommen. Jesus Christus. Das hat Johannes noch erfahren. Als auch er im Gefängnis gelandet war. Denn gottlose Machthaber gab es zu allen Zeiten.

Die Ankunft Jesu vor über 2000 Jahren, seine erste Ankunft, ist der Grund unserer Erwartung heute: Dass der Herr wieder kommt.
Darauf warten wir. Das ist die urchristliche Erwartung bis heute. Halten wir diese Erwartung wach und lebendig. Denn sein Kommen hat der Herr davon abhängig gemacht, dass wir ihn erwarten. Sehnsuchtsvoll, in unserem Beten und mit unserem entschlossenen Willen, das Gute zu tun.
Komm, Herr Jesus, maranatha! Amen.

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